Seit vergangenem Dienstag ist Microsofts neue Xbox Series X erhältlich. Oder genauer: war, denn vielerorts ist die Konsole bereits ausverkauft. In Zeiten von Lockdowns und Ausgangssperren ist die Sehnsucht nach einer Flucht in virtuelle Welten offenbar groß. Wir haben wenige Tage nach dem Release dann doch noch eine der begehrten Konsolen ergattern und sie einem ausführlichen Test unterziehen können. Hier unsere Eindrücke.
Groß ist die Freude, als der Bote die Xbox Series X zum Testen liefert. Noch größer die Freude beim Auspacken: Die neue Konsole ist zwar groß, aber weitaus weniger als befürchtet. Im Hochformat ist sie genauso groß bzw. hoch wie die Xbox One X, quer zwar mehr als doppelt so „dick“ wie diese, aber gerade noch schlank genug, um im TV-Regal eines schwedischen Möbelhauses Platz zu finden. Um gleich etwaigen Befürchtungen wegen möglicher Überhitzungsgefahr entgegenzutreten: Selbst nach mehreren Stunden im Dauerbetrieb konnten wir keinerlei Probleme beobachten. Die Xbox Series X wird zwar warm, aber keineswegs heiß. Und dank des im Vergleich zum Vorgänger größeren Lüfters bleibt sie sogar leiser als dieser. Wir mussten den Ton des Fernsehers schon stummschalten, um sie aus den rund zweieinhalb Metern Entfernung zwischen diesem und der Couch überhaupt wahrzunehmen.
Über das monolithische - und nicht selten im Netz verspottete - Design der Konsole lässt sich freilich vornehmlich streiten. Uns gefällt die klare, reduzierte und „unaufgeregte“ Formensprache jedoch richtig gut, zumal Microsoft mit dieser seiner Linie treu bleibt. Wer sich mit der nächsten Konsolengeneration allerdings auch aufregende Neuerungen in puncto Design wie bei Sonys durchaus „exotisch“ anmutender PS5 und deren Controller erhofft hat, könnte enttäuscht sein. Zu bemängeln hätten wir lediglich, dass sich der gummierte Standfuß nicht abnehmen lässt und dadurch beim Betrieb im Querformat etwas unschön ins Auge sticht.
Anschluss und Einrichtung
Anschluss und Einrichtung der Xbox Series X gestalten sich komfortabel und problemlos. Rückseitig müssen lediglich das beiliegende Netz- und HDMI- sowie eventuell noch ein Ethernet-Kabel angeschlossen werden, um loslegen zu können. Einen optischen Audioausgang (Toslink) wie noch bei der Xbox One X gibt es bei der Series X nicht mehr. Per dazugehöriger Xbox-App werden anschließend bequem etwaige WLAN-Verbindungen eingerichtet sowie die wichtigsten Einstellungen (Datenschutz, Stromverbrauch etc.) vorgenommen, während die Konsole im Hintergrund - zumindest in unserem Fall - bereits letzte Updates herunterlädt. Auch der Controller bekam in unserem Test noch gleich ein solches spendiert, ehe sich zum ersten Mal das neue Dashboard präsentiert.
Dashboard und Controller
Wobei neu auch hier relativ ist: Wer bereits eine Xbox One besitzt, wird mit Ausnahme eines neuen dynamischen Hintergrunds keine großartigen Veränderungen oder Neuerungen feststellen - was wiederum für Umsteiger den großen Vorteil hat, dass man sich auf Anhieb zurechtfindet. Gleiches gilt für den neuen Controller: Optisch unterscheidet sich dieser zunächst kaum von seinem Vorgängermodell. Wer genauer hinsieht, stellt dann allerdings doch ein paar wesentliche Verbesserungen fest. Da wäre etwa das vom Elite-Controller übernommene D-Pad, das dem Daumen durch seine Vertiefung in der Mitte mehr Halt gibt und spürbar präziser arbeitet als das Steuerkreuz des Xbox-One-Controllers.
Sehr gut gefällt uns auch die neuerdings strukturierte Rückseite, die dem Controller an sich sowie den Schultertasten mehr „Grip“ verleiht. Selbst nach mehrstündigen und mitunter schweißtreibenden Spielstunden läuft man so nicht Gefahr, dass einem die Dinge versehentlich entgleiten könnten. Gänzlich neu ist der Share-Button in der Mitte des Controllers, der das schnelle Sharen und Uploaden von Screenshots und Videos erlaubt. Über die Xbox-App oder Microsofts OneDrive können diese Aufnahmen anschließend ohne größere Umwege, wie das bei Sony der Fall ist, mit Freunden geteilt werden.
Dass der Controller etwas kleiner als sein Vorgänger ausfällt, um eine größere Anzahl an Handgrößen zu unterstützen, hätten wir zugegebenermaßen gar nicht bemerkt, wenn es uns Microsoft nicht gesagt hätte. Sämtliche Buttons befinden sich weiterhin exakt da, wo man sie erwartet, und in gewohnt komfortabel per Daumen zu erreichender Entfernung, sodass es auch an dieser Stelle keiner Umstellung/Neuorientierung bedarf. Selbstverständlich ist das kein Zufall, sondern von Microsoft so gewollt, wird bei der Xbox Series X Kompatibilität doch großgeschrieben. Der neue Controller ließ sich im Test dann auch nicht nur problemlos mit der Xbox One X, sondern auch mit der noch älteren Xbox 360 verbinden. Und eine ältere „Guitar Hero“-Gitarre aus 360er-Tagen konnten wir umgekehrt ebenso mühelos mit der Xbox Series X verbinden. Auch ältere Akkupacks finden wie gewohnt im neuen Controller Platz. Dass dieser damit nachhaltiger ist als das Sony-Pendant mit fest eingebautem Akku, finden wir durchaus löblich.
Abwärtskompatibilität und Auto HDR
Die Abwärtskompatibilität beschränkt sich allerdings nicht nur auf Controller und anderes Zubehör, sondern gilt auch für die meisten Spiele, bis zurück zur allerersten Xbox aus dem Jahr 2002. Einzige Ausnahme: Titel für die Bewegungssteuerung Kinect, für die der Support mit Erscheinen der neuen Konsolengeneration eingestellt wurde. Wir wollten für den Test eigentlich noch das für die Original-Xbox 2003 erschienene Jump‘n‘Run „Vodoo Vince“ aus dem Keller holen, um in alten Erinnerungen zu schwelgen, gaben uns nach erfolgloser Suche dann aber mit einer Runde „Viva Pinata“, 2006 für die Xbox 360 veröffentlicht, zufrieden.
Für langjährige Xbox-Besitzer dürfte die umfassende Abwärtskompatibilität jedenfalls ein wichtiger Kaufgrund sein, zumal ältere Spiele von einigen Verbesserungen durch die neue Hardware profitieren, darunter stabile Framerates und ein Feature, das Microsoft Auto HDR nennt, um Bilder mit größerem Dynamikumfang zu produzieren, die vor allem in den besonders hellen und dunklen Bildbereichen auf HDR-fähigen Fernsehern mehr Details zum Vorschein bringen. Der dafür verantwortliche Algorithmus leistete im Test mal mehr („Perfect Dark Zero“), mal weniger („Crackdown“) überzeugende, weil natürlich aussehende Ergebnisse. Da unserer Meinung nach zu echtem Retro-Gaming aber auch die Grafik von einst zählt, haben wir das Feature beim Anspielen älterer Titel über die Konsoleneinstellung deaktiviert.
4K mit bis zu 120 Frames
Aber was hat die Xbox Series X für aktuelle Games zu bieten? Da wäre zunächst das große Thema 4K. Im Gegensatz zur Xbox One X, die nativ nur eine Handvoll Spiele in 4K und mit 60 Bildern pro Sekunde wiedergeben kann, läuft auf der Xbox Series X nun nahezu jedes Game derart hochaufgelöst und flüssig. Bestimmte, entsprechend optimierte Titel gehen sogar darüber hinaus und schrauben die Framerate bei gleichbleibender 4K-Auflösung auf 120 Bilder pro Sekunde hoch, was wir mangels eines entsprechend kompatiblen TVs allerdings nicht testen konnten. Der Unterschied zwischen 60 und 120 Frames ist allerdings weniger augenscheinlich als zwischen 30 und 60 Frames.
In der Praxis lässt sich schlichtweg sagen: Games, die auf der Xbox One X eventuell noch ruckelten, laufen auf der Series X nun butterweich und lassen Spielwelten in einer Detailfülle erstrahlen, die bis vor kurzem noch undenkbar schien - zumindest auf der Konsole. Unterstützung für HDR10, Dolby Vision (bislang nur bei Streaming-Apps, Support für Spiele soll 2021 folgen) sowie Dolby Atmos tragen ihrerseits in Kombination mit entsprechenden Fernsehern und Sound-Anlagen dazu bei, das Geschehen umso realistischer wirken zu lassen. Wir konnten uns an der Spielwelt des neuen „Assassin‘s Creed Valhalla“ mit ihren grandiosen Lichteffekten kaum sattsehen.
Spielen (fast) ohne Wartezeiten
Der andere große Vorteil der Xbox Series X gegenüber dem Vorgängermodell liegt in der Zeitersparnis, die man sich mit ihr erkauft. Ermöglicht wird dies durch den Wechsel von einer konventionellen Festplatte zu einer flotten NVMe-SSD, die Start- und Ladezeiten signifikant reduziert. Wir haben mit der Stoppuhr den Test gemacht: Während die Xbox One X beim Kaltstart zwölf Sekunden fürs Booten braucht, vergehen bei der Series X nur rund vier Sekunden bis zum Erscheinen des Dashboards.
Deutlich beeindruckender sind allerdings die Unterschiede bei den Ladezeiten. Dauerte das Laden eines Speicherstandes von „Metro Exodus“ auf der Xbox One X noch 45 Sekunden, waren es auf der Series X nur 15 Sekunden. Noch größer fiel der Unterschied bei „Assassin‘s Creed: Valhalla aus“: 1:41 Minuten auf der Xbox One X standen lediglich 18 Sekunden Wartezeit auf der Series X gegenüber. Gerade angesichts immer komplexerer und dementsprechend ladeintensiver Spielwelten bedeutet diese Leistungsfähigkeit einen echten Mehrwert.
Speicherplatz
Von der ein Terabyte großen SSD stehen übrigens rund 800 Gigabyte für Games und andere Inhalte zur Verfügung, sodass die Series X im Vergleich zur PS5 mit ihren rund 670 Gigabyte an nutzbarem Speicher etwas mehr Speicherplatz bietet. Ist dieser voll, lassen sich wie gehabt via USB externe Festplatten an die Konsole anschließen. Die bereits vorhandene Spielebibliothek kann so auch problemlos „übersiedelt“ werden. Unsere konventionelle 3-Terabyte-Platte von Western Digital wurde anstandslos erkannt und erlaubte den vollen Zugriff auf bislang auf ihr gespeicherte Spiele. Auf die verbesserten Start- und Ladezeiten der internen SSD muss beim Start von einer externen Festplatte dann allerdings verzichtet werden. Abhilfe verspricht Microsoft durch eine für rund 240 Euro optional erhältliche 1-TB-Speichererweiterungskarte von Seagate, die in einem Slot an der Rückseite der Konsole Platz findet und dem Hersteller nach dieselben Vorteile der internen SSD bieten soll.
Quick Resume
Einen weiteren Mehrwert bietet die Xbox Series S mit einer neuen Funktion namens Quick Resume. Dank des nichtflüchtigen Massespeichers erlaubt sie es, nahezu nahtlos zwischen mehreren Spielen hin und her zu wechseln und das Spiel dann wieder an exakt jener Stelle fortzusetzen, an der man es zuvor unterbrochen hat. Das funktioniert in der Praxis sehr gut - allerdings mit Einschränkungen. Denn für Gamer ist nicht ersichtlich, welches Spiel das neue Feature unterstützt. „Assassin‘s Creed Valhalla“ und „Gears 5“ etwa zählen aktuell nicht dazu, mit „Doom Eternal“, „Metro Exodus“ und „Forza Horizon 4“ haben wir dann aber doch noch drei Titel gefunden, bei denen Quick Resume funktioniert und konnten so inmitten eines Sprunges in „Doom Eternal“ in die verstrahlte russische Steppe von „Metro Exodus“ wechseln, ein paar Runden mit „Forza“ drehen und anschließend wieder zu „Doom“ zurückkehren, um unseren Sprung zu beenden.
Die Spiele zum Start
Wo schon von Spielen die Rede ist: Das Lineup zum Start der neuen Xbox Series X umfasst 30 Titel, die die neue Hardware-Power der Konsolengeneration ausreizen. Bei zwei Dritteln davon handelt es sich allerdings um bereits veröffentlichte Titel, die zum Konsolenstart lediglich „automatisch auf ihre bestmögliche Version“ aktualisiert werden. Ermöglicht wird dies durch ein Feature, das Microsoft „Smart Delivery“ nennt und es erlaubt, bereits für die aktuelle Xbox One erschienene Spiele dank ähnlicher Hardware-Architekturen per Aktualisierung fit für die nächste Konsolengeneration zu machen.
Smart Delivery beschränkt sich nicht nur auf digital erworbene Titel, sondern steht, sofern vom Entwickler unterstützt, auch für physisch auf Disc erworbene Spiele zur Verfügung. Wer sich also etwa zur Veröffentlichung das mit Spannung erwartete Sci-Fi-Rollenspiel „Cyberpunk 2077“ von CD Projekt Red für die aktuelle Xbox One kauft, zu Weihnachten dann jedoch auf die neue Xbox Series X umsteigen möchte, erhält automatisch die neueste, optimierte Version. Wer die alte Konsole dann nicht „entsorgt“, sondern etwa im Schlafzimmer deponiert, muss Spiele dennoch nicht doppelt kaufen, da Smart Delivery immer die zur Konsole passende Version anbietet, wie Microsoft verspricht. Spielfortschritte werden dabei von einer Konsole zur anderen mitgenommen, sprich: über die Cloud synchronisiert.
Kaum Exklusives
Einen wirklich exklusiven Spielekracher sucht man zum Start der Xbox Series X leider vergeblich. Dem Konzept „Exklusivtitel“ hat Microsoft allerdings schon länger abgeschworen, neue hauseigene Games erscheinen in der Regel auch für den PC. Das mit Spannung erwartete „Halo Infinite“ wurde leider auf 2021 verschoben, auch ein neues „Forza“, neben der Shooter-Serie traditionell ein weiteres Aushängeschild der Xbox, lässt vorerst auf sich warten. Ein Blick auf die Vergangenheit verrät allerdings, dass die besten Spiele für eine Konsole meist gegen deren Lebensende erscheinen, wenn Entwickler wissen, wie sie die Technik völlig ausreizen können. Insofern darf mit Spannung abgewartet werden, was Microsoft für seine Fans in den kommenden Jahren noch bereithält.
Game Pass als Ass im Ärmel
Der Hersteller hat bis dahin noch ein Ass im Ärmel: seinen Game Pass Ultimate. Auch wenn die Idee eines „Netflix für Spiele“ viele Gamer bislang noch nicht überzeugen mag, so zeigt ein Blick auf Musik- und Videostreamingdienste wie Spotify und eben besagtes Netflix, dass die Zukunft des Videospielens wohl zumindest zu großen Teilen entsprechenden Abo-Angeboten gehören wird. Zum Start der neuen Konsole hat Microsoft den Game Pass drastisch im Preis gesenkt und zugleich mit der Aufnahme von „EA Play“ in die Spielebibliothek um zahlreiche Titel aus dem Hause Electronic Arts erweitert, darunter „FIFA 20“ oder „Titanfall 2“.
Mittel- bis langfristig könnte Microsoft damit Boden gegenüber der weiterhin auf Exklusivtitel setzenden PS5 gutmachen, zumal sich die Redmonder erst kürzlich mit Zenimax, zu dem Bethesda („Fallout“, „The Elder Scrolls“) und id Software („Doom“) gehören, einen bedeutenden Spieleentwickler einverleibten, und angekündigt haben, dass weitere folgen sollen.
Fazit: Microsofts Xbox Series X kommt im Gegensatz zur PlayStation 5 von Sony vergleichsweise unaufgeregt daher, um nicht zu sagen langweilig - vergleichsweise bieder im Design, ohne Superduper-Rumble-Feature im Controller, ein sonderlich überarbeitetes Dashboard oder etwaige Exklusivtitel. Der Wow-Effekt, den man sich von einer neuen Konsolengeneration erhofft, will sich daher zunächst einmal nicht einstellen. Doch der erste Eindruck täuscht, denn unter der Haube des Monolithen verbaut Microsoft die im Vergleich zur Konkurrenz potentere Hardware. Jetzt kommt es nur darauf an, diese auch zu nutzen. Als langjährige Xbox-Nutzer sind wir von den Qualitäten der Series X, allen voran ihrer Grafikpower und den schnellen Ladezeiten, jedenfalls überzeugt bis beeindruckt - nicht nur, aber eben auch, weil sie viele gewohnte und vertraute Dinge beibehält. Stichwort: Kompatibilität und allgemeine Zugänglichkeit. Die Series X mag sich dadurch vielleicht weniger wie eine brandneue Konsole, sondern vielmehr wie ein (wichtiges) Update anfühlen, entscheidend ist aber, ob bzw. wie sehr sie es uns erlaubt, in virtuelle Spielewelten einzutauchen, darin aufzugehen und sich vielleicht sogar ein wenig in ihnen zu verlieren (Stichwort: 2020). Unserer Meinung nach gelingt ihr dies mit Bravour.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.