Aserbaidschan vor Sieg
Berg-Karabach: Armenier bangen um ihre „Existenz“
Nach der Eroberung der wichtigen Stadt Schuschi durch aserbaidschanische Truppen fürchtet die Kaukasusregion Berg-Karabach eine Niederlage in dem jahrzehntelangen Territorialstreit zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die Stadt sei nicht mehr unter Kontrolle von Berg-Karabach, teilte der Sprecher des Anführers der Region, Wagram Pogossjan, am Montag mit. Schuschi, wie die Karabach-Armenier die Stadt nennen, liegt nur elf Kilometer von der Hauptstadt Stepanakert entfernt. Sie dürfte das nächste Ziel sein. „Der Feind steht vor Stepanakert, nun ist schon unsere Existenz in Gefahr“, schrieb Pogossjan auf Facebook. Zahlreiche Bewohner der Hauptstadt wurden bereits in Sicherheit gebracht (siehe Video oben).
Schuschi gilt als Schlüsselstadt. Die Behörden in Berg-Karabach hatten selbst mitgeteilt, dass ihr Verlust am Ende auch eine Niederlage im Kampf um die ganze Region bedeuten könne. In Baku hatte Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev verkündet, dass der Sieg in dem Konflikt mit Armenien nah sei. Er teilte am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter mit, weitere 23 Ortschaften unter aserbaidschanische Kontrolle gebracht zu haben.
Erdogan gratuliert zum „Sieg“
„Es lebe die aserbaidschanische Armee! Karabach ist Aserbaidschan!“, schrieb Aliyev auf Twitter bzw. verkündete er in einem Video (siehe unten). Er hatte in Baku am Sonntag die Eroberung Schuschis feiern lassen. „Das ist ein großer Sieg!“, sagte er. „Ich verbeuge mich vor den Seelen der Märtyrer.“ Aliyev sprach davon, dass ein Lebensziel in Erfüllung gehe. „Die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit und die Rückkehr unserer Gebiete war für mich als Präsident die wichtigste Mission.“ Er sei froh, dass dies mit „Würde“ und mit der Unterstützung, der harten Arbeit und dem Mut der Menschen in Aserbaidschan gelungen sei.
Bereits am Wochenende hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Aliyev telefonisch zum „Sieg“ gratuliert. Die „Befreiung von Schuschi“ sei ein Zeichen dafür, dass auch die Befreiung der übrigen besetzten Gebiete bevorstehe, sagte Erdogan, der seinem aserbaidschanischen Amtskollegen im Konflikt militärische Unterstützung zukommen lässt.
Seit Beginn der Offensive am 27. September wurden nach aserbaidschanischen Angaben mehr als 200 Ortschaften erobert. Die Behörden in Berg-Karabach und Armenien bestätigten diese Zahl nicht. Die armenischen Streitkräfte hätten noch am Montag in verschiedenen Richtungen feindliche Angriffe abgewehrt, teilte das Verteidigungsministerium in Eriwan mit. Demnach gab es besonders schwere Kämpfe um Martuni, Martakert, Tagaward und andere Ortschaften. Überall seien die Attacken zurückgeschlagen worden.
Verwendet Aserbaidschan umstrittene Streumunition?
Die Truppen in Berg-Karabach verloren bei den Kämpfen mit Aserbaidschan nach eigener Darstellung erneut Dutzende Soldaten. Die Zahl der Getöteten stieg um 44 auf 1221, wie die Behörden der umkämpften Region am Montag mitteilten. Die Führung in Berg-Karabach warf Aserbaidschan vor, weiter die Hauptstadt Stepanakert massiv unter Beschuss zu nehmen - auch mit verbotener Streumunition. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku wies die Vorwürfe zurück. Baku macht wegen der Zensurbestimmungen während des Kriegszustands keine Angaben zu Verlusten bei den Streitkräften.
Aserbaidschan verlor in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das bergige Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Aserbaidschan beruft sich in dem neuen Krieg auf das Völkerrecht und sucht immer wieder die Unterstützung von seinem „Bruderstaat“ Türkei. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.
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