Eine Woche nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt haben sich am Montag noch vier Verletzte im Spital befunden. Vor dem Wochenende waren es fünf, inzwischen konnte eine Person entlassen werden. Von den vier stationär behandelten Patienten liegen zwei auf der Intensivstation, wobei ihr Zustand als stabil beschrieben wird. An den Tatorten trauern immer noch zahlreiche Wiener um die Opfer. Europaministerin Karoline Edtstadler forderte bei einem Treffen mit dem französischen EU-Staatssekretär Clement Beaune eine engere europäische Kooperation, um solche Anschläge in Zukunft zu verhindern.
Bei dem Attentat durch einen islamistischen Angreifer am vergangenen Montagabend wurden vier Personen getötet und mehr als 20 Menschen verletzt. Sie sind mit Schuss- und Stichverletzungen in insgesamt sechs Wiener Spitälern versorgt worden.
Am Tatort am Wiener Schwedenplatz zeigen immer noch zahlreiche Wiener ihr Mitgefühl für die Opfer. Einschusslöcher an einer Fassade, das kaputte Fenster eines Lokals, Dutzende Polizeimarkierungen am Boden: Die Spuren der Schreckensnacht im Partyviertel „Bermuda-Dreieck“ sind immer noch deutlich sichtbar. Am augenfälligsten sind allerdings die vielen Kerzen und Blumen, die Menschen als Ausdruck des Gedenkens an die Opfer zu den Orten des Grauens gebracht haben.
Tausende Kerzen am Desider-Friedmann-Platz
Zeugnisse der stillen Anteilnahme finden sich am Montagvormittag an allen Schauplätzen, an denen der Täter am Abend des 2. November um sich geschossen und dabei Personen getötet oder teils schwer verletzt hat. Allein am Desider-Friedmann-Platz - dort, wo auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Regierungsspitze am Tag nach dem Anschlag Kränze niedergelegt haben - stehen Tausende Kerzen. Einzelne brennen, ihre Flammen sind an diesem nebelig-tristen Novembertag auch bei Tageslicht gut zu sehen.
Dazwischen liegen Blumen und teils handgeschriebene Botschaften. „Liebe > Hass“, „Peace is my religion“ oder „Wien steht zusammen“ ist darauf zu lesen. Auch ganze Briefe oder Gedichte haben Trauernde hier hinterlassen. Aus Teelichtern hat jemand den Schriftzug „KABUL WIEN“ gelegt.
Wir sind in Gedanken bei unserer Kollegin und allen Opfern dieses Attentats.
Kollegen eines Opfers
Ein paar Schritte weiter befindet sich jenes Lokal, wo eine junge Kellnerin den Schüssen des IS-Sympathisanten zum Opfer gefallen ist. Auch hier ein Meer aus Kerzen, Blumen, Zeichnungen, Botschaften. „Wir sind in Gedanken bei unserer Kollegin und allen Opfern dieses Attentats“, liest man. Dort, wo zwei Projektile Löcher in die Fensterscheibe geschlagen haben, steckt nun je eine Blume. „Wien lässt keinen Platz für Hass“, lauten die tröstenden Worte auf einem Zettel darunter.
Nicht nur hier, sondern überall dort, wo bei dem Terroranschlag ein Mensch ums Leben gebracht wurde, bleiben Passanten - darunter auch Mitarbeiter von Bau- oder Handwerkerfirmen - stehen, halten inne, machen Handyfotos. Manche bekreuzigen sich. Gesprochen wird kaum oder lediglich gedämpft. Zwischendurch hört man jemanden fragen, was die von der Exekutive auf den Boden gesprayten Rechtecke, Kreise, Buchstaben und Zahlen wohl bedeuten könnten.
Wer einen von uns angreift, der greift uns alle an.
Plakat in der Seitenstettengasse
In der Seitenstettengasse - von hier aus wurden der Polizei am Montagabend um ziemlich genau 20 Uhr die ersten Schüsse gemeldet - reicht der Halbkreis aus Kerzen und Blumen bis zur Straßenmitte. Unweit der Synagoge und der Israelitischen Kultusgemeinde baumeln zwei herzförmige Luftballons an einem Hydranten. „Wer einen von uns angreift, der greift uns alle an“, kündet ein handgeschriebenes Plakat - versehen mit dem Hashtag „schleichdiduoaschloch“.
Trauerwand am Ruprechtsplatz
Am Ruprechtsplatz, wo der Täter von der Polizei schließlich erschossen wurde, befindet sich seit Kurzem eine besondere Trauerwand. Menschen sind eingeladen, ihre Nachricht auf herbstfarbene Baumblätter zu schreiben und sie mittels Klebeband an der Mauer zu befestigen. Dutzende sind der Aufforderung bereits gefolgt. Eine junge Frau überlegt kurz, nimmt dann den dort angebundenen schwarzen Stift und hinterlässt ihre Botschaft. Sie besteht nur aus einem Wort: „Liebe“.
Wir werden uns im Kampf um unsere Werte nicht auseinanderdividieren lassen, die Demokratie wir über die Tyrannei siegen.
Europaministerin Karoline Edtstadler
Edtstadler und Beaune für mehr EU-Kooperation
Während Wien trauert, denkt die Politik über die Folgen des Anschlags nach. Bei einem Besuch des französischen EU-Staatssekretärs Clement Beaune erklärte ÖVP-Europaministerin Karoline Edtstadler am Montag: „Wir werden uns im Kampf um unsere Werte nicht auseinanderdividieren lassen, die Demokratie wir über die Tyrannei siegen.“ Beaune drückte anlässlich des Gedenkens an den blutigen Terroranschlag vor einer Woche in Wien die Solidarität seines Landes aus. Nun gelte es, die Kooperation in Europa zu verbessern, hieß es unisono.
Diese Kooperation müsse die Bereiche Polizei, Geheimdienste, Außengrenzschutz und Justiz umfassen, waren sich Beaune und Edtstadler einig. Um diese künftig auf eine bessere Basis zu stellen, sei im späteren Verlauf des Montags auch EU-Ratspräsident Charles Michel in Wien bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Gast. Zudem gebe es zum Thema „politischer Islam“ und „Kampf gegen islamistischen Terror“ am Dienstag eine Videokonferenz, an der unter anderen Kurz sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel teilnehmen würden.
Wir müssen unser Werte auch vermitteln.
Clement Beaune, Frankreichs EU-Staatssekretär
„Müssen unsere Werte auch vermitteln“
Der französische Staatssekretär erinnerte aber auch daran, dass es sich um einen „Kulturkampf“ handle, der schon in der Familie und in der Schule beginne. „Wir müssen unser Werte auch vermitteln“, stellte Beaune fest. Edtstadler stellte ebenfalls klar: „Es braucht beides“, nämlich die „Vermittlung unserer Werte und deren Verteidigung.“ Schon seit dem Höhepunkt der Migrationswelle im Jahr 2015 sei Österreich aufgrund der hohen Zahl an Aslyanträgen, die in einem großen Maß auch gewährt worden seien, vor Herausforderungen bei der Integration gestellt.
Neben dem Versuch der Einbindung brauche es aber eben den entschiedenen Kampf gegen islamistischen Terror und Radikalisierung, ließ Edtstadler keinen Zweifel daran, dass für sie vor allem ein entschlossenes Vorgehen gegen Islamismus wichtig ist. „Je mehr sie uns spalten wollen“, desto mehr werde man „Schulter an Schulter“ gehen, betonte sie. Das gelte unter anderem auch beim Kampf gegen islamistische Propaganda im digitalen Raum. Es gehe darum, „die europäischen Werte und Rechte frei gestalten zu können, damit wir auf dies Straße gehen können, ohne uns zu fürchten“. Dass Länder wie beispielsweise die Türkei das nicht mitragen würden, mache Europa Sorgen, betonte die ÖVP-Ministerin.
Im Zusammenhang mit dem Anschlag von Wien, bedankte sich Edtstadler bei Beaune explizit für die erwiesene Anteilnahme. Frankreich sei schon öfter von islamistischen Angriffen heimgesucht worden. Umso bedeutsamer sei es, dass ihr französischer Gesprächspartner extra nach Wien gekommen sei.
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