Es begann auf Instagram. Die angebliche Vertreterin einer Model-Agentur machte der 17-jährigen Kelly, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, ein Angebot für ein Shooting. Kelly fühlte sich geschmeichelt, willigte ein, reiste zum vereinbarten Treffpunkt im Zentrum von London. Dort wartete jedoch kein Model-Job auf die junge Britin, sondern eine versuchte Gruppenvergewaltigung.
Im Gespräch mit der BBC berichtet die junge Frau von ihrem traumatischen Erlebnis: In der Wohnung in London wartete nicht etwa die falsche Model-Agentin, sondern ein Unbekannter. Er stellte sich als Manager vor, nahm die Minderjährige mit in einen Raum. „Dann zwang er sich mir auf“, sagt Kelly. Eine halbe Stunde später kam die Frau, die sie auf Instagram geködert hatte. Sie hatte Kondome dabei. „Mir war klar, dass sie es gemeinsam geplant hatten“, erzählt Kelly.
Für mich war es offensichtlich, dass sie geplant hatten, dass andere Männer kommen würden und eine Gruppenvergewaltigung drohte.
Kelly, Cyber-Grooming-Opfer
Doch das Martyrium der jungen Frau war noch nicht zu Ende. „Ich hörte die Frau mit anderen Männern telefonieren. Sie sagte ihnen, ich sei da. Für mich war es offensichtlich, dass sie geplant hatten, dass andere Männer kommen würden und eine Gruppenvergewaltigung drohte.“ Kelly gelang es, sich unter einem Vorwand auf das WC eines nahen Cafés zu flüchten und die Polizei zu rufen. „Ich dachte, ich gehe zu einem Model-Job. Stattdessen hat man mich in eine Gruppenvergewaltigungsfalle gelockt.“
Wachsendes Problem „Cyber-Grooming“
Der Fall der 17-Jährigen führt drastisch vor Augen, welche Gefahren in sozialen Medien wie Instagram auf junge Frauen und Mädchen im Teenager-Alter lauern. „Cyber-Grooming“ nennt die Polizei Versuche der Kontaktaufnahme, bei denen Missbrauchstäter ihren minderjährigen Opfern explizites Bildmaterial herausmanipulieren oder sie - wie bei Kelly - in eine reale Falle locken. Solche Fälle sind nicht selten: Allein zwischen April und Juni wurden der britischen Polizei 1200 solche Vorfälle gemeldet.
Das Material, das beim „Cyber-Grooming“ entweder aus dem Opfer herausmanipuliert oder beim realen Missbrauch produziert wird, wird millionenfach heruntergeladen. Die NGO Internet Watch Foundation meldet, allein in der Zeit des Lockdowns von April bis Juni in Großbritannien 8,8 Millionen versuchte Zugriffe auf einschlägiges Material blockiert zu haben. Bei der National Society for the Prevention of Cruelty to Children (NSPCC) geht man davon aus, dass Corona-Pandemie und Lockdown, die viele Aktivitäten ins Netz verlagert haben, das Problem noch verschärft haben.
96 Prozent der Kindesmissbrauchs-Inhalte werden entfernt, noch bevor sie uns gemeldet werden.
Facebook-Statement
Beim Instagram-Betreiber Facebook beteuert man, sexueller Belästigung junger Nutzer mit allen Mitteln entgegenzutreten. „Wir erlauben das nicht auf unseren Plattformen und arbeiten eng mit Behörden und Experten für den Kinderschutz zusammen, um die Sicherheit der User zu gewährleisten“, so Facebook. Man setze im Kampf gegen illegale Inhalte auch auf Künstliche Intelligenz. „96 Prozent der Kindesmissbrauchs-Inhalte werden entfernt, noch bevor sie uns gemeldet werden.“
Opfer fordert mehr Engagement von Facebook
Mared Parry, ein weiteres Opfer, wünscht sich von Facebook indes mehr Engagement. Die Londonerin wurde mit 14 Opfer von Cyber-Grooming: Sie hatte sich mit älteren Burschen angefreundet, die sie unter Druck setzten. „Das eine führte zum anderen und es wurde immer finsterer, ohne dass ich es gemerkt hätte. Sie fragten nach Fotos oder dass ich dreckig mit ihnen rede. Sie sagten mir, das sei, was erwachsene Mädchen in ihrem Alter täten. Und ich wollte mithalten können.“
Facebook sei ihr keine Hilfe gewesen. „Es gibt keinen Bereich für sexuelle Belästigung bei Instagram. Es gibt Bereiche für Nacktheit, Hassrede, Mobbing. Aber es gibt nichts, was man anklicken kann, wenn eine Person einen sexuell belästigt oder dreckiges Sex-Zeug mit Minderjährigen macht.“ Facebook hält entgegen, dass man ein Team von 35.000 Mitarbeitern habe, das gemeldete Vorfälle überprüfe und die Plattform sicher halte.
Kindesmissbrauch ist eine unbequeme Wahrheit für Tech-Bosse, die daran gescheitert sind, ihre Seiten sicher zu machen und Straftätern die Möglichkeit geben, sie als Spielplatz zu betrachten, auf dem sie Kindern nachstellen können.
NSPCC-Chef Peter Wanless
Kinderrechts-NGOs gehen solche Bekenntnisse nicht weit genug. Sie fordern von der britischen Regierung ein Gesetz, das bei Missbrauchsvorfällen die Plattformbetreiber in die Pflicht nimmt. NSPCC-Chef Peter Wanless: „Kindesmissbrauch ist eine unbequeme Wahrheit für Tech-Bosse, die daran gescheitert sind, ihre Seiten sicher zu machen und Straftätern die Möglichkeit geben, sie als Spielplatz zu betrachten, auf dem sie Kindern nachstellen können.“ Es sei an der Zeit, eine Aufsicht ins Leben zu rufen, die über die Fähigkeit verfüge, solches Verhalten zu sanktionieren.
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