Es muss nicht immer Kfz-Mechaniker oder Friseurin sein! Unter den rund 200 Lehrberufen gibt es durchaus erstaunliche Berufsfelder, die fast exotisch oder zumindest aus vergangenen Zeiten anmuten. Genau das könnte aber eine berufliche Initialzündung sein. In Schlitters beispielsweise wird ein Lehrling für Orgelbau gesucht.
Seit Jahrzehnten sieht die Wirtschaft den Fachkräftemangel voraus und die Befürchtungen sind auch eingetreten. Die mittlerweile heiß begehrten Facharbeiter waren nämlich einmal Lehrlinge, in Deutschland wenig schmeichelhaft „Azubis“ (Auszubildende) genannt. In Kenntnis des Problems strengen sich Wirtschaft und Politik schon längst gehörig an, die Lehre zu attraktivieren und dies auch zu kommunizieren. Erst kürzlich zeichnete das Land Tirol 41 Lehrbetriebe aus.
Gesellschaftliches Ansehen der Lehre hat Luft nach oben
Die Botschaft, dass eine Lehre so toll ist, ist aber noch nicht im gewünschten Maße angekommen, das bestätigt auch Helmut Wittmer von der WK Tirol. Man weiß nicht genau warum. Ist es eine Frage der sozialen Stellung oder gar eine Frage der unzureichenden Berufsinformation im Vorfeld? Über die Klassiker Einzelhandel, Kfz-Mechaniker oder Friseurin hinaus gibt es nämlich unter den rund 200 Lehrberufen ein Kaleidoskop an Möglichkeiten zu entdecken. Die „Exoten“ der Lehrberufe können berufliche Träume wahr machen – aber man muss sie kennen!
„Versuche, Begeisterung stets zu übermitteln“
Und es muss jemanden geben, der den Beruf auch lehrt, also einen Lehrbetrieb. Ein Klavierbauer beispielsweise findet in ganz Westösterreich keinen Ausbildungsbetrieb. Ein Orgelbauer hingegen hat Glück: In Schlitters vermittelt Christian Erler in seinem Unternehmen Orgelbau Erler seit 1987 das Know-How, die „Königin der Instrumente“ herzustellen und sie zu restaurieren. „Es ist eine unglaublich abwechslungsreiche und erfüllende Aufgabe“, schwärmt der 62-Jährige, „ich würde sogar von einem kulturellen Auftrag sprechen, die alten Orgeln vor dem Zerfall zu retten.“ Restaurierungen machen nämlich den Löwenanteil des Auftragsvolumens aus. Er versuche, die Begeisterung an seine Lehrlinge weiterzugeben. Acht jungen Menschen gab der Zillertaler schon die Möglichkeit, das diffizile Handwerk in dreieinhalb Jahren Ausbildungszeit zu erlernen. Der aktuell in Ausbildung stehende Peter Schütz drückt zurzeit die Schulbank der Berufsschule in Wien. Zum letzten Mal, denn dieser ist auf der Zielgeraden, sprich im letzten Halbjahr. Erler: „Das bedeutet, dass der Ausbildungsplatz frei wird. Ich suche somit einen neuen Lehrling.“
Ein Orgelbauer muss einige Talente haben
Doch welche Voraussetzungen muss dieser mitbringen? Die Schlitterer Manufaktur ist einer der wenigen Betriebe, der Orgeln vom Holzbrett bis zum ersten Ton in seiner 600 m2 großen Produktionshalle in autarker Eigenregie herstellt. Das Arbeiten mit Holz, Leder und Metall garantiert Vielfältigkeit. „Deshalb sollen die Mitarbeiter handwerklich und mechanisch talentiert sein“, präzisiert der Firmenchef, „musikalische Ambitionen sind nicht Voraussetzung, aber von Vorteil.“ Die Orgeln müssen nämlich auch gestimmt werden - hauptsächlich mit dem Gehör. Und: Die Liebe zur Genauigkeit muss ausgeprägt sein, denn manchmal arbeite man laut Erler im Bereich von Hundertstelmillimeter.
Lebenswerk lebt weiter
Aber Außergewöhnliche Berufe können außergewöhnlichen Spaß machen. Zum Beispiel auch das aktuelle Projekt, an dem die Erlers arbeiten: Eine Regions-Übungsorgel für eine Kirche in der Steiermark. Der 62-Jährige ist glücklich, dass sein Lebenswerk weiterlebt: „Mein Sohn Pius übernimmt das Unternehmen.“ Er übernimmt auch volle Auftragsbücher, denn „Erler“ ist bereits eine Marke. Die Restaurierung der Orgel in der wunderbaren Dormitzer Kirche in Nassereith könne frühestens im nächsten Herbst begonnen werden - vielleicht schon mit dem neuen Lehrling.
Die „exotischen“ 10:
Handschuhmacher
Klavierbauer
Miedererzeuger
Kerammaler
Oberteilherrichter
Obst- und Gemüsekonservierer
Schädlingsbekämpfer
Stempelerzeuger und Flexograph
Waagenhersteller
Binnenschifffahrt
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