Mit dem verschärften Lockdown stellen Schulen ihren Betrieb auf Distance Learning um. Ausnahme sind die 287 Sonderschulen, an denen wie bisher Präsenzunterricht stattfindet. Sonderpädagogen beklagen in diesem Zusammenhang eine Diskriminierung von Lehrern und Schülern. Das Bildungsministerium gehe in seinen Regelungen nicht auf die speziellen Bedürfnisse der Sonderschulen ein, kritisiert der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG). „Das ist in Wirklichkeit inakzeptabel.“
An den Sonderschulen seien Schüler mit schwererer Behinderung vielfach nicht in der Lage, Masken zu tragen oder Abstandsregeln einzuhalten. Trotzdem gebe es für diese im Gegensatz zu allen anderen Schulformen undifferenziert die Vorgabe, weiter Präsenzunterricht abzuhalten. „Unser Lehrpersonal ist damit einer extremen Infektionsgefahr ausgesetzt - vor allem, weil in all diesen Wochen, in denen Zeit dafür gewesen wäre, keine Schutzmaßnahmen getroffen worden sind “, kritisierte Elisabeth Tuma, Vorsitzende des Dienststellenausschusses für allgemeine Sonderpädagogen in Wien, am Dienstag.
Direktoren sollen selbst entscheiden dürfen
Auch für jene Sonderschüler, die lediglich Lernbehinderungen hätten oder nur in wenigen Bereichen Unterstützung bräuchten, sei die Regelung diskriminierend. Immerhin hätten gerade die älteren Schüler unter ihnen während des ersten Lockdown ebenso erfolgreich Distance Learning praktiziert wie ihre Alterskollegen in den Regelschulen. Tuma fordert deshalb, dass Direktoren der Sonderschulen selbst darüber entscheiden sollen, welchen Schülern eine Umstellung auf Fernunterricht zuzutrauen ist und welche Betreuung vor Ort brauchen. In Wien sei der Anteil an Kindern, die trotz Lockdown vor Ort unterrichtet wurden, schon im Frühjahr mit zwölf Prozent um ein Vielfaches höher gewesen als in den Regelschulen mit einem Prozent. „Schon damals haben wir sehr verantwortungsbewusst gehandelt und die Kinder nicht einfach nach Hause geschickt“, betont Tuma das Engagement der Sonderschullehrer.
Auch Lehrervertreter Kimberger, selbst gelernter Sonderpädagoge, fordert Fernunterricht als Option für bestimmte Schülergruppen an den Sonderschulen. Hier seien die einzelnen Standorte die Experten, die entscheiden sollten, wer auch im Distance Learning zurechtkommt. Gleichzeitig brauche es endlich Vorkehrungen, um die Gesundheit der Sonderschullehrer zu schützen. Die von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) versprochenen FFP2-Masken seien an vielen Schulen noch immer nicht eingetroffen. Angeblich würden diese Mitte bis Ende der Woche erwartet, so Kimberger. Er frage sich auch, wieso an den Sonderschulen nicht schon Schnelltests eingesetzt werden.
Lehrervertreter fordert Sicherheitskonzept für Sonderschulen
Vom Bildungsministerium fordert Kimberger außerdem klare Richtlinien und ein Sicherheitskonzept für die Sonderschulen. So ist etwa aus seiner Sicht nicht eindeutig, wie mit Integrationsklassen umgegangen werden soll. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich 29.000 Schüler, denen wegen körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) attestiert wird (Stand Schuljahr 2018/19). Nur etwas mehr als ein Drittel davon geht allerdings in eine Sonderschule. Die übrigen 18.400 Schüler mit SPF besuchen gemeinsam mit Schülern ohne Behinderung eine Integrationsklasse an Volks-, Mittel- oder Polytechischen Schulen.
Aus Sicht des Bildungsministeriums ist die Sache indes ohnehin eindeutig: „Präsenzunterricht gibt es in den Sonderschulen. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in I-Klassen sind entweder im Distance Learning oder werden an den Schulen betreut und pädagogisch unterstützt.“
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