Am Mittwoch starten die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ (25.11.-10.12.). Eine internationale Aktion, die aufrütteln und aufklären soll. Wie wichtig das ist, zeigen aktuelle Entwicklungen. Tirols Frauenhäuser und Beratungsstellen sind heuer extrem gefordert. Der verordnete Rückzug ins Private birgt besondere Gefahren. Die Polizei musste im ersten Lockdown mehr Betretungsverbote zum Schutz vor häuslicher Gewalt aussprechen.
„Seit Ausbruch der Corona-Pandemie höre ich immer: Wir sitzen alle im selben Boot. Aber das tun wir nicht! Es macht im Lockdown einen Unterschied, ob Familien in beengten Wohnverhältnissen leben oder viel Platz haben, um sich auch mal aus dem Weg zu gehen. Ob in einer Beziehung extreme Abhängigkeiten herrschen oder nicht.“ Gabi Plattner ist es wichtig, das festzuhalten. Die Leiterin des Frauenhaus Tirol – die größte Einrichtung dieser Art im Land – erinnert sich mit Schaudern an die Quarantänezeit. Eine gespenstische Stille legte sich übers Land. Mit dem verordneten Rückzug ins Private wuchs die Gefahr von Gewalt in Familien. „Für Frauen wurde es schwer, aus gefährlichen Situationen zu flüchten“, sagt Plattner. Betroffene hätten sich nicht einmal ins Frauenhaus getraut. „Dafür hatten wir mehr Beratungen am Telefon und per Email.“ Das berichten auch andere Organisationen. Die Frauen-Helpline gegen Gewalt hatte 38 Prozent mehr Anfragen.
Jede fünfte Tirolerin von Gewalt betroffen
Jede fünfte Tirolerin ist zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. Die Polizei geht unter anderem mit Betretungsverboten gegen häusliche Gewalt vor. 516 solcher Verbote wurden im Vorjahr in Tirol ausgesprochen. Katja Tersch, Leiterin des Landeskriminalamts Tirol (LKA), berichtet von mehr Betretungs- und Annäherungsverboten im heurigen Jahr: „Insbesondere in der Zeit des ersten Lockdowns.“ Was hat man daraus gelernt? Wichtig sei, dass Frauen Informationen über das gesamte Hilfsangebot zugänglich gemacht werde. „Also Polizei, Gewaltschutzzentrum, Frauen-Helpline und andere“, betont Tersch. Sie verweist auch auf Schulungen von Polizistinnen und Polizisten, „um sie für das Thema zu sensibilisieren“.
Frauenhaus als ein wichtiger Zufluchtsort
Oft bleibt Betroffenen nur die Flucht aus dem eigenen Zuhause. 153 Frauen und Kinder fanden heuer bereits im Frauenhaus Tirol Unterschlupf. Vor gut einem Jahr wurden die erweiterte Einrichtung eröffnet, 32 Plätze bietet sie nun. „Dringend notwendige Plätze“, wie Plattner betont. Derzeit ist die Festung Frauenhaus doppelt gefordert. Sie muss vor gewaltbereiten Partnern schützen - und vor dem Virus. „Wir tun alles, um das Angebot aufrecht zu erhalten“, sagt die Leiterin.
Die Aktionstage gegen Gewalt an Frauen starten
Am Mittwoch starten die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Die internationale Kampagne wird seit 1992 auch in Österreich jedes Jahr unterstützt. Dazu finden zahlreiche Aktionen statt. In Tirol organisiert unter anderem das Frauenhaus mit Studierenden eine Radioreihe im Freien Radio Innsbruck. Alle Beiträge können nach der Ausstrahlung nachgehört werden (Infos: www.frauenhaus-tirol.at). Der Soroptimist Club Kufstein organisiert unter dem Motto „Orange the world“ Lichtaktionen auf der Festung und beim Stadtamt. Österreichweit werden 160 Gebäude beleuchtet.
Beratung und Hilfe bei Gewalt gegen Frauen: 0800/222 555 (Frauen-Helpline) oder beim Frauenhaus Tirol 0512/34 21 12. Weitere Anlaufstellen unter: gewaltschutzzentrum-tirol.at
Claudia Thurner, Kronen Zeitung
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