Es ist eine Verbindung mit Ludwig van Beethoven, wie sie wohl nur wenige haben können: Musikologin Iris Kapeller lebt genauso wie der Komponist mit einer Hörschädigung. Ihr Projekt soll dabei helfen, das Genie der Musik zu verstehen: Die 24-jährige Steirerin hat simuliert, wie Beethoven seine eigene Musik gehört hat.
Es ist leise, kaum hörbar. Man muss sich anstrengen, die Umgebung muss völlig still sein, damit man die Simulation von Beethovens Gehör mit „moderatem Hörverlust“ wahrnehmen kann. Iris Kapeller hat den zweiten Satz der 7. Sinfonie dahingehend bearbeitet. „Die Symptome der Hörschädigung bei Beethoven und mir sind ähnlich“, erklärt die 24-jährige Bruckerin, die in Graz studiert. „Ich wollte zeigen, wie das auf ihn gewirkt haben könnte. Welche Töne hat er gehört, welche Instrumente?“
Sie hat die Töne in einem Programm gemäß ihrem Audiogramm heruntergesetzt - das ist eine Aufstellung darüber, in welchem Frequenzbereich die Hörschwelle liegt. In einem Brief schildert der Komponist 1801, dass er leises Reden kaum versteht, Schreien jedoch nicht aushält.
Musik und Hörschädigung widersprechen sich nicht
Für Iris Kapeller ist Beethoven schon lange ein Begleiter. Ihre eigene Hörschädigung fiel im Alter von vier Jahren auf. In der Volksschulzeit hat sie durch ein Memory-Spiel zum ersten Mal von dem Komponisten gehört. „Das hat mich fasziniert.“ Kapeller hat trotz Hörschädigung Instrumente erlernt und Musikologie studiert. „Ich will das als Vorteil sehen. Es hat mich zum Beispiel beim Intervalle bestimmen nie beeinträchtigt. Es ist wie bei Beethoven: Er hatte trotzdem ein musikalisches Gehör.“ Nur mit der Sprache tut sie sich ohne Hörgeräte schwer, etwa, wenn jemand singt. „Aber ist interessant, auf verschiedene Arten hören zu können.“
Masterarbeit deckt Mythen über tauben Beethoven auf
In ihrer Masterarbeit, an der sie gerade arbeitet, will Kapeller auch mit einigen Mythen um den Komponisten aufräumen: „Es gibt den einen Zeitpunkt, ab dem er taub war, nicht. Er wollte nur das Hörrohr nicht mehr benutzen, weil es ihm zu laut war. Er hat bis zum Tod für sich selbst Klavier gespielt.“
Wie hat sich das auf sein Werk ausgewirkt? „Die letzten Werke waren zu neu und ungewöhnlich für das Publikum. Er hat seine Zeitgenossen nicht mehr in Konzerten gehört, sondern nur Partituren gelesen. Dadurch hat er seinen eigenen Stil noch mehr gefunden“, sagt Kapeller. Das müsse aber nicht nur am Gehör liegen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.