In Schweden gelten Anna und ihr Vater Carl Michael von Hausswolff als künstlerische Stars. Die beiden Klangfetischisten verfolgen zwar ihre eignen Wege, sind mit ihrer stets progressiven Zugangsweise für die Populärkultur Skandinaviens und darüber hinaus enorm wichtig. Wir bekamen die Gelegenheit für ein extrem seltenes Doppelinterview im familiären Rahmen.
Viele große Auftritte und künstlerische Preziosen in der Populärmusik waren uns 2020 Corona-bedingt nicht gestattet. Eine der wenigen Ausnahmen war das alljährlich von Hans-Joachim Roedelius kuratierte Kunst- und Kulturfestival „More Ohr Less“ in Baden bei Wien, das sich in diesem Jahr ganz dem 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens widmete. Ein Beethoven-Kenner ist auch der schwedische Künstler Carl Michael von Hausswolff, der in auditiver, visueller und bildnerischer Hinsicht seit Jahrzehnten die Grenzen von Frequenzen austestet und das große Thema Klang bis ins letzte Detail analysiert. Der langjährige Freund Roedelius‘ war ebenso Festivalgast wie seine vor allem in der Populärmusik bekannte Tochter Anna von Hausswolff, die als Sängerin, Pianistin und Organistin mutig und geschickt durch unterschiedliche Klangwelten von Black Metal über Neoklassik und Drone-Sounds bis hin Art-Pop und experimentellem Rock wandelt.
Anna spielte im Zuge des Festivals vor einem handverlesenen Publikum gar ihre einzige Liveshow des Jahres und lieferte eine Weltpremiere, indem sie - unterstützt von einem exklusiven Livestream im Internet - erstmals Songs ihres erst Monate später erschienenen Albums „All Thoughts Fly“ präsentierte. Dort ist kein Platz mehr für Gesang, sondern nur für melancholische Kirchenorgelklänge und eine ganze Wagenladung voll dunkler Atmosphäre. Mit einer sakralen Beharrlichkeit schweben die sieben Songs durch die Gehörgänge und lassen sich laut-dröhnend und leise-mäandernd gleichermaßen genießen. Eine Hörerfahrung der ganz besonderen Art. Wir kamen zu einer der seltenen Möglichkeiten, Vater und Tochter gemeinsam zum Gespräch zu bitten.
Anna, Carl Michael, für Künstler ist die Corona-Zeit unheimlich hart. Wie erlebt und überlebt ihr die letzten Monate?
Carl Michael von Hausswolff: Für Künstler ist die Lage extrem schwierig, aber ich habe mich schnell mit neuen Projekten abgelenkt. Man muss sich der Lage anpassen und das Publikum ist heute eben im Wohnzimmer, während du online bist. Man muss umdenken.
Es ist aber ein gänzlich anderes Gefühl, wenn man seine Kunst auf derart fernem Weg präsentieren muss.
Carl Michael: Mein aktuelles Projekt dreht sich um Soundmixe. Du öffnest die Homepage und es gibt sieben verschiedene Soundmixe, für die ich insgesamt 84 Künstler eingeladen habe. Jeder Mix wird von zwölf Künstlern erzeugt und als Besucher kannst du dann deinen eigenen Sound herausmischen. Das Projekt ist fantastisch und hat mir viel Spaß gemacht. Hätte mich die Corona-Lage nicht dazu gezwungen, wäre die Idee wohl noch sehr lange brachgelegen. Nun hat sich diese Möglichkeit eröffnet und ich bin froh darüber. Zuhause zu sein und dort an Projekten zu arbeiten ist schön. Ich liebe es zu Reisen, aber wenn man ans Klima denkt, dann ist es auch mal okay, massiv zurückzuschrauben. Es hat alles seine Vor- und Nachteile.
Anna von Hausswolff: Ich habe mich hauptsächlich auf das „More Ohr Less“-Festival in Baden konzentriert, ansonsten keine Livestreaming-Konzerte oder dergleichen geplant. Vor Corona wollte ich eine Pause machen, um neue Musik zu erschaffen. Ich musste drei Touren canceln, was finanziell schmerzte. Ich denke aber so positiv wie mein Vater und versuche das Beste aus der gegebenen Situation zu machen. Ich konzentriere mich lieber darauf, Wege zu finden, anstatt nur zu jammern. Ich habe sehr viel Musik komponiert und mit „All Thoughts Fly“ ein komplettes Album rein instrumental mit der Pfeifenorgel eingespielt, was nie mein Plan war. (lacht) Es war lange geplant, aber jetzt war die Zeit dafür da. Ich habe lange niemanden getroffen, konnte nicht ins Studio und nicht proben, also habe ich daheim einfach alles selbstkomponiert. Ich durfte dann in eine Kirche und diese Soundskizzen mit einem Freund in einem kontrollierten Umfeld aufnehmen. Jetzt habe ich ein Album, von dem ich nicht wusste, dass ich es haben werde. (lacht)
Das „More Ohr Less“-Festival stand im Zeichen von Beethoven und Carl Michael, du kennst Organisator Hans-Joachim Roedelius schon sehr lange. Ist er eine große Inspirationsquelle für dich?
Carl Michael: Ich habe schon in den 70er-Jahren seine Musik gehört und bin damit aufgewachsen. Die Cluster/Eno-Produktion war lange Zeit mein absoluter Favorit. Er ist für mich immer noch ein großer Quell der Inspiration, weil er sehr coole Ambient-Musik macht und tolle Kooperationen auf die Beine stellt. Er ist über 80 und noch immer unheimlich aktiv. Für mich ist es eine Ehre, mit ihm zusammenzuspielen. Als ich ihn das allererste Mal traf, war ich starr vor Bewunderung. Ich war jahrelang Fan, da weiß man nie, was so passiert. Wir haben damals am Wiener Donaukanal Soundinstallationen gemacht und lernten uns so kennen. Sein „More Ohr Less“-Festival ist nicht allzu groß und sehr entspannt. Ich bin unheimlich gerne hier, um mit ihm zu arbeiten.
Anna: Das gilt auch für mich und meine Freunde. Ich bin mit meinem Vater aufgewachsen, der ein großer Fan war. Also kam Roedelius auf natürlichem Weg in mein Leben. (lacht) Immer mehr Freunde von mir realisieren, dass Cluster noch heute zeitgemäß und auch zeitlos klingt. Diese Band inspiriert Künstler aus allen möglichen Genres, weit über den Krautrock hinaus.
Anna, dein letzter Österreich-Gig war im Frühling 2019 beim Donaufestival in Krems. Dich sieht man bei Kunstfestivals, Boutiquefestivals und ganz normal auf Tour. Brauchst du diese Sprünge zwischen den Welten?
Anna: Es ist wichtig, sich immer zu verändern und herauszufordern. Nur so kann man als Musiker wachsen und neues Publikum auf sich aufmerksam machen. Es ist schön, dass ich überhaupt die Möglichkeit dazu habe und ich gebe zu, dass ich mich nicht immer gleich wohlfühle. In Baden habe ich das erste Mal seit etwa zehn Jahren alleine gespielt und das hat mich sehr nervös gemacht. Manchmal ist es wichtig, die Komfortzone zu verlassen, um die eigene Musikalität zu verstehen und sich zu entwickeln.
Carl Michael, du hast mit Roedelius beim Festival eine Hommage an Ludwig van Beethoven gespielt. War der große Komponist auch ein wichtiger Baustein deiner musikalischen Entwicklung?
Carl Michael: Er ist unverzichtbar und schwebt immer über einen, ob man will oder nicht. (lacht) Allein schon die Neunte Symphonie. Es gibt einige Komponisten, die mich sehr geprägt haben. Beethoven war für mich wohl wichtiger als Mozart oder Bach, weil mich sein Zugang zur Musik stärker faszinierte. Er war jeden Sommer in Baden und ich habe erst unlängst die Geschichte gehört, dass er einst von der Polizei verhaftet wurde. Es war einmal so warm, dass er Hut und Mantel ablegte und dann aus dem Ort hinausspazierte. Er wurde verhaftet, weil ihn die Polizei für einen Vagabunden hielt. Er gab sich zu erkennen, aber die Polizei meinte, ein echter Beethoven würde niemals so herumlaufen. (lacht) Erst der Chefinspektor realisierte dann das große Missverständnis und der Bürgermeister hat ihn dann nachhause gebracht.
Anna, du hast vor vielen Jahren Architektur studiert und in der Art und Weise, wie ihr beide Musik kreiert und denkt hat viel mit diesem Bereich zu tun. Ist die Architektur ein wichtiger Zugang, wenn ihr eure Musik baut?
Anna: Man konstruiert eine bestimmte Welt oder ein bestimmtes Gefühl. Oft versteht man selbst nicht, was man gerade erschafft, doch ohne haptisches Material erschaffst du etwas, das dann eben als Musik in der Luft liegt. Ich denke nicht direkt daran etwas zu erschaffen, aber es hat metaphorisch schon mit Architektur damit zu tun. Sie ist wichtig für den Kreativprozess, aber es geht am Ende doch um die Musik und das Gefühl und weniger um den klaren Blick auf etwas.
Ist es manchmal befriedigender sich zu überlegen, welcher Instrumente oder Behelfsmittel man sich für das Erschaffen eines Klangs oder eines Songs bedient als das Kreieren des Stückes selbst? Ist es spannender neue Wege zu finden, um sich auszudrücken, als den Ausdruck auf der Bühne selbst zu genießen?
Anna: Für einen Sound muss man immer neue Energien und Inspirationsquellen finden. Der Klang muss irgendwann zur Komposition werden und das kann man traditionell oder abstrakt gestalten. Die Pfeifenorgel etwa spiele ich sicher nicht in klassischer Art und Weise, weil ich viel mit unterschiedlichen Klängen experimentiere. Mir sind die Klangschichten wichtig, die Dissonanzen und Zwischenräume. Der Klang ist für mich fast das Wichtigste. Wie siehst du das Vater?
Carl Michael: Wir beide erzeugen Musik sehr unterschiedlich. Mit wenigen Ausnahmen spiele ich live eigentlich fast nur Dinge, die man auf keinem meiner Alben findet. Meine Livesets sind nicht wirklich aufnehmbar, weil ich so viele tiefe Frequenzen verwende, die dann auf dem physischen Produkt verschwinden würden. Es gibt ein paar Live-CDs, aber sie klingen alle nicht wie der Moment, in der das Konzert stattfand. Ich habe meist ein klares Konzept von etwas und bewege mich dann darin so frei wie möglich. Ich habe wortwörtlich schon architektonische Projekte gemacht, die Architektur als Konzept verwendeten. Etwa mit dem holländischen Architekten Rem Koolhaas.
Anna: Ich würde das aber auch bei mir so sehen. So anders arbeiten wir da gar nicht. Die Pfeifenorgel hat einen so breiten Soundrahmen, dass es auf der Welt keine Möglichkeit gibt, all das auf einem haptischen Produkt unterbringen zu können. Man muss in der Konzerthalle oder in der Kirche sein, um all die Noten und Töne richtig fühlen zu können. Das große Bild siehst du nur, wenn du wirklich beim Konzert bist. Ich unterscheide stark zwischen solchen Shows und normalen Konzerten.
Carl Michael, vor ein paar Monaten hast du mit Jónsi von Sigur Rós unter dem Banner Dark Morph ein Album eingespielt, das sich um Walgesänge und maritime Klänge drehte.
Carl Michael: Ich war sehr glücklich darüber, dass meine Tochter die Musik als so gut empfand, dass sie sie auf ihrem eigenen Label veröffentlichte. (lacht) Mit Jónsi war es bereits das zweite gemeinsame Album und es war bewusst konzeptionell angelegt. Wir haben den Fokus auf den Ozean gelegt und für saubere Weltmeere geworben, die viel zu überfischt sind. Das war der Grund für das Album, das wir in Fidschi aufgenommen haben. Gemischt haben wir es dann in Jamaika und veröffentlicht in Venedig - an jedem Ort war also Wasser vorhanden.
Anna: Wenn mein Vater was bei mir veröffentlichen will, dann muss er natürlich den „Pomparipossa Records“-Test bestehen. (lacht) Es ist nicht einfach, aber wenn du es schaffst, dann hast du Glück gehabt.
Nach welchen Kriterien veröffentlichst du Material auf deinem Label? Geht es da um einen zusätzlichen Wert oder eine Botschaft, die ein Produkt abseits der Musik haben sollte?
Anna: Das ist für mich gleich wichtig wie die Musik. Es ist immer optimal, wenn ein Konzept und die Musik Hand in Hand gehen. Manchmal erzählt die Musik selbst die Geschichte, aber wenn dem nicht der Fall ist, dann will ich ein schönes Konzept dahinter sehen. Mir muss es einfach gefallen. Jeder kann etwas aus guten Gründen machen, aber es muss auch nach etwas klingen und mich ansprechen.
Kreuzt ihr beide euch eigentlich künstlerisch sehr oft? Gibt es viele Querverbindungen, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht vermuten würde?
Carl Michael: Wir haben schon ein paar Projekte miteinander gemacht, aber das hält sich in Grenzen. In Stockholm haben wir eine Soundinstallation gemacht, die permanent stattfindet, aber ansonsten folgt jeder seinen eigenen Wegen. Ich glaube nicht, dass ich Anna groß mit etwas geholfen habe, außer mit einem wichtigen Detail: ich habe sie einmal für ein paar Stunden in ein Café entführt, um ihr genau zu erklären, wie das Veröffentlichen und Verlegen von Musik funktioniert. Viele Komponisten und Musiker wissen wenig von ihren Rechten oder über das Wirtschaftliche Bescheid.
Anna: Mein Vater hat mir dieses Konzept so gut erklärt, dass meine Verlagsverträge mittlerweile besser sind als seine. (lacht)
Carl Michael: Als Vater habe ich keines meiner Kinder jemals aktiv in die Kunst- und Kulturwelt gedrängt. Es ist ein schwieriger und undankbarer Beruf. Manchmal bin ich mir nicht ganz sicher, ob es überhaupt ein Beruf ist, aber ich bin froh, dass ich alles so machen kann, wie ich es für richtig halte. Es ist wirklich hart zu überleben, aber meine zwei Töchter haben sich diese Welt ausgesucht und sind ihren eigenen Weg gegangen. Meine Frau und ich haben diese Entscheidung immer unterstützt und ich bin glücklich darüber, weil beide sehr selbstständig geworden sind.
Anna: Ich habe mich immer sehr frei gefühlt. Ich durfte immer machen, was ich mochte und das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Wichtig war aber auch schnell zu verstehen, dass Kunst, wie auch immer man sie definiert, nicht zwingend ein Einkommen garantiert. Wenn man also Kunst macht, dann muss es aus Passion und Leidenschaft passieren. Das war mir schon sehr früh klar. Wenn du ein Architekturstudium abschließt kannst du dir ziemlich sicher sein, einen guten Job zu kriegen und gut zu verdienen. Die Musik hat mich aber immer stärker fasziniert, ich hatte das selbst gar nicht unter Kontrolle. (lacht)
Kinder kämpfen für gewöhnlich immer gegen ihre Eltern an, du und deine Schwester Maria waren aber von klein auf mit Kunst konfrontiert und von Kultur umgeben. Diese Rebellion war bei euch also nie vorhanden?
Anna: Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder in eine Richtung drängen wollen, aber das war bei uns nie der Fall. Wir hatten alle Freiheiten der Welt.
Carl Michael: Es geht um den Zugang zu Kunst. Wir haben ihnen nie ein Buch in die Hand gedrückt, sondern ihnen gesagt, wo die Bibliothek ist. Wir haben ihnen gezeigt, wo das Klavier steht und wie ein Chor klingt oder wie man tanzt.
Anna: Wir waren extrem privilegiert, weil wir überall Zugang hatten. Es gab keine eiserne Hand, die uns wo hindrängte.
Carl Michael: Ich bin nicht der Meinung, dass der Kulturunterricht in Schulen gut ist. Er war es damals nicht und ist es heute nicht. Die Lehrer wissen oft nicht, was sie machen und sind viel zu traditionell, klassisch und langweilig ausgerichtet. Man muss keine Bibliothek oder 500 Platten daheim haben, aber man muss Kindern den Weg dorthin zeigen. Eltern müssen den Kindern Freiheiten geben und ihnen zeigen, wo sie etwas finden können. Man kann auch ehrlich sein und sagen, dass man vielleicht noch nie ein Buch gelesen hat, aber wichtig ist, dass man weiß, wo es Bücher gibt, falls mal doch einmal lesen möchte.
Anna: Auch wenn der Kulturunterricht in Schweden bei uns vielleicht nicht großartig war, hat unser Schulsystem auch Vorteile. Wir hatten gratis Ballettstunden, konnten uns kostenlos an Instrumenten ausprobieren und Musik machen. Meine Schwester und ich waren beim Ballett und haben Flöte gelernt, unabhängig voneinander. Zudem gab es in einem Privatinstitut noch die Möglichkeit Klavier zu spielen und die Tanzfertigkeiten zu verfeinern. Ich bin mit meiner Schule im Nachhinein sehr zufrieden. (lacht)
Carl Michael, deine Töchter befinden sich nun in verschiedenen Sparten des kulturellen Lebens. Kannst du etwas von ihnen lernen?
Carl Michael: Sie inspirieren mich. Als Elternteil bist du immer stolz auf deine Kinder. Egal, was sie machen. Anna macht Musik, Maria ihre Kunstfilme, beides ist großartig. Als ich das erste Mal bei einem professionellen Konzert von Anna war, war ich fast schockiert, wie gut sie wirklich war. Als Vater denkst du, dass deine Kinder schon toll sind, aber zu realisieren, wie großartig sie wirklich sind, war schon beeindruckend für mich. Meine Kinder treiben mich dazu an, mich immer weiter zu entwickeln. Vielleicht hätte ich ohne Anna nie mit Jónsi zusammengearbeitet, aber die Mädels geben mir manchmal die Sporen. Es ist ein bisschen wie ein Wettbewerb. Ich will meinen Kindern zeigen, dass ich gut bin und immer das Beste gebe. (lacht)
Anna: Es ist ein gesunder Wettbewerb. Es geht darum, wie viele Alben wir machen und wie viele Länder wir besucht haben. Bei den Alben führt er und wenn ich als Künstlerin wohin komme, wo mein Vater noch nie war, dann ziehe ich ihn auch mal damit auf. (lacht)
Carl Michael: Es ist lustig, weil oft jemand zu mir backstage kommt und mir sagt, dass er Anna kennt. Auch bei Anna ist immer irgendjemand da, der mich kennt. Das macht Spaß.
Anna: Manchmal wollen die Leute, dass ich seine Artworks unterzeichne. (lacht)
Spielt ihr euch eigentlich die musikalischen Ideen im Vorfeld gegenseitig vor? Gibt es da Unterhaltungen und Ratschläge, bevor etwas an die Öffentlichkeit gelangt?
Carl Michael: Niemals. Anna erlaubt mir auch gar nicht, etwas zu hören, bevor ich das Album selbst im Laden kaufen kann.
Anna: Musik zu erschaffen ist für mich etwas sehr Persönliches und Privates. Ich spiele überhaupt niemandem meine Musik vor außer den wenigen, die am Album aktiv mitarbeiten. Das habe ich noch nie anders gemacht.
Ist es dann nicht ungemein schwierig, all diese persönlichen Songs irgendwann live vor Publikum aufzuführen?
Anna: Beim ersten Mal ist das immer sehr schwierig für mich. Wenn das Album aber draußen ist und jeder die Möglichkeit hat es zu hören, dann gehört die Musik nicht mehr mir. Jeder kann sie absorbieren und seine eigenen Wahrheiten und Meinungen darin finden. Man teilt die Arbeit. Für mich gibt es eine klare Linie zwischen nicht veröffentlicht haben und veröffentlicht haben. Ich liebe es, wenn ein Album draußen ist, denn dann kann ich wieder atmen und weitergehen.
Habt ihr klare künstlerische Gemeinsamkeiten? Etwa die Tatsache, dass ihr den Menschen prinzipiell etwas gebt, mit dem im Vorhinein nicht zu rechnen ist?
Anna: Ich bin mit der Musik meines Vaters aufgewachsen, war auf seinen Konzerten und habe das alles tief verinnerlicht. Ich bin mir sicher, dass diese unbewussten Inspirationen seiner Kunst auch in meiner Musik zu hören sind. Es gibt Aspekte unserer Arbeit, die wir sicher gemeinsam haben, aber wir arbeiten in unseren Projekten sehr unterschiedlich.
Carl Michael: Ich habe so viele verschiedene Arten und Formen von Musik gemacht. Meine Kunst ist wahrscheinlich konzeptioneller und vieles davon würde ich gar nicht Musik nennen. Wir brauchen manchmal neue Begriffe um Dinge zu erklären, die da oft so passieren. Wir haben aber doch einiges gemeinsam. Manchmal suche ich die Schönheit in der Musik. Eine Art melancholische Schönheit und die hört man bei Anna sehr gut heraus.
Anna: Mir fällt etwas ein! Die Lautstärke. Bei uns beiden muss es eigentlich immer gewaltig dröhnen. (lacht)
Werdet ihr künftig direkt in einem Projekt zusammenarbeiten? Vielleicht ein Familienalbum auf eure Art und Weise aufnehmen?
Anna: Die Möglichkeit besteht immer, aber ich glaube das kann man nicht genau festlegen.
Carl Michael: So etwas müsste sich natürlich entwickeln, das können wir beide unmöglich planen. Wir könnten jederzeit zusammen auftreten, aber wir denken nicht aktiv daran. Es muss schon einen Grund haben. Wir haben in Stockholm einmal fast zusammengespielt. Zuerst war ich auf der Bühne, dann Anna. Anna hat dann quasi ohne Unterbrechung meinen Ton übernehmen, um in ihr Set zu starten. Das ist technisch gesehen kein gemeinsames Konzert, kommt dem Gedanken aber sehr nahe. In Baden spielten wir nur einen Tag auseinander.
Anna hat ihr neues Album, wie geht es bei Carl-Michael weiter?
Carl Michael: Bei mir passiert ohnehin immer etwas. Als nächstes arbeite ich mit einem amerikanischen Komponisten namens Chandra Shukla zusammen. Wir waren zusammen in Nepal und arbeiten an einer Kollaboration, deren Basis typisch nepalesische Musik ist. Das zweite Projekt, das wir danach in die Hand nehmen werden, begannen wir kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Wir waren in Bali, um einen Kurs in Gamelan-Musik zu machen. Das ist dann quasi der zweite Teil der Arbeit und alles zusammen ergibt das nächste große Gesamtprojekt.
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