Salzburger Festspiele

Lars Eidinger wird der neue „Jedermann“

Adabei
04.12.2020 11:15

Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger folgt 2021 Tobias Moretti als „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen nach. Es ist das erste Mal seit 2001, dass kein Österreicher die Rolle des reichen Mannes spielt. Von 1999 bis 2001 wurde dieser von Ulrich Tukur verkörpert. Die Salzburgerin Verena Altenberger wird die neue Buhlschaft.

Neben den beiden so bekannten Rollen krempeln die Festspiele im kommenden Jahr auch das übrige Ensemble des „Jedermann“ gehörig um. So übernimmt Edith Clever, die zuletzt vier Jahre Jedermanns Mutter gespielt hatte, von Peter Lohmeyer kommenden Sommer die Rolle des Tod. Clever spielte wie Eidinger  viele Jahre an der Berliner Schaubühne. Neue Mutter des Titelhelden wird Angela Winkler. Mavie Hörbiger, die „Werke“ der vergangenen vier Jahren, wird im kommenden Sommer als Teufel zu sehen sein, der damit zum ersten Mal weiblich wird.

„Jedermann“ wird „neues Leben“ eingehaucht
Der 44-jährige Lars Eidinger spielte unter anderem in dem Film „Alle anderen“ an der Seite von Birgit Minichmayr. Er gilt als einer der besten Schauspieler Deutschlands. Seit 2017 ist er bei der TV-Serie „Babylon Berlin“ dabei. Zuletzt war er in dem umstrittenen Fernsehfilm „Gott“ von Ferdinand von Schirach zu sehen. Mit seiner Ehefrau Ulrike, einer Opernsängerin, hat er eine 14-jährige Tochter.  Als Star des Berliner Schaubühnen-Ensembles war er Hamlet, Richard III. und Peer Gynt.

Der Rolle des „Jedermann“ werde er „ein ganz neues Leben einhauchen“, hieß es. Er sei „ein unglaublich vielschichtiger Künstler“, rühmte man Eidinger seitens der Festspiele. „Seine große Qualität liegt in der Erarbeitung von äußerst komplexen Figuren: Sie sind direkt, radikal, liebenswürdig, charmant, verführerisch gewinnend und bohren sich in unser Bewusstsein und ins Unbewusste, sodass sie uns dauerhaft begleiten.“ Gleichzeitig ist der ebenso charismatische wie eigenwillige Schauspieler wie geschaffen für die „Jedermann“-Bühne, die nicht nur die große Geste, sondern auch eine Übung im Umgang mit medialer Aufmerksamkeit verlangt: Im Zentrum zu stehen ist er gewohnt. Gleichzeitig ist er als Musiker, Fotograf oder als DJ künstlerisch vielseitig unterwegs.

Lars Eidinger im Jahr 2015 (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Lars Eidinger im Jahr 2015

„Lebenstraum“ erfüllt sich
Lars Eidinger wurde am 21. Jänner 1976 im Westteil Berlins geboren und studierte an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. In seiner Schauspielklasse waren damals auch Nina Hoss, Devid Striesow und Fritzi Haberlandt. 1999 kam Eidinger als festes Ensemblemitglied an die Berliner Schaubühne - wo er bis heute engagiert ist. Legendär wurden sein Richard III. und sein Hamlet, den er bereits über 350 Mal gezeigt hat, Gastspiele in Moskau, Paris, Jerusalem und Istanbul inklusive. Der 165 Minuten lange und ohne Pause gespielte Abend habe „etwas Euphorisches und Rauschhaftes“, erklärte der Schauspieler. „Deshalb arbeite ich wahrscheinlich auch so viel. Das ist wie eine Droge.“ 2011 gab er in William Shakespeares „Maß für Maß“ sein Debüt bei den Salzburger Festspielen.

Sein Durchbruch auf der Kinoleinwand gelang Eidinger mit Maren Ades Beziehungsdrama „Alle anderen“ 2008 an der Seite von Birgit Minichmayr. Seine Filmografie ist seither lange und vielfältig. „Tatort“-Rollen sind ebenso darunter wie Filme mit Peter Greenaway („Goltzius & The Pelican Company“), Olivier Assayas („Personal Shopper“ mit Kristen Stewart), Lars Kraume („Terror“ u.a.) und Tim Burton („Dumbo“). Er spielte in „Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm“ (2017) ebenso wie in den „Persischstunden“ von Vadim Perelmann (2018) und in der Fernsehserie „Babylon Berlin“. In Russland stand er für Aleksey Uchitels Drama „Matilda“ als Zar Nikolaus II. vor der Kamera. In der BBC-Thrillerserie „SS-GB“ über die fiktive Besetzung Großbritanniens durch Hitlers Schergen spielt er einen Nazi.

2018 erhielt er den Österreichischen Filmpreis als „Bester männlicher Darsteller“ in „Die Blumen von gestern“, heuer den Bayerischen Filmpreis als „Bester Darsteller“ in „25 km/h“. Sein Film „Schwesterlein“ (von Stephanie Chuat und Veronique Reymond) ist heuer der Schweizer Beitrag für den Auslands-Oscar. Zuletzt war er in „Gott von Ferdinand von Schirach“ im deutschen Fernsehen zu sehen.

„Ich hatte insgeheim immer gehofft, irgendwann für die Rolle des Jedermann angefragt zu werden, - und die Tatsache, dass ich mich damit nun in die Ahnengalerie der größten deutschsprachigen Theaterschauspieler einreihe, ist eine große Ehre, die mir zuteilwird. Ich bin dafür sehr dankbar. Es ist ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht“, wird Eidinger heute von den Salzburger Festspielen zu seiner neuen Herausforderung zitiert. Bei seiner Interpretation der Rolle komme ihm eine Erkenntnis zu Hilfe, die er bei „Brechts Dreigroschenfilm“ gewonnen habe, nämlich, "dass die Räuber laut Brecht keinem romantisch verklärten Bild einer Gangsterbande entsprechen dürfen, sondern die Bürger selbst sind. Wir sind die Räuber. Jedermann. Diese Herangehensweise fordert mich heraus.

Echte Salzburger Buhlschaft
Die österreichische Schauspielerin Verena Altenberger (33) war von 2013 bis 2018 in der Serie „CopStories“ zu sehen. In dem Tom-Cruise-Film „Mission: Impossible - Rogue Nation“ hatte sie 2014 einen kurzen Auftritt als Assistentin des Wiener Staatsoperndirektors.  Mit Altenberger spielt eine echte Salzburgerin die Buhlschaft. Sie habe sogleich „Ja“ gesagt, als sie gefragt wurde. Ein „Kindheitstraum“ habe sich damit für sie erfüllt. 

Geboren wurde Verena Altenberger am 11. November 1987 in Schwarzach im Pongau. In Wien studierte sie Schauspiel und Kommunikationswissenschaft, wobei die mehrsprachige Mimin - ihre Website listet neben Deutsch und Englisch etwa Italienisch, Französisch, Spanisch, Türkisch und Jiddisch auf - zuvor noch eine äußerst sportliche Seite auslebte. In ihrer Jugend war Altenberger als Kunstturnerin aktiv, später auch als Tänzerin.

Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie unter anderem an Burg- und Volkstheater, bevor dann der Wechsel vor die Kamera folgte, der ihr Leben in den vergangenen Jahren maßgeblich prägte. Der Durchbruch gelang der heute 33-Jährigen in der RTL-Sitcom „Magda macht das schon“, in der sie als polnische Altenpflegerin ziemlich schlagfertig den Alltag der Familie Holtkamp auf den Kopf stellt. Vier Staffeln wurden bisher produziert.

Die ganz große Kinobühne betrat Altenberger gemeinsam mit einem Salzburger Kollegen, dem Regisseur Adrian Goiginger: Sein Debütfilm "Die beste aller Welten", in dem Goiginger seine eigene Kindheit mit einer drogenabhängigen Mutter behandelte, war 2017 ein Riesenerfolg und heimste etliche Preise ein. So auch Altenberger, die für ihre intensive Darstellung der Mutter etwa den Österreichischen Filmpreis erhielt. "Ich hatte das Glück, mit ,Magda macht das schon‘ und ‘Die beste aller Welten‘ Rollen zu bekommen, mit denen ich mich beweisen konnte", hielt die Schauspielerin später in einem APA-Interview fest. "Das ist eine Chance, auf die man wartet. Ich sage mal: Das Glück trifft die Vorbereitete - aber nichtsdestotrotz braucht man dieses letzte Quantum Glück dann auch."

Verena Altenberger (Bild: Chris Singer)
Verena Altenberger

Genutzt hat sie dieses Glück in jedem Fall, folgten seitdem doch etliche Rollen wie in David Schalkos „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ (hier drehte sie bereits mit Eidinger), dem Geschichtsdrama „Das Wunder von Wörgl“ an der Seite von Karl Markovics oder zuletzt der von Wolfgang Murnberger inszenierten Komödie „Schönes Schlamassel“, die erst vorgestern ihre ORF-Premiere feierte. Aber in auch Fernsehdauerbrennern wie dem „Tatort“ oder Reihe „Landkrimi“ war Altenberger bereits zu sehen. Seit dem Vorjahr ist sie zudem fixe Ermittlerin im Münchner „Polizeiruf“.

Und nun der Sprung zu den Salzburger Festspielen als Buhlschaft - eine Rolle mit viel Aufmerksamkeit, aber nur wenig Text. „Mir ist das herzlich egal, ob eine Rolle stundenlang an der Rampe monologisiert, ob sie zwei Minuten auf einem Bildschirm auftaucht oder einen epochalen Kinofilm trägt“, wird Altenberger dazu von den Festspielen zitiert. „Durch intensive Vorbereitung und durch Einfühlen werde ich zur Expertin für eine Rolle, sie wird mein absoluter Mittelpunkt.“

Lars Eidinger und Verena Altenberger bei einem Fototermin zu den Dreharbeiten „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien (Bild: Starpix / picturedesk.com)
Lars Eidinger und Verena Altenberger bei einem Fototermin zu den Dreharbeiten „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien

„Kindheitstraum von mir“
Überlegen habe sie jedenfalls nicht müssen, ob sie diese Anfrage annehmen soll. „Die Buhlschaft zu spielen und damit auch den magischen Festspielsommer in Salzburg direkt in dessen Epizentrum zu erleben, ist ein Kindheitstraum von mir“, so Altenberger. „Und der geht jetzt in Erfüllung - das macht einen großen Teil des Reizes für mich aus.“ Allen voran interessiere sie „das emanzipatorische Erwachen dieser jungen Frau“, wobei es natürlich auch um das Machtgefälle zwischen Jedermann und Buhlschaft gehe. „Und natürlich assoziiere ich auch die Erotik und die Verführung mit der Buhle, aber ich lese sie womöglich etwas anders.“

Auf die Zusammenarbeit mit „ihrem“ Jedermann Lars Eidinger freue sie sich schon sehr. „Er ist ein Kollege, der viel Energie gibt und der ganz offen auf das Spiel eingeht. Ich freue mich auf die Probenzeit - bei unserem gemeinsamen Dreh hatten wir natürlich viel weniger Zeit, um zusammen etwas zu erfinden, diesen gemeinsamen Proben-‘Luxus‘ gibt es nur am Theater.“ Bis es losgeht, werde sie jedenfalls viele ältere Aufzeichnungen anschauen. „Der ‘Jedermann‘ ist für mich ein Stück, das gerade in Salzburg mit der Stadt und ihren Menschen verwoben ist. Das Stück ist ein Teil der Salzburger DNA und insofern nicht wegzudenken.“

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(Bild: kmm)



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