Infektion wäre tödlich

„Mein Leben – in totaler Isolation“

Österreich
15.11.2020 06:00

Etwa 10.000 Österreicher sind Transplantationspatienten. Sie alle gehören zur Corona-Hochrisikogruppe. In der „Krone“ spricht nun ein junger Mann, der mit neun Jahren eine neue Lunge und ein Herz bekam.

Siegfried Meschnig ist ein gut aussehender Mann mit drahtiger Figur und freundlichen braunen Augen. „Ich hatte es nicht immer einfach im Leben“, sagt der 30-Jährige, „aber ich wollte mich nie von meinem Schicksal unterkriegen lassen.“

„Es begann damit, dass ich kurzatmig war“
Sein Schicksal ... Mit acht begann der Oberösterreicher, er stammt aus Ried im Innkreis, an gesundheitlichen Problemen zu leiden: „Alles fing damit an, dass ich plötzlich beim Fußballspielen schon nach kurzen Sprints kurzatmig war. Und bald konnte ich nicht einmal mehr ein paar Treppen hinaufsteigen, ohne Pausen einzulegen.“

Monatelang fanden die Ärzte, die seine Mutter in der Folge mit ihm konsultierte, nicht die Ursache für seine Beschwerden, „schließlich bin ich, da war ich gerade neun, im Turnunterricht ohnmächtig geworden“. Siegfried Meschnig wurde daraufhin zu Untersuchungen in ein Linzer Spital gebracht.

Dort dann - es war der 17. Jänner 1999 - die niederschmetternde Diagnose: Seine Lunge und das Herz arbeiteten kaum noch, eine Transplantation der Organe, so seine behandelnden Mediziner, wäre dringend notwendig; andernfalls würde der Bub sterben.

Es gab damals weltweit nur zwei Kliniken, in denen der komplizierte Eingriff durchgeführt werden konnte. Eine in den USA, eine in Deutschland: „Am 24. Jänner wurde ich in München operiert.“ Es folgten viele Wochen im Krankenhaus - und danach der langsame Start zurück in die Normalität. In eine neue Normalität.

Siegfried Meschnig im Jänner 1999, nach seiner schweren Operation in einer Münchner Klinik (Bild: zVg)
Siegfried Meschnig im Jänner 1999, nach seiner schweren Operation in einer Münchner Klinik

„Ich musste mich daran gewöhnen, unzählige Medikamente einzunehmen, anfangs waren es 30 verschiedene täglich. Ich musste achtsam sein, im Kontakt mit Klassenkameraden, Lehrern, Freunden - damit ich von ihnen nicht mit irgendeiner Krankheit angesteckt werde. Und klar, ich musste vorerst fast immer eine Maske tragen.“

Einschränkungen, Vorsichtsmaßnahmen, mit welchen sich der Oberösterreicher, wie er erzählt, „eigentlich recht schnell abgefunden“ habe, trotz dadurch ausgelöster Missverständnisse und Ressentiments gegen ihn: „Manche Gleichaltrige betrachteten mich wie einen Alien, nicht selten fühlte ich mich deshalb als Außenseiter.“

„Eine Infektion wäre für mich tödlich“
Siegfried Meschnig überwand auch diese Hürden; er lernte brav, machte seinen Schulabschluss und danach eine Ausbildung zum technischen Zeichner. Er begann sogar, intensiv Sport zu betreiben - „Hochsprung, Badminton, Tischtennis“. Und beherrschte diese Disziplinen letztlich so perfekt, dass er in den vergangenen Jahren an Welt- und Europameisterschaften für Transplantierte teilnahm - und dabei sogar einige Medaillen gewann. „Dass ich jetzt nicht mein Hobby ausüben kann, tut mir weh. Das Training bedeutet mir nämlich ziemlich viel.“

Das große Hobby des jungen Mannes ist Sport. Er hat bereits Medaillen gewonnen. (Bild: zVg)
Das große Hobby des jungen Mannes ist Sport. Er hat bereits Medaillen gewonnen.

Die Pandemie bringt dem jungen Mann allerdings auch noch unzählige weitere Erschwerungen, mehr als den meisten anderen Menschen. Weil er zur Hochrisikogruppe gehört. „Eine Infektion mit Covid würde für mich wahrscheinlich den Tod bedeuten“, weiß er, „und darum muss ich mich besonders vor einer Ansteckung schützen.“

Was für ihn bedeutet: „Seit dem großen Ausbruch von Corona, seit dem 10. März, habe ich kaum noch meine Wohnung verlassen.“ In den warmen Sommermonaten habe er mitunter - mit Distanz - Verwandte und Bekannte im Freien getroffen; selten unternehme er kleine Spaziergänge.

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Seit dem Ausbruch von Corona habe ich kaum noch meine Wohnung verlassen. Manchmal fühle ich mich sehr einsam.

Siegfried Meschnig über sein Dasein

Seine Arbeit erledigt er im Home-Office. „Der persönliche Kontakt zu meinen Kollegen geht mir mittlerweile sehr ab, genauso wie der zu meinen Freunden. Ich versuche halt nun, telefonisch und per Videogesprächen mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Und ja“, sagt der Oberösterreicher auch, „ich fühle mich zunehmend einsamer.“ Seine geliebte Mutter, er sieht sie bloß selten, „und wenn doch, dann mit enormem Abstand. Sodass wir einander beim Reden kaum verstehen.“

Siegfried Meschnigs große Stütze: „Meine Partnerin. Wir leben zusammen. Sie muntert mich auf, wenn ich einmal einen schlechten Tag habe.“ Doch selbst der Umgang mit ihr sei „freilich unentspannter“ geworden, in dieser „entsetzlichen Ausnahmezeit“.

„Meine Freundin ist Lehrerin an einer NMS, und obwohl sie bei der Arbeit ständig einen Mund-Nasen-Schutz trägt und auch sonst alle ihr möglichen Sicherheitsvorkehrungen - beruflich und privat - einhält, sind wir daheim extrem achtsam.“ Die Hoffnung des 30-Jährigen: „Dass tatsächlich 2021 eine Impfung gegen das Virus auf den Markt kommt. Und dass in der Folge die schreckliche Ungewissheit darüber, wie lange uns die Pandemie begleiten wird, endlich verschwindet.“

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Von klein auf trage ich Masken, ich kann nie völlig unbeschwert sein. Und trotzdem bin ich ein positiver Mensch.

Der 30-Jährige über seine Normalität

Überhaupt kein Verständnis hat der Oberösterreicher naturgemäß für Covid-Verleugner, „die ja meinen, die Berichterstattung darüber wäre reine Panikmache - und die durch ihr verantwortungsloses Agieren Menschenleben gefährden“.

Unbegreiflich außerdem für den in so immensem Maß von der Corona-Krise Betroffenen: „Die Jammerei Gesunder über den Lockdown und die damit verbundenen Auflagen. Ich muss von meiner Kindheit an phasenweise, also immer wieder, Masken tragen und konnte seit meiner Operation nie ein völlig unbeschwertes Dasein führen. Und ich bin trotzdem positiv geblieben ...“

Daten und Fakten
Jährlich bekommen hierzulande rund 800 Menschen Organe eingesetzt, weil ihre eigenen nicht mehr funktionieren. Die Spender sind meist Menschen, die schwere Unfälle, Schlaganfälle, Gehirnblutungen und Ähnliches erlitten haben - und als unrettbar gelten. Oft stellen aber auch Verwandte und „Freiwillige“ zum Beispiel eine ihrer Nieren oder Teile der Leber zur Verfügung, damit andere Menschen überleben können.

„Für Empfänger ist es mitunter psychisch nicht einfach, mit dem Wissen zu leben, ein fremdes Organ in sich zu haben. Vor allem, wenn klar ist, dass es - wie im Fall von einem Herzen - natürlich nur von einem Verstorbenen stammen kann“, sagt Hubert Kehrer, Gründer des „Transplantforums Oberösterreich“, das in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Transplantierte, auf ein Organ Wartende und Dialysepatienten unterstützt.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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