Wintertourismus, Wirtschaftsmotor - Weltbild. In Europa wird über das Skifahren gestritten, in Österreich geht das nicht ohne Emotionen. Doch was bringt das Aufsperren der Pisten, wenn dann keiner kommt?
Der Wintertourismus hat in Österreich einen riesigen wirtschaftlichen Stellenwert (siehe Grafiken), Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Existenzen hängen an den beiden „Bretteln“ und dem Drumherum. Die Debatte ist emotional. „Wir lassen uns von Deutschland das Skifahren nicht verbieten“, erklärte Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Es ist die Antwort auf die Spitzen der Nachbarn. „Ischgl ist nicht vergessen“, bekräftigte dort Ministerpräsident Markus Söder und beendete den Tagestourismus. Auch Italien will Quarantäne für Österreich-Urlauber.
Dabei, so sagt es Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), verbreite sich das Virus nicht auf den Pisten - und Après-Ski gibt es diese Saison nicht. Es ist dieselbe Ministerin, die im Frühjahr noch das Schließen der Bundesgärten damit rechtfertigte, dass die „Gefahr auch draußen lauert“.
„Weihnachten lässt sich nicht verschieben“
Aber Seilbahner und Touristiker seien gerüstet, haben Sicherheitskonzepte parat. „Doch was es jetzt dringend braucht, ist Klarheit betreffend einer Wiedereröffnung, denn Weihnachten lässt sich nicht verschieben“, so WKÖ-Branchensprecherin Susanne Kraus-Winkler. Wenn es die Infektionszahlen zulassen, will man also aufsperren, so der Tenor. Doch wie sinnvoll sind geöffnete Pisten bei geschlossenen Grenzen?
In den westlichen Bundesländern ist der Ausländeranteil in der Wintersaison bei über 90 Prozent, wie Oliver Fritz vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) weiß. In Tirol etwa fällt jede zweite Nächtigung auf einen deutschen Gast – „die Inländer können das nicht retten“, sagt Fritz und bezweifelt, dass es sich rentiere, aufzusperren. Seilbahnen haben hohe Fixkosten, „nur zu zeigen, dass man da ist, wird ein teurer Spaß“. Platter aber gehe es nicht nur um den Tourismus, sondern um die Einheimischen, die über Weihnachten Ski fahren wollen.
Wirtschaftlich wäre es wohl dennoch vernünftiger, über die Feiertage zuzulassen und sich in Ruhe auf einen späteren Saisonstart vorzubereiten, sagt Fritz. Zumal immer die Gefahr bestehe, dass sich Cluster bilden, was sich negativ auf den Rest der Saison auswirken könnte. Denn auch wenn Konzepte noch so gut seien – es brauche die Eigenverantwortung der Menschen.
„Viele schwere Unfälle wären fatal“
Eigenverantwortung – das ist auch das Stichwort des Infektiologen Günter Weiss. Die brauche es nämlich nicht nur hinsichtlich der Corona-Regeln, sondern auch auf den Pisten. „Die Lage in den Spitälern ist angespannt, es wäre fatal, wenn viele schwere Unfälle hinzukommen.“
Wie hoch das Infektionsrisiko in den Liftanlagen nun tatsächlich ist, sei schwer abzuschätzen, so Weiss. Eben wegen der – richtig – Eigenverantwortung. Der Mediziner glaubt aber, es wäre möglich aufzusperren. Wenn die Einhaltung der Regeln kontrolliert wird – und am besten „auch auf den Pisten geschaut wird –, ob die Menschen vernünftig fahren, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.“ Bewegung an der frischen Luft sei gut für Psyche und Immunsystem.
Indes reiht sich auch Belgien in jene Länder ein, die ein europaweites Skiverbot wollen. Tschechien und Slowenien wollen öffnen, und in der Schweiz, da wird schon Ski gefahren – und um Merkel geworben: „Bei uns sind Sie sicher“, so der Ruf aus dem Engadin. Es dürfte spannend bleiben.
Anna Haselwanter, Kronen Zeitung
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