Regeln und Ausnahmen

Hass im Netz: Das neue Gesetzespaket im Detail

Digital
18.11.2020 13:31

Das am Mittwoch von der Regierung auf den Weg geschickte Gesetzespaket gegen „Hass im Netz“ enthält einige Änderungen gegenüber den bisher bekannten Plänen. So sind nun mehr Plattformen als bisher geplant ausgenommen, darunter auch der Branchenriese YouTube. „Upskirting“ bleibt verboten, der Strafrahmen wird aber teils reduziert. Die kritisierte Möglichkeit, Internet-Provider zu Netzsperren zu zwingen, will man ausgeräumt haben.

In Kraft treten sollen die neuen Regeln mit 1. Jänner. Beschlossen werden können sie frühestens Anfang Dezember. Bis dahin läuft eine „Stillhaltefrist“ (3. Dezember), um der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsländern Zeit für allfällige Einwände zu geben. Dies deshalb, weil das neue „Kommunikationsplattformen-Gesetz“ in die in Europa geltende Dienstleistungsfreiheit eingreift.

Reichweite und Ausnahmen
Das neue „Kommunikationsplattformen-Gesetz“ gilt für „in- und ausländischen Anbieter von Kommunikationsplattformen“, die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von über 500.000 Euro haben und die - das ist neu - gewinnorientiert arbeiten. Nicht kommerzielle Plattformen werden also ausgenommen. Gänzlich ausgenommen sind außerdem Handelsplattformen wie „willhaben“, Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen. Ebenfalls neu ist die Ausnahme für Videos auf Videoplattformen wie Youtube und in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Gegen potenziell illegale Videos soll - entsprechend einer EU-Richtlinie - nicht in Österreich, sondern am Sitz der jeweiligen Firma vorgegangen werden. Eine Klarnamenpflicht für Nutzer ist generell nicht vorgesehen.

Justizministerin Alma Zadic (l.) von den Grünen und Europaministerin Karoline Edtstadler von der ÖVP beim Pressefoyer nach dem Ministerrat (Bild: APA/BKA/ANDY WENZEL)
Justizministerin Alma Zadic (l.) von den Grünen und Europaministerin Karoline Edtstadler von der ÖVP beim Pressefoyer nach dem Ministerrat

Meldung und Löschung
Die Plattformen müssen einen für Behörden und Gerichte erreichbaren, deutschsprachigen Beauftragten nominieren und ein „wirksames und transparentes Verfahren“ für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten. Gelöscht werden muss binnen 24 Stunden, wenn die Rechtswidrigkeit „bereits für einen juristischen Laien (...) offenkundig“ ist, bzw. binnen 7 Tagen, wenn eine detaillierte Prüfung nötig ist. Über Anzahl und Ergebnis der Meldungen sind jährlich (bzw. ab einer Mio. Nutzern halbjährlich) Berichte zu veröffentlichen.

Umgekehrt soll es aber auch ein Beschwerdeverfahren für die von Löschung oder Sperre betroffenen User geben, um „Overblocking“ zu vermeiden. Für eine allfällige Strafverfolgung sind die gelöschten Postings zumindest zehn Wochen zu speichern. Und in der Strafprozessordnung wird geregelt, dass Opfer bei Gericht die Ausforschung des mutmaßlichen Täters beantragen kann (aus Datenschutzgründen wird aber sichergestellt, dass das Opfer nur die dafür notwendigen Daten erhält).

Strafen und Sanktionen 
Sollten Nutzer mit dem Beschwerdeverfahren unzufrieden sein, können sie sich an die Medienbehörde KommAustria wenden. Diese kann bei wiederholten Verstößen Geldstrafen bis zu 10 Mio. Euro verhängen. Sollte eine Onlineplattform keinen Sitz in Österreich haben, will man die Strafen eintreiben, indem Zahlungen österreichischer Firmen an die Plattform „abgefangen“ werden (also z.B. die Zahlungen von Werbekunden an das Online-Unternehmen). Möglich sind auch Geldstrafen gegen die von den Firmen nominierten Beauftragten (bis 10.000 Euro statt bis 50.000 im ersten Entwurf).

(Bild: APA/dpa/Lukas Schulze)

Mandatsstrafverfahren
Erleichtert werden Unterlassungsklagen gegen „Hasspostings“ („Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz“). Gerichte haben einen Unterlassungsauftrag auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Gegenseite zu erlassen, wenn sich die behauptete Rechtsverletzung aus der Klage schlüssig ableiten lässt. Dazu soll es ein Formblatt auf www.justiz.gv.at geben.

UPSKIRTING: Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen „unbefugte Bildaufnahmen“ des Intimbereichs. Damit wird das sogenannte „Upskirting“ verboten und mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft (bzw. ein Jahr, wenn die Bilder veröffentlicht werden). Dies erfasst etwa auch heimliche Bildaufnahmen auf der Toilette oder in der Umkleidekabine, nicht aber Aufnahmen in Badebekleidung im öffentlichen Raum.

Verhetzung und Cyber-Mobbing
Gegenüber der bestehenden Rechtslage nachgeschärft wird die „Verhetzung“: Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen Einzelpersonen hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat (dies konnte bisher nur als Beleidigung geahndet werden). Der Strafrahmen bleibt mit bis zu zwei Jahren Haft unverändert. Verschärft wird auch das „Cybermobbing“, das künftig schon ab dem ersten Posting (und nicht nur, wenn es „fortgesetzt“ erfolgt) strafbar sein kann.

(Bild: stock.adobe.com)

Medienrecht
Deutlich angehoben werden die Schadenersatzansprüche für Personen, die durch Medien in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt werden. Derzeit sind maximal 50.000 Euro Entschädigung möglich. Künftig sollen es bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die journalistische Sorgfalt bis zu 100.000 Euro sein. Trotz Kritik weiter geplant: auch Unternehmen sollen gegen Medien vorgehen können, wenn unzulässige Berichte über bzw. Hasspostings gegen Mitarbeiter das Ansehen der Firma schädigen.

Dass ein Teil der Neufassung der Persönlichkeitsrechte auch für Verstorbene die NS-Opfer- und Täterforschung „erheblich erschweren“ könnte, wie Historiker kritisiert hatten, wurde berücksichtigt. Wissenschaft und Kunst wird nun eine Sonderstellung eingeräumt. Außerdem gibt es mit Ausnahme engster Verwandter eine Zehnjahresfrist für den postmortalen Persönlichkeitsschutz.

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