Der US-Konzern Amazon lässt im großen Stil Daten über potenziell unbequeme Organisationen und Personen wie Umweltschützer, Politiker oder Gewerkschafter sammeln. Der Konzern lässt Menschen in sozialen Netzen durchleuchten, schleust Detektive in Partnerfirmen ein und beobachtet die politischen Aktivitäten, Protestbewegungen und Kriminalität in den Ländern, in denen er aktiv ist. Er überwacht also nicht nur die eigenen Mitarbeiter. Das geht aus Medien zugespielten Interna hervor - und sei weder unredlich noch illegal, richtet eine Amazon-Sprecherin aus.
Die Überwachungstätigkeiten des Amazon-Konzerns hat ein anonymer Informant öffentlich gemacht, der dem IT-Portal „Motherboard“ Dutzende interne Berichte zugespielt hat. Darin geht es mitnichten nur um Personen, die für Amazon arbeiten, vielmehr zeigt sich, dass Amazon und Partner eine globale Überwachungsmaschinerie aufgebaut haben, die überall dort Daten sammelt, wo der Konzern aktiv ist - auch in Österreich.
So geht aus den Dateien hervor, dass Amazon eine Organisation überwachen ließ, die in Wien eine Demonstration gegen die Politik des Iran abhielt. In Frankreich ließ Amazon die „Gelbwesten“ durchleuchten. In Deutschland wurden auf der Suche nach neuen Standorten in Sachsen und Bayern die Aktivitäten der Gewerkschaft Verdi analysiert.
Spezialisten spionieren im Social Web
Gewerkschafter und Umweltschützer bespitzelt man auch in sozialen Netzwerken. Hier heuert Amazon laut dem Bericht spezialisierte Dienstleister an, die auch in geschlossene Social-Media-Gruppen eindringen und dort unbemerkt Informationen über die Zielpersonen sammeln. Informiert werden die Betroffenen über derlei Social-Media-Beschattung nicht.
Gewerkschafter unter Beobachtung
In der physischen Welt beobachtet Amazon insbesondere die Aktivitäten von Gewerkschaften. Wer Flugblätter verteilt, sich an Streiks beteiligt oder an nicht-öffentlichen Gewerkschaftstreffen teilnimmt, landet auf einer Liste - inklusive Zeitpunkt, Ort und Teilnehmern des Treffens.
Jeder Versuch, diese Aktivitäten aufzubauschen oder zu unterstellen, dass wir etwas Ungewöhnliches oder Falsches tun, ist unverantwortlich und falsch.
Amazon-Statement gegenüber "Motherboard"
In einer Stellungnahme sieht der in der Vergangenheit immer wieder wegen der Arbeitsbedingungen in seinen Lagern kritisierte US-Konzern kein Fehlverhalten. Alles geschehe in Abstimmung mit lokalen Behörden und unter Einhaltung der Gesetze. „Jeder Versuch, diese Aktivitäten aufzubauschen oder zu unterstellen, dass wir etwas Ungewöhnliches oder Falsches tun, ist unverantwortlich und falsch“, so eine Amazon-Sprecherin.
Tatsächlich scheint Amazon auch im großen Stil die Hilfe von Detektiven in Anspruch zu nehmen - offiziell, um Transporte zu schützen, inoffiziell aber offenbar auch für andere Zwecke. So habe der US-Konzern beispielsweise bei einem polnischen Logistikpartner Detektive einschleusen lassen, die überprüfen sollten, ob dort dubiose Praktiken bei der Einstellung neuer Mitarbeiter zum Einsatz kamen. Die Vorwürfe erhärteten sich nicht.
Großes Interesse an Umweltschützern
Großes Interesse scheint Amazon auch an Umweltschützern zu haben. In den Dokumenten werden deren Aktivitäten genau analysiert und eingeordnet. So ließ Amazon etwa die Verbreitung von Amazon-kritischen Greenpeace-Postings nachverfolgen. Auch den Einfluss von „Fridays for Future“ ließ der US-Konzern prüfen. Die Bewegung gewinne „an Einfluss, besonders auf junge Menschen und Studenten“, geht aus Amazons Interna hervor. Und sie „zieht immer mehr Menschen schnell an“.
Interessanterweise interessiert sich Amazon auch für Straßenkriminalität wie Drogenhandel: Hier brauche man die Informationen, um einschätzen zu können, ob der Drogenhandel die Amazon-Geschäfte in einer Region beeinträchtigen und Mitarbeiter Suchtmittel nehmen könnten. Auch Diebstählen und Mitarbeiterbeschweren gehe Amazon nach.
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