Macht die Schule Kinder zu abhängig vom US-Softwaregiganten Microsoft? Um diese angesichts der Verbreitung von Microsoft-Tools im Unterricht gut nachvollziehbare Frage dreht sich eine Debatte im deutschen Bundesland Baden-Württemberg, wo das Kultusministerium die etablierte Open-Source-Lösung Moodle in den Schulen durch Microsofts Cloud-Lösung Office 365 ersetzen will. Informatiker und Förderer des Informatikunterrichts laufen dagegen Sturm und warnen vor dem „Lock-in-Effekt“.
Ein Wechsel auf die Microsoft-Lösung, die in zahlreichen österreichischen Schulen längst Verwendung findet, sei aus vielen Gründen problematisch, wehrt sich die Lehrerfachgruppe der deutschen Gesellschaft für Informatik gegen den Wechsel auf Office 365 in den baden-württembergischen Schulen. Es gehe um Datenschutz, digitale Demokratieerziehung, Lehrmethoden, „Einheitlichkeit, Offenheit und Kollaboration“, zitiert das IT-Portal „Heise“ die Fachgruppe, die in einem Positionspapier festhält, dass es ihr lieber wäre, wenn man an freien Open-Source-Lösungen festhalten würde.
„Imageschaden für unser Technologieland“
Einen Parallelbetrieb lehne man ab, die Schulen bräuchten vielmehr ein einheitliches System für den „offenen Export und Austausch der erstellten Materialien“. Bei der auch hierzulande genutzten Open-Source-Lösung Moodle sei das „heute und in Zukunft“ gewährleistet, bei geschlossenen Systemen wie Microsoft Office 365 „in der Regel nicht“. Ein Umstieg auf die Microsoft-Lösung bedeute daher einen „Imageschaden für unser Technologieland“, zu große Abhängigkeit von US-Konzernen und letztlich den Verlust der digitalen Souveränität im Bildungssystem.
Die Initiative weist darauf hin, dass Office 365 schon allein aus Datenschutzgründen nichts an den deutschen Schulen verloren habe. Die Software sammle Telemetriedaten unbekannter Art und Umfang, was eigentlich seit dem Schrems-II-Urteil zum Transfer persönlicher Daten in die USA nicht mehr zulässig sei. Schon jetzt sei es unzulässig, sensible Daten über Schüler auf Endgeräten von Lehrern zu verarbeiten, vielmehr müsse man solche sensiblen Informationen gut gesichert im Schulnetzwerk ablegen. Käme nun ein US-Cloud-Angebot wie Office 365 ins Spiel, würde dies „das Problem verschärfen“.
US-Überwachungsgesetze bedrohen den Datenschutz
Ähnlich äußert sich der Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts, der sich für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik einsetzt. Man sei „klar gegen die Nutzung von Microsoft Office 365-Werkzeugen“ an Schulen und rate auch von speziellen Versionen ab, bei denen die Daten auf Servern in Europa gespeichert werden. Aufgrund von US-Überwachungsgesetzen sei Microsoft verpflichtet, auf Anfrage der US-Behörden auch Daten herauszugeben, die auf Microsoft-Servern im Ausland liegen. So könne kein Datenschutz garantiert werden.
Die Marktstrategie dieses in der Schule beginnenden Lock-in-Effekts, mit dem Ziel einer engen Kundenbindung, impliziert eine Stärkung des Microsoft-Monopols und einer schon jetzt gefährlichen technologischen Abhängigkeit Europas von einem amerikanischen Unternehmen.
Ivo Herrmann, Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts
In einem offenen Brief an die zuständige Ministerin in Baden-Württemberg warnt der Verbandsvorsitzende: „Die Marktstrategie dieses in der Schule beginnenden Lock-in-Effekts, mit dem Ziel einer engen Kundenbindung, impliziert eine Stärkung des Microsoft-Monopols und einer schon jetzt gefährlichen technologischen Abhängigkeit Europas von einem amerikanischen Unternehmen. Mit Linux und Open Source Programmen europäischen Ursprungs kann dieser Abhängigkeit begegnet werden. Ein Umdenken muss früh beginnen, also in der Schule.“
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