Die Ankündigung, dass AC/DC mit „Power Up“ ein neues Album veröffentlichen würden, war die Sensation des Herbstes. Doch wie immer war bei den Australiern auch dieses Mal alles von langer Hand geplant. Angus Young und Co. gingen die letzten Jahre durch die Hölle, doch nun stehen die Zeichen wieder auf Aufbruch. Das erklärte uns der sympathische Gitarrist und Schuluniform-Träger im „Krone“-Gespräch.
Es sind beileibe keine einfachen Zeiten, in denen AC/DC mit ihrem neuen Album wieder die Weltherrschaft übernehmen wollen. Rockmusik ist so am Boden wie noch nie zuvor. Nur ein Rockalbum schaffte es 2020 an die Spitze der US-Billboard-Charts und das kam ironischerweise von einem Rapper, der sich am Pop-Punk des Millenniums versuchte: Machine Gun Kelly. Bei den Australiern macht man sich deshalb freilich keine Sorgen. Bandboss und Gitarrist Angus Young sieht der Zukunft der Stromgitarre ähnlich entspannt entgegen wie der Veröffentlichung des überraschenden neuen Studiorundlings „Power Up“: „Selbst als sich die Beatles einst um einen Plattenvertrag bemühten wurde ihnen gesagt, dass die Tage der Gitarrenmusik gezählt seien“, lacht er im Videointerview mit der „Krone“, um einen kurzen Exkurs in die frühen Tage seiner Band zu machen, „was die Leute heute gerne vergessen ist die Tatsache, dass Mainstreammusik schon damals soft war. Wir haben uns auch deshalb gegründet, weil wir aufregender, härter und wilder sein wollten. Rockmusik war nie wirklich weg, aber sie dominierte die Charts auch damals nicht.“
Unbeirrbar am Weg
Mit seiner Band lebte Angus schon immer in einer undurchdringlichen Blase, noch bevor dieser Ausdruck im Internetzeitalter überhaupt etabliert war. Unbeirrbar werkte er mit seinem älteren Bruder Malcolm an der rifflastigen Rhythmusmaschinerie, ohne sich aufhalten zu lassen. Nach Bon Scotts Tod veröffentlichte man mit Brian Johnson am Mikro wenige Monate darauf „Back In Black“, eines der kommerziell erfolgreichsten Alben der gesamten Musikgeschichte. Als die Band in den 80ern an kreativen Schwächephasen litt, passte man sich keinem Trend an, musizierte unaufhaltsam weiter und feierte 1991 mit „Thunderstruck“ ein Jahrhundertcomeback. Als Malcolms Demenz 2014 so weit fortschritt, dass er nicht mehr auftreten konnte wurde er von Neffe Stevie ersetzt, als Brian Johnson 2015 wegen irreparabel scheinender Gehörschäden die Taubheit drohte, blies Angus die Sommertour 2016 nicht etwa ab, sondern engagierte Guns N‘ Roses-Legende Axl Rose und schaffte es sogar den Skandalboy so zu läutern, dass die Gigs auf die Minute pünktlich begannen. Die Youngs stammen aus der schottischen Arbeiterklasse und haben einfach immer weitergemacht. Weitermachen als Credo und wichtigste Prämisse.
„Wir haben früh bemerkt, dass wir keine ,Overnight-Sensation‘ sein würden“, rekapituliert Angus, „wir mussten uns jeden Kontinent, jedes Land und jede Stadt hart erspielen. Aber wir haben das Livespielen geliebt und das Publikum auf unsere Seite gezogen - die Mundpropaganda hat das Übrige für uns gemacht. Wir haben uns überall von ganz unten hochgearbeitet. Wenn uns jemand dafür kritisierte, dass wir offensichtlich immer gleich klingen würden entgegnete Malcolm den Leuten immer mit dem Satz ,Natürlich, das ist ja auch immer dieselbe Band‘“, lacht der Gitarrist laut auf. Auch wenn Angus mit seiner Schuluniform und den exaltierten Soli immer im Mittelpunkt der Band stand, war es Malcolm, der AC/DC ins Leben rief, die besten Songs schrieb und mit seinem unglaublichen Rhythmusgespür die Performances so prägte wie kaum ein zweiter. Angus hat in einem alten Interview gesagt: „Sich oben hinzustellen und ein paar Soli zu spielen ist leicht. Versuch aber als Gitarrist mit vier anderen Musikern komplett im Takt zu bleiben - das ist die wahre Kunst.“ Der Tod von Malcolm vor etwas mehr als drei Jahren ließ Gerüchte aufkommen, dass AC/DC nie mehr ein Album veröffentlichen würde, doch nirgendwo sonst als hier war immer klar: the show must go on.
Großes Zusammenfinden
„Malcolm und ich hatten an die 80 Songs oder Songfragmente aufgenommen, bevor er verstarb. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich nicht nur für mich, sondern immer auch für ihn. Wenn ich Songs schreibe habe ich stets das Gefühl, dass er da ist. Wenn wir im Proberaum sind, dann schaut er uns über die Schulter. Er ist und bleibt immer ein essenzieller Bestandteil von AC/DC. Wo ich bin, ist auch er.“ Ausgerechnet der tragische Tod von Malcolm brachte den zunehmend verfahrenen Bandkarren wieder ins Rollen. Bei seinem Begräbnis in Sydney trafen die in alle Himmelsrichtungen zerstreuten Mitglieder wieder aufeinander. Für Brian Johnson wurde eine Technik gefunden, die ihm nicht nur das Hörvermögen garantierte, sondern auch die Möglichkeit verschaffte, wieder vor Verstärkern zu singen. Der eigentlich in Rente gegangene Bassist Cliff Williams ließ sich von der Gesamteuphorie anstecken und sagte für ein neues Album sofort zu. Stevie Young war sowieso immer auf Abruf und Skandaldrummer Phil Rudd hatte sein mit Drogen- und Alkoholproblemen durchzogenes Leben nach langer Zeit wieder in den Griff bekommen. „Phil hatte wirklich schlimme Phasen, hat diese aber durchgestanden und ist wieder gesund. Er hat sich selbst dazu entschieden, sich mit den richtigen Leuten zu umgeben, nüchtern zu werden und seinen schlimmen Zirkel zu durchbrechen. Wir alle sind aufgeregt und gesund. Wir haben zusammen musiziert und hatten Spaß. Wir fühlten Malcolms Präsenz zu jeder Zeit.“
Wer nun vermuten mag, dass der Albumtitel „Power Up“ als Hoffnungsschimmer oder Trost für die prekären Zeiten dient, der kennt AC/DC schlecht. Die Australier haben sich zwar wieder zusammengefunden, befinden sich aber noch immer in ihrer ganz eigenen Welt, die - wie schon immer - aus Zeitlosigkeit besteht. „Der Titel ist nur eine weitere Form dessen, den Sound von AC/DC zu beschreiben“, erklärt Angus, „wir waren immer eine elektrisch geladene Kraft und diese Kraft haben wir noch immer in uns. Wir gehen ins Studio, stöpseln die Gitarren ein, drehen die Verstärker hoch und rocken. Diese Power war bei uns immer da und nun wollen wir sie wieder teilen.“ Die Überraschungsmomente auf dem bereits im Sommer 2018 und Anfang 2019 in Vancouver aufgenommenen Album halten sich in Grenzen. Die vorab ausgekoppelte Single „Shot In The Dark“, „Demon Fire“, „Kick You When You’re Down“ oder „Money Shot“ sind rockende Riffmassaker in Reinform. Keine überragenden Highlights, keine Filler. Keine Band schafft es so mühelos wie AC/DC, einen stoisch hohen Qualitätslevel zu halten, ohne auch nur in irgendeiner Form dafür experimentieren zu müssen. Wäre nicht Covid-19 samt Lockdown dahergerauscht, hätten AC/DC ihr Album schon zu Beginn des Jahres veröffentlicht. Lockdown ist - in Europa - zwar wieder, aber irgendwann muss es ja raus. „Livekonzerte sind immer noch unsicher, aber noch länger wollten wir nicht darauf sitzen.“
Konzerte in Sicht
Apropos Liveshows - kann man denn mit solchen wieder rechnen, wenn das Virus halbwegs eingedämmt ist? Auch mit Brian Johnson am Mikrofon? „Würde es die Möglichkeit dazu geben, dann könnten wir schon nächste Woche auf die Bühne springen“, lacht der Gitarrist schelmisch, „aber klopfen wir einfach auf Holz, dass es zumindest so schnell wie möglich wieder klappt. Wir haben schon versucht mit Brian eine Live-Atmosphäre nachzuahmen. Die Technik bei seinem Gehörequipment hat den Test bestanden. Es steht einer Tour dahingehend also nichts im Wege.“ Bleibt nur noch eine, wirklich drängende Frage offen - war es tatsächlich nie ein Thema, dass Axl Rose nach einer fabelhaften Tour 2016 auch ein neues AC/DC-Album einsingen würde? „Axl war ein Special Guest in einer wirklich schwierigen Lage. Er hat sich selbst angeboten und wir alle hatten Glück, dass es sich zeitlich ausging, aber mehr war nicht geplant. Nach dem Schock mit Brians Gehör wollten wir die Tour nicht absagen, konnten sie so retten. Es war aber niemals der Plan, dass Axl auf einem Album von uns singen würde.“ Nun denn: Power Up!
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