Intensivmediziner und Pflegekräfte zeigen sich sehr besorgt darüber, dass auch zehn Tage nach Inkrafttreten des Teil-Lockdowns keine Trendwende bei den stetig steigenden Infektionszahlen in Sicht ist. Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) warnte, dass der Trend auch bei Hospitalisierungen und insbesondere der Zahl der intensivpflichtigen Patienten nach wie vor steil nach oben gehe. Mit Videobotschaften von Intensivmedizinern will man die Bevölkerung nun davon überzeugen, sich an die notwendigen Maßnahmen zu halten. Die Lage habe sich „maximal zugespitzt“, sagt etwa Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker aus Innsbruck.
In den vergangenen zwei Wochen hat sich die Zahl der stationären Patientinnen und Patienten von 1867 auf 3811 mehr als verdoppelt, die Zahl der an Covid-19 Erkrankten, die ein Intensivbett benötigten, stieg von 265 auf 546. Die ÖGARI hat deshalb die Aktion „Stimmen aus der Intensivmedizin und -pflege zur Pandemie“ gestartet. In ihrem Blog und auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht sie Videobotschaften aus Intensivstationen in ganz Österreich.
ÖGARI-Präsident Klaus Markstaller warnte am Freitag, dass ohne Trendwende die bestmögliche intensivmedizinische Versorgung in Gefahr ist. „Wir appellieren dringend an die Bevölkerung, die Eindämmung der Pandemie auch durch ihr Verhalten konsequent zu unterstützen. Bei allen regionalen Unterschieden und im Bewusstsein der Tatsache, dass in manchen Bundesländern die Situation bereits deutlich angespannter ist als in anderen, herrscht in ganz Österreich an den Intensivstationen große Sorge, zunehmend an die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu geraten“, sagte Markstaller.
„PatientInnen sterben lassen, die nicht sterben müssten“
Die Innsbrucker Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker, ihres Zeichens auch Leiterin der Arbeitsgruppe Ethik der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, betonte in ihrer Videobotschaft, dass sich die Lage „maximal zugespitzt“ habe. Man stehe mit den Patientenzahlen auf Intensivstationen derzeit schon höher als im März. Verschlimmere sich die Situation weiter, könnte die Qualität der Betreuung sinken. Das Schlimmste aber sei, dass, wenn sich die Bevölkerung nicht an die Maßnahmen halten und man die Trendwende nicht schaffe, dann könne es dazu kommen, dass man „einige PatientInnen sterben lassen muss, die unter Umständen nicht sterben würden, wenn sie eine ausreichende Versorgung hätten“.
Weitere dringende Appelle aus österreichischen Intensivstationen:
Bestmögliche Versorgung für alle in Gefahr
„Die Konsequenzen dieser Entwicklung können jeden und jede treffen, möglicherweise ist das nicht allen ausreichend bewusst. Denn wenn wir an überforderten Intensivstationen nicht mehr in der Lage sind, die gewohnte medizinische und pflegerische Qualität aufrechtzuerhalten, dann hat das gefährliche Folgen für schwer kranke Covid-19-Patienten und deren Überlebenschancen, aber auch für schwer verletzte Unfallopfer, Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten oder onkologische sowie Transplantationspatienten nach großen Operationen“, betonte auch Markstaller.
Verlierer der Lage sind laut ÖGARI auch Menschen, die dringend auf elektive Eingriffe wie Hüft- oder Knieersatzoperationen warten, die verschoben werden müssen.
„Es geht jetzt um nicht mehr und nicht weniger, als die Intensivversorgung für alle bestmöglich aufrechtzuerhalten“, betonte der Mediziner. Er bekräftigte, dass die hochspezialisierte Intensivversorgung nicht beliebig erweiterbar ist. Die ÖGARI plädierte für die konsequente Einhaltung der sogenannten AHML-Regel - Abstand halten, Händehygiene, Mund-Nasen-Schutz und regelmäßiges Lüften.
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