Skepsis bei Experten
Joe Biden: Keine Zeit für Veränderungen
Wofür steht Joe Biden? Ohne Sozialist zu sein, führte er einen Mitte-links-Wahlkampf gegen einen reaktionären Donald Trump. Nun „erbt“ der Demokrat dessen Probleme. An manchen ist Trump mit schuld, für einige kann er nichts. Die große Veränderung sollte man sich von Biden allerdings auch nicht erhoffen.
Die Infrastruktur in den USA war vor Trump schon marod. Die schönsten Brücken und besten Straßen versprach er 2016. Passiert ist nichts, zu unklar war die Frage: Wer soll das bezahlen? Eine Billion Dollar wollte Trump dafür bereitstellen. Alles heiße Luft. „Der republikanische geführte Kongress hätte die Finanzierung übernehmen sollen, hatte daran aber kein Interesse. Und Trump hat sich eigentlich nie ernsthaft darum bemüht“, sagt Politologe Reinhard Heinisch.
„Strukturelle Probleme nicht durch einen neuen Präsidenten zu ändern“
Joe Bidens Plan ist teurer. Er will sogar zwei Billionen in eine „grüne“ Infrastruktur-Reform pumpen, die Frage der Finanzierung bleibt dieselbe. Dazu kommen Corona, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit, an denen Trump auch keine direkte Schuld trägt. Die Skepsis bei den Experten, ob Biden das schafft, ist groß.
„Das sind strukturelle Probleme, die vor Trump da waren und durch Corona und Trump nur deutlich geworden sind“, sagt der USA-Experte Heinz Gärtner. „Zerbröckelnde Infrastruktur, dysfunktionales Gesundheitssystem, soziale Ungleichheit, sterbende Städte, soziale Verschlechterung und Ende des amerikanischen Traumes sowie Polizeigewalt und Krise des politischen Systems lassen sich nicht einfach durch einen neuen Präsidenten ändern.“
Viele Demokraten erhoffen sich von Biden eine progressive, eine fortschrittliche Politik. Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen nannte beispielsweise Biden seine erste Amtshandlung. Auch die Beziehungen zu den „alten Verbündeten“ wie Europa werden sich wieder verbessern. Anzeichen, wofür Biden steht: Wiederherstellung der Vor-Trump-Weltordnung: „Biden hat eine klassische westliche Wertepolitik und ist ein alter Institutionalist. Also Vertrauen in die Arbeit des Kongresses, der UNO oder der NATO. Bezüglich China ist er ein Falke. Muss er auch, angesichts des Vorwurfs, zu China-freundlich zu sein“, sagt Heinisch.
Seine ambitionierte Agenda im Wahlkampf - grüne Wirtschaftspolitik, Public Health Care, Steuerverschärfung für die Reichen - sind pragmatischer Natur. „Er sieht die Notwendigkeit einer Veränderung“, schrieb die „Washington Post“. Ob er sie - noch dazu gegen einen republikanischen Senat und einen republikanischen Obersten Gerichtshof - durchführt oder durchführen kann, bleibt abzuwarten. Skepsis ist da.
Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung
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