Kujtim F. wurde vom begeisterten Nachwuchsfußballer zum radikalen Gotteskrieger, der zweimal an die Terrorfront ausreisen wollte. Der 20-jährige Gefährder aus dem Gemeindebau wurde im vergangenen Dezember vorzeitig aus Haft entlassen - kurz vor dem Anschlag mit vier Toten und mehr als 20 zum Teil schwer Verletzten postete er ein Foto mit Waffen samt Treueschwur für den IS-Chef.
Wie konnte es geschehen, dass er zu einem IS-Terroristen wurde? Er - Kujtim F. Die Eltern: angeblich „völlig unauffällige“ Mazedonier. Schon früh waren sie nach Österreich ausgewandert, hatten hier stets fleißig gearbeitet; der Vater als Gärtner, die Mutter als Verkäuferin. Der Sohn wurde in Österreich geboren, am 24. Juni 2000. Er wuchs zunächst in Mödling in Niederösterreich auf. In der Kindheit galt er als „lieber Bub“, der brav lernte und leidenschaftlich Fußball spielte.
Die Probleme begannen mit der Pubertät. Kujtim F. wurde nach und nach unzugänglicher, für seine Lehrer, seine alten Freunde. In Berichten des Jugendamts steht, dass er im häuslichen Umfeld Gewalt erfuhr. In der HTL in Ottakring, die er bis zu seinem 17. Lebensjahr besuchte, sprach er wenig mit Schulkollegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er über diverse IS-Propaganda-Foren nämlich schon längst neue „Freunde“ gefunden – und sich immer stärker radikalisiert. Immer öfter suchte er Zuflucht in einer amtsbekannten Moschee. Die Gehirnwäsche zeigte Wirkung.
Polizei verhaftet in der Schweiz IS-Anhänger
Der „liebe Bub“ beschloss, sich dem „Heiligen Krieg“ an der IS-Terror-Front anzuschließen. Möglicherweise hatte er Kontakt zur Salafistenszene in der Schweiz: In Winterthur verhaftete die Polizei Dienstagabend zwei Verdächtige, um zu klären, ob es eine Verbindung zum Wiener Attentäter gibt.
Als Möchtegern-Dschihadist scheiterte dieser zweimal: Im August 2018 hatte er einen Flug nach Kabul gebucht - es fehlte aber das Visum für Afghanistan. Zwei Wochen später der nächste Anlauf: Als seine ahnungslose Mutter eine Vermisstenanzeige aufgab, war ihr Sohn bereits in der Türkei. In einem Hotel, wo er abgeholt und über die syrische Grenze geschleust werden sollte. Doch dazu kam es nicht: Die Polizei nahm Kujtim F. fest und lieferte ihn an Österreich aus.
Ich habe Kujtim F. 2019 in seinem Prozess vertreten. Er schien danach geläutert. Dass er jetzt solch eine grauenhafte Tat begangen hat, erschüttert mich zutiefst.
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22 Monate Gefängnis – so das im April 2019 verhängte Urteil. Aber schon im Dezember, nach nur sieben Monaten Haft, kam er auf Bewährung auf freien Fuß. Zuletzt lebte Kujtim F. auf 50 Quadratmetern in einem Gemeindebau in der Donaustadt. Was wissen Nachbarn? Eine Frau von der Nebenstiege: „Er hatte oft Männerbesuch.“
14 „Attentäter-Freunde“ werden einvernommen
Um zu klären, um welche Gesinnungsfreunde es sich bei diesen Besuchern handelt, hat die Polizei hart durchgegriffen: 14 Personen aus dem Umfeld des 20-Jährigen wurden über 18 Hausdurchsuchungen ausgeforscht und werden mittlerweile einvernommen. Vor dem Anschlag schwor F. dem neuen IS-Chef Abu Ibrahim al-Haschimi al-Quraischi noch die Treue und posierte mit Machete, Pistole und Sturmgewehr.
Dann erschoss er auf seiner Mordtour vier Menschen im Herzen der Donaumetropole - darunter eine in Wien studierende deutsche Kellnerin (22) eines Szenelokals sowie den Nordmazedonier Nexhip V. (20), der in Korneuburg in Niederösterreich wohnte. Bei dem ausgeschalteten Terrorkrieger wurden eine Sprengstoffgürtel-Attrappe und Dutzende Schuss Munition sichergestellt. Er soll alleine zugeschlagen haben. Dienstagabend reklamierte die IS-Terrormiliz die Attacke für sich.
Klaus Loibnegger, Martina Prewein und Thomas Werth, Kronen Zeitung
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