Drohungen wahr gemacht
EU-Finanzpaket: Ungarn und Polen legten Veto ein
Ungarn und Polen haben ihre Drohungen wahr gemacht und ihr Veto gegen den EU-Finanzrahmen bis 2027 und das damit zusammenhängende Corona-Wiederaufbaupaket eingelegt. Die amtierende deutsche EU-Ratspräsidentschaft teilte am Montag mit, die EU-Botschafter beider Länder hätten einen Beschluss blockiert. Für die Verabschiedung der Finanzplanung ist ein einstimmiges Votum der 27 EU-Staaten erforderlich.
Polen und Ungarn wehren sich dagegen, dass die Auszahlung von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft werden soll. In beiden Ländern gibt es Kritik am Umgang der Regierungen mit der Justiz, den Medien und teils auch der Wissenschaft. Für den Beschluss des sogenannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ist jedoch nur die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der EU-Länder notwendig. Diese wurde laut einem Tweet der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am Montag erreicht.
Für die Verabschiedung der Finanzplanung ist hingegen ein einstimmiges Votum der 27 EU-Staaten erforderlich, was die Möglichkeit der Blockade eröffnete. Deutschland soll als amtierende Ratspräsidentschaft nun möglichst schnell einen Kompromiss ausloten, hieß es aus Ratskreisen. In Berlin sprach Regierungssprecher Steffen Seibert von „extrem anspruchsvollen Verhandlungen“. Es gebe eine große Verantwortung, dass die Mittel, auf die ganze Länder warteten, die Menschen und Staaten rechtzeitig erreichten. Die deutschen Grünen forderten, dass sich Kanzlerin Angela Merkel stärker einbringen müsse. „Falsche Kompromisse sind jetzt fehl am Platz. Jetzt droht sich zu rächen, dass die Kanzlerin sich bisher wenig in die Verhandlungen eingeschaltet hat“, sagte der Grünen-Politiker Rasmus Andresen.
Die EU hatte sich im Sommer auf das historische Finanzpaket geeinigt - 750 Milliarden Euro für den Corona-Aufbaufonds und noch einmal knapp 1,1 Billionen für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Seitdem wird um die Details gerungen. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte Reuters, eine Blockade würde die EU in eine Krise stürzen. Vor allem beim Corona-Aufbaufonds drängt die Zeit. Kann das Finanzpaket nicht auf den Weg gebracht werden, wird der EU ab dem kommenden Jahr nur noch ein Nothaushalt zur Verfügung stehen. Zudem könnten die Corona-Hilfen nicht fließen.
SPÖ: „Sie stürzen die EU auch noch in eine politische Krise“
SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder übte heftige Kritik an den beiden Blockierern: „Sie stürzen die EU am Höhepunkt einer nie da gewesenen Gesundheits- und Wirtschaftskrise auch noch in eine politische Krise.“ Es würde „die Zukunft von Millionen Bürgern“ gefährdet. Die EU sei nicht „der Bankomat, um autoritäre Machtfantasien zu finanzieren“, wetterte Schieder.
ÖVP: „Das Veto ist unverantwortlich“
ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig schlug in dieselbe Kerbe: „Das Veto aus Ungarn und Polen ist unverantwortlich.“ Die Rechtsstaatlichkeit sei „eine wesentliche Grundlage der Europäischen Union und nicht verhandelbar. Wer die europäischen Grundwerte einhält, braucht nichts zu befürchten“.
NEOS: „EU darf sich nicht in Geiselhaft nehmen lassen“
Für die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon ist die Entscheidung Ungarns und Polens eine beispiellose Verantwortungslosigkeit: „Die Entscheidung der beiden Länder, mit ihrem Veto das EU-Budget zu blockieren, ist völlig inakzeptabel. Der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, der letzte Woche finalisiert worden ist, und damit der Schutz der europäischen Grundwerte, ist und bleibt nicht verhandelbar.“ Auch das Veto der beiden Länder werde daran nichts ändern. „Die EU darf sich von Ungarn und Polen nicht in Geiselhaft nehmen lassen“, forderte Gamon.
Grüne: „Orban setzt sich über EU-Entscheidungswege hingweg“
Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, hatte sich bereits im Vorfeld empört über ein drohendes Veto Ungarns gezeigt: „Viktor Orban setzt sich mit seinem angekündigten Veto über die Entscheidungswege in der EU hinweg.“ Den Ratsbeschluss habe Orban im Juli mitgetragen.
Hahn appelliert an EU-Staaten in „schwerster Krise seit 2. Weltkrieg“
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn mahnte die Mitgliedsstaaten zur Verantwortlichkeit. Der Österreicher zeigte sich in einem Tweet „enttäuscht“, dass es unter den EU-Botschaftern noch keine Einigung auf das Paket gegeben habe. „Ich bitte die Mitgliedsstaaten dringend, politische Verantwortung zu übernehmen und die nötigen Schritte zu setzen, um das ganze Paket abzuschließen. Hier geht es nicht um Ideologien, sondern um Hilfe für unsere Bürger in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg!“, appellierte Hahn.
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