Es sind „kleine Schritte“, aber noch lange keine Trendumkehr: Mit 4954 Neuinfektionen am Freitag ist die Zahl leicht rückläufig - in den Spitälern ist die dringend notwendige Entwicklung aber noch nicht angekommen.
„Die Zahlen sind nach wie vor dramatisch hoch“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag, „das halten wir nicht lange aus.“ Denn auch wenn sich der harte Lockdown langsam positiv auf die Neuinfektionen auswirke - in den Krankenhäusern sei dieser Trend noch nicht angekommen. Vielmehr „ist das System bis an die Grenzen belastet“, wie der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss sagte. Mehr als 700 der rund 2000 Intensivbetten in Österreich seien belegt, der Zuwachs auf den Intensivstationen nach wie vor „dramatisch“, erklärte Klaus Markstaller, Präsident der Intensivmedizin-Fachgesellschaft ÖGARI.
„Es muss viel stärker nach unten gehen“
„Es muss in den nächsten Tagen viel stärker nach unten gehen“, betonte der Gesundheitsminister. Jeder sollte sich fragen: „Was brauchen wir an Kontakten, und was ist vermeidbar?“ Denn die Influenza-Welle stehe erst bevor, und in den Spitälern werde „dringend Entlastung gebraucht“. Zumal planbare Operationen, die verschoben wurden, nachgeholt werden müssen, wie Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum Linz, berichtet.
Ältester Intensivpatient am AKH Wien 68 Jahre
Wie ernstzunehmen das Coronavirus für alle Menschen ist, zeigt der Blick auf die Intensivstationen: Dort befinden sich derzeit hauptsächlich jüngere, berufstätige Patienten, wie Markstaller erklärte. Es handle sich um 50- bis 60-Jährige, berichtete er aus dem AKH Wien. Dort sei der älteste Intensivpatient derzeit 68 Jahre alt, die jüngste Patientin 19. „Covid-19 ist bei manchen Menschen eine wirklich schwere Erkrankung“, betonte der Intensivmediziner einmal mehr.
Das zeigen auch die Zahlen: Alleine in den vergangenen 24 Stunden starben 113 Menschen an den Folgen des Coronavirus. Damit steigt die Übersterblichkeit in der zweiten Covid-Welle deutlich an, wie Zahlen der Statistik Austria belegen. Alleine in der Woche von 9. bis 15. November starben 2286 Menschen, 417 davon waren mit Corona infiziert. In der Folgewoche starben 469 Menschen an Covid-19.
Hohe Übersterblichkeit: Kratzen an Rekordwerten
2286 Todesopfer in einer Woche - das ist der höchste Wert seit 20 Jahren. Höher waren die Werte zuletzt nur in den ersten beiden Kalenderwochen 2017, damals führte eine besonders starke Grippewelle zu einem deutlichen Anstieg von Todesfällen. Allerdings: Auch heuer ist man von diesen Rekordwerten - 2292 und 2340 Todesopfer -, trotz Ausgangsbeschränkungen seit November, nicht mehr weit entfernt.
Das europäische Mortalitätsmonitoring attestiert Österreich mit täglich neun Covid-Toten pro Million Einwohnern deshalb seit Ausbruch der Pandemie eine „hohe Übersterblichkeit“. In Deutschland ist diese mit drei Toten pro Tag und Million Einwohner niedriger.
Der leichte Rückgang entspricht in etwa den Erwartungen. Bei den hohen Zahlen war klar, dass es länger dauern wird, bis der Lockdown wirkt.
Simulationsforscher Niki Popper
„Massentests werden keine Wunder bringen“
Umso wichtiger ist es laut Simulationsforscher Niki Popper, die Zeit nach Ende des Lockdowns im Auge zu behalten. „Wir müssen uns fragen, welchen Wert wollen wir und wie können wir ihn halten?“, betont er. Die Massentests seien kein „Allheilmittel“. Man könne das Beste daraus machen, etwa die Infrastrukturen erhalten, um im Fall regionaler Ausbrüche sofort testen zu können, doch „Wunder darf man sich davon nicht erwarten“.
Anna Haselwanter, Kronen Zeitung
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