Die österreichische Bundesregierung zeigt wenig Verständnis für die Blockadehaltung der Ungarn und der Polen im derzeit schwelenden EU-Budget-Streit. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte am Donnerstag vor einem Videogipfel mit den anderen EU-Regierungschefs „Reformen und Rechtsstaatlichkeit“ als „Basis“ für die Auszahlung von Finanzmitteln.
„Jetzt wird in der EU sehr viel Steuergeld in einem noch nie da gewesenen Ausmaß in Anspruch genommen. Es wird aber nur dann europäisches Geld fließen, wenn Reformen durchgeführt werden und die Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird“, betonte er seinen Standpunkt im Rechtsstaatlichkeitsstreit mit Ungarn und Polen.
Der Bundeskanzler sprach sich zudem gegen Kompromisse und für eine genaue Kontrolle aus, „wofür das Geld in weiterer Folge ausgegeben wird“. Budapest und Warschau blockieren mit ihrem Veto den 1,8 Billionen Euro schweren EU-Corona-Wiederaufbauplan, um gegen Auflagen zur Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe von EU-Mitteln zu protestieren. Formal steht das Thema nicht auf der Tagesordnung des heutigen Videogipfels, das virtuelle Treffen der Europäischen Staats- und Regierungschefs wurde zur Besprechung der Corona-Lage in der EU angesetzt. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird jedoch über den Stand der Dinge berichten.
Schallenberg: „Auch wir mussten Kompromisse eingehen“
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach sich am Donnerstag am Rande des virtuellen Rates der EU-Außenminister für Kompromisse aus - jedoch von der anderen Seite. Schallenberg erinnerte dabei an die langwierigen Verhandlungen über das Corona-Hilfspaket der EU: „Wir waren Teil der ,sparsamen Vier‘, auch wir haben Kompromisse eingehen müssen, und das erwarten wir auch von allen anderen.“ Einer möglichen anderweitigen Lösung für den Fall, dass Ungarn und Polen bei dem Veto bleiben - etwa einer jährlichen Verlängerung des derzeitigen EU-Budgets -, wollte er freilich „nicht vorgreifen“.
Ungarns Blockadehaltung hat auch die Diskussion rund um einen möglichen Ausschluss der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgeheizt. Ministerpräsident Viktor Orbans Fidesz ist bereits suspendiert, EVP-Präsident Donald Tusk legte nach den jüngsten Ereignissen jedoch einen Ausschluss nahe. In dieselbe Kerbe schlug auch der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas und forderte den sofortigen Rauswurf der Fidesz.
Fidesz-Rauswurf? Hofer übt heftige Kritik an Karas
FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer äußerte hingegen Verständnis für die ablehnende Haltung Ungarns und Polens und griff Karas an. „Othmar Karas benimmt sich wie ein schmalbrüstiger Elefant im Porzellanladen“, warf er ihm vor. Karas wolle nicht nur Fidesz aus der EVP, sondern „am liebsten gleich Ungarn aus der Europäischen Union“ werfen. „Frei nach dem Motto: Wer nicht nach der Pfeife der EU tanzt, wird eliminiert“, so Hofer und bezeichnete diese Einstellung als „demokratiepolitisch bedenklich und für den Vertreter einer staatstragenden Partei skandalös“.
Orban spricht von Erpressung der EU
Orban hatte am Mittwoch das Veto Ungarns gegen das EU-Budget und den Corona-Wiederaufbaufonds mit Verweis auf die Migrationspolitik gerechtfertigt. Brüssel betrachte nur jenes Land als Rechtsstaat, „das Migranten Einlass gewährt“, und es gebe nach Annahme der jetzigen Empfehlung „kein Hindernis mehr“, jene Länder, die diese ablehnten, mit Budgetmitteln zu erpressen, hieß es in einer Mitteilung.
Kurz will „Weihnachten zumindest im kleinen Familienkreis" ermöglichen
Im Vorfeld des virtuellen EU-Gipfels hatte Kurz es als Ziel bezeichnet, eine dritte Corona-Welle zu verhindern. „Unser Ziel muss es sein, eine dritte Welle zu verhindern und Weihnachten zumindest im kleinen Familienkreis zu ermöglichen“, teilte Kurz auch im #brennpunk-Talk auf krone.tv am MIttwochabend mit.
Kurz im #brennpunkt: „Massentests können dritte Welle verhindern“
Österreich will auf Massentest setzen
Österreich trete auch für eine gegenseitige Anerkennung von Tests ein und wolle „nach dem erfolgreichen Beispiel der Slowakei auf Massentests“ setzen. „In ganz Europa gibt es mittlerweile die zweite Welle sowie Lockdowns oder lockdownähnliche Zustände“, so der Bundeskanzler. „Umso wichtiger“ sei daher ein „regelmäßiger und enger europäischer Austausch über die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie oder mögliche erste Lockerungen“.
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