Keine Entspannung in den Spitälern, seit acht Monaten arbeitet das Gesundheitspersonal an seinen Grenzen. „Zahnlos“ sei der Lockdown light bisher, so die Meinung - es brauche dringend schärfere Maßnahmen.
„Wir zählen auf Sie. Wir brauchen die Hilfe jedes Einzelnen, um die Pandemie in den Griff zu kriegen!“ Per Video wenden sich Intensivmediziner wie der Grazer Anästhesist Philipp Metnitz an die Österreicher. Eine Reduktion von Kontakten, Abstand halten, Händehygiene, Mund-Nasen-Schutz und regelmäßiges Lüften sei der einzige Weg, um die Verbreitung des Virus einzudämmen und Krankenhäuser zu entlasten.
Video: Spitäler im ganzen Land stoßen an ihre Grenzen
Intensivmediziner: „Noch keine Trendwende in Sicht“
Und ein schärferer Lockdown, so die Intensivmediziner. Denn: Auch zehn Tage nach Inkrafttreten des aktuellen Maßnahmenpakets sei noch keine Trendwende bei den stetig ansteigenden Infektionszahlen in Sicht. Mit einer Rückkehr zur Normalität noch heuer rechnen viele nicht: Bis Ende des Sommers 2021 müsse man sich mit solchen Methoden „durchkämpfen“, sagt etwa der Wiener Virologe Norbert Nowotny. Erst dann könne man die Covid-19-Pandemie mit einem Impfstoff und einer guten Durchimpfungsrate in den Griff bekommen.
„Wir müssen es einfach schaffen“
Mehr als 3900 Covid-Erkrankte sind im Spital, mehr als 500 auf Intensivstationen. In immer mehr Bundesländern werden nicht notwendige Eingriffe verschoben. „Die Frage ist nicht, ob wir es schaffen. Wir müssen es einfach schaffen. Die Frage ist nur: Mit welchen Kollateralschäden?“, sagt Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Verbandes der Gesundheits- und Pflegeberufe. Eine Situation wie im Frühjahr, als aufgrund von Überlastung, aber auch Sorge der Patienten weniger Herzinfarkte festgestellt oder Brustkrebsuntersuchungen gemacht wurden, müsse man vermeiden.
Dafür, dass 8000 Menschen bei einer Geschäftseröffnung sind, haben Pflegende, die zwölf Stunden in Schutzkleidung am Krankenbett arbeiten, kein Verständnis. Es macht sich Unmut breit über den laschen Umgang mit Masken und Abstand.
Elisabeth Potzmann, Verband der Gesundheits- und Pflegeberufe
60-Stunden-Woche stehen an der Tagesordnung
Ein großes Problem sei die Übermüdung, so Josef Zellhofer vom Verband der Gesundheits- und Sozialberufe. Seit März kämen die Mitarbeiter nicht zur Ruhe, 60-Stunden-Wochen sind an der Tagesordnung bei Pflegern und Ärzten. „Als die Covid-Kurve im Sommer abgeflacht ist, wurden verschobene Operationen nachgeholt“, sagt Zellhofer.
Intensivstationen sind eine andere Welt. Da geht es um Tod, die Arbeit dort macht etwas mit einem Menschen. Das muss man erst verarbeiten. Alleine deshalb halte ich es für schwierig, Pflegepersonal aus Normal- in Intensivstationen zu stecken.
Josef Zellhofer, ÖGB, Gesundheits- und Sozialberufe
„Umschichtung nur schwer möglich“
Auch Umschichtungen aus den Normal- hin zu Intensivstationen seien nur schwer möglich. Zellhofer verweist auf mehrere Monate, die für eine Umschulung nötig sind, und den größeren Aufwand bei Corona-Patienten: „Um einen normalen Intensivpatienten zu lagern, braucht man zwei Pflegekräfte. Bei einem Covid-Patienten sind es drei bis vier.“ Beim Lagern müsse darauf geachtet werden, dass rund 20 verschiedene Schläuche nicht abgeknickt werden.
Kronen Zeitung
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