Städtereisen

„Keiner hat nach der Krise mehr Urlaub und Geld“

Tirol
14.11.2020 15:00

Die Corona-Pandemie hat den Tourismus in die Krise gestürzt. Vor allem die Städte leiden unter massiven Einbrüchen. Wie geht es weiter? Der Innsbrucker Tourismus-Obmann Karl Gostner über neue Formen des Reisens, über besondere Hürden für den jahrelang boomenden Städtetourismus und über ein „verlorenes Jahr“.

Das Tourismusjahr wurde mit Ende Oktober beendet. Es war ein Jahr der Extreme. Wie hat sich das Reiseverhalten in den Städten 2020 verändert?
Der Städtetourismus fiel als erster von vielen Dominosteinen und die Städte gehören zu den großen Verlierern dieser Krise. Die treibenden Kräfte des Städtetourismus – Messen, Kongresse sowie Veranstaltungen im Sport- und Kulturbereich – gingen verloren. Auch der Überseetourismus kam zum Erliegen. Im Buchungsverhalten zeichneten sich im „Corona-Sommer“ klar eine Neuorientierung und veränderte Ansprüche an das Urlaubserlebnis ab. Es entwickelte sich eine neue Sehnsucht nach Natur. Dieses Bedürfnis der Reisenden kann Innsbruck dank der unmittelbaren Nähe zur umliegenden Bergwelt zum Glück auch befriedigen.

Steht der Städtetourismus also vor tiefgreifenden Veränderungen?
Insbesondere im Bereich des Geschäftstourismus ist es abgesehen von den fehlenden Messen und Kongressen zu einer Neuorganisation gekommen. Viele Meetings, Fortbildungen und Besprechungen finden nun verstärkt online statt. Zwar wird es auch zukünftig Face-to-Face-Meetings geben, es ist aber mit einer Reduktion an Geschäftsreisen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten zu rechnen. Generell werden die Auswirkungen der Corona-Krise noch länger zu spüren sein - insbesondere auf dem Überseemarkt. Hier hängt einfach viel vom Flugangebot und von politischen Entscheidungen zur Reisefreiheit ab.

Der Innsbrucker Tourismus-Obmann Karl Gostner (Bild: Julia Tuertscher)
Der Innsbrucker Tourismus-Obmann Karl Gostner

Innsbruck stand in den vergangenen Jahren hoch im Kurs. Welche Bilanz kann 2020 gezogen werden?
Die Wintersaison bis zum Lockdown im März lief zu unserer vollsten Zufriedenheit, lag mit 5,5 Prozent im Plus. Auch der Sommer war in der Region sowie in der Stadt selbst besser als befürchtet. Insbesondere aus den Nahmärkten konnten wir im Vergleich zufriedenstellende Zahlen verzeichnen und die Aufenthaltsdauer ist gestiegen, in der Stadt im Sommer sogar um knapp 22 Prozent. Aus der Schweiz und Deutschland konnten im gesamten Verbandsgebiet kurzfristig sogar mehr Gäste als im Vorjahr gezählt werden. Ab September war aber leider wieder ein drastischer Rückgang zu verzeichnen, der auf fehlende Veranstaltungen, internationale Gruppen oder Busreisen zurückzuführen ist. Im gesamten Tourismusjahr steht ein kräftiges Minus. Aktuell stehen wir von November 2019 bis September 2020 bei 1,4 Millionen Übernachtungen in der Stadtregion Innsbruck. Das entspricht einem Minus von 40 Prozent oder fast einer Million Nächtigungen weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Oktober und November sind aufgrund von Reisewarnungen und Lockdown wieder komplett eingebrochen.

Wann geht es mit den Städtereisen wieder los?
Hier einen genauen Zeitpunkt festzulegen, ist sehr schwierig. Wir gehen davon aus, dass sich die Städte langsamer erholen werden als die klassischen Urlaubsdestinationen.

Rechnen Sie mit einem „Nachholeffekt“ in Sachen Städtereisen?
Daran glaube ich nicht. Ein verlorenes Jahr ist ein verlorenes Jahr. Die Menschen werden in Zukunft weder mehr Urlaub noch mehr Geld haben.

Aber die Bedeutung des heimischen Gastes dürfte wohl steigen?
Der Anteil der österreichischen Übernachtungen liegt bei rund 20 Prozent, vor allem wegen des Geschäftstourismus. Es wäre utopisch zu denken, dass der Inlandsgast auch nur annähernd die fehlenden internationalen Gäste abfedern könnte.

Welche Gäste werden dann für Innsbruck wichtiger?
Wir werden unseren Fokus auf die Nahmärkte legen, da ist der Inlandstourismus mit eingeschlossen. Mit Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien sowie den Niederlanden, Frankreich, Polen und Tschechien haben wir starke und wichtige Zielmärkte. Prinzipiell kann man sagen, dass der europäische Binnenmarkt groß genug wäre, um mittelfristig ein Überleben der Branche zu sichern. Um aber auf dem gleichen Niveau wie vor Corona weiterfahren zu können, braucht es langfristig sicher auch wieder Überseegäste. Darum behalten wir auch Großbritannien, die USA und China am Schirm.

Was könnte zum erfolgreichen Wiederaufbau des Städtetourismus beitragen?
Der Städtetourismus allgemein ist stark von den internationalen Flugverbindungen abhängig. Paris, London und andere beliebte städtische Reiseziele werden es ohne Überseetouristen schwer haben. Wir hoffen, dass gerade Innsbruck sich aufgrund seiner perfekten Kombination aus Stadt und Natur sowie der guten Erreichbarkeit aus ganz Europa schneller erholen wird können. Darüber hinaus haben wir mit unserer Universität und unseren Kongress- und Veranstaltungszentren große Zugpferde. Es planen auch schon wieder große Kongresse für 2021, ihre Veranstaltungen in Innsbruck abzuhalten.

Wie können Sie sich eine gemeinsame und länderübergreifende Offensive für die Branche vorstellen?
Ein engeres Zusammenrücken der österreichischen Städte und Tourismusvertreter schadet gewiss nicht. Für die Bewerbung in Übersee wäre es möglicherweise eine Überlegung wert, mit großen Städten wie Prag, Mailand oder etwa Venedig zusammenzuarbeiten.

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