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KW 49 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
05.12.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

Ad Infinitum - Chapter I Revisited (Akustik)
Je näher die besinnliche Weihnachtszeit rückt, umso eher finden auch scheinbar wilde Schergen ihre Liebe zum Gemütlichen und Entrückten. So etwa auch das Schweizer Gothic-Metal-Kollektiv, das erst vor einem halben Jahr mit seinem luftleeren Debütalbum „Chapter I: Monarchy“ langweilte. Weil Kreativität heute allzu oft unnötiger Auffettung verwechselt wird, legen unsere Landesnachbarn selbiges Album jetzt noch einmal - rein zum Download - als reine Akustikversion nach, um den Menschen „in dieser so schwierigen Zeit ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk zu bereiten. Ja eh. Wobei man zumindest sagen muss, dass Melissa Bonnys Stimme im Unplugged-Gewand weitaus besser zur Geltung kommt und ihr großes Talent viel deutlicher feilbietet. Wer’s braucht. Ohne Bewertung

Tori Amos - Christmastide EP
Die große Tori Amos ist nicht umsonst eine derart herausragende Persönlichkeit im Musikgeschäft, denn sie zeigt uns selbst zu Weihnachten, dass man das Fest musikalisch sehr wohl innovativ und spannend begehen kann. Die 4-Track-EP “Christmastide„ ist zudem das erste neue musikalische Lebenszeichen seit dem 2017er Rundling “Native Invader„, aber dazwischen hatte sie auch mit ihrer Biografie zu tun. Aufgenommen wurden die vier neuen Songs mit Bassist Jon Evans und Drummer Matt Chamberlain, der zuletzt auch die Alben von Bob Dylan und Perfume Genius veredelte. So ist ein Song wie da betörende “Better Angels„ auch mehr eine Ode an Hoffnung und Durchhaltevermögen, als ein Weihnachtssong und selbst Tracks wie “Christmastide„ oder “Circle Of Seasons„ gehen sehr unpeinlich durch die Zielgerade. Auf Tori ist eben immer Verlass. Ohne Bewertung

Arctic Monkeys - Live At The Royal Albert Hall
Streng waren die Arctic Monkeys bei ihrem neuen Livealbum. Journalisten wurde keinen Tag zu früh Zugang zum Material aus dem Jahr 2018 gewährt, das zu Beginn der damals stattgefundenen “Tranquility Base Hotel & Casino„-Tour aufgenommen wurde und jetzt mit einem schönen Hintergrund veröffentlicht wird. Alle Einnahmen kommen der Organisation “War Child UK„ zugute, die durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr bis zu zwei Millionen Pfund weniger Spendengelder erhalten haben als üblich. Auch wenn Alex Turner und Co. gewiss nicht am Hungertuch nagen eine sehr nette und soziale Geste, die keinesfalls selbstverständlich ist. Der Gig selbst in der “Royal Albert Hall„ war natürlich für die Band selbst ein großes Karrierehighlight und kann die feine Atmosphäre auch aufgenommen gut vermitteln. Es wird wirklich wieder Zeit für Liveshows… Ohne Bewertung

Avatarium - An Evening With Avatarium
Als die schwedische Progressive-Metal-Band Avatarium vergangenen Jänner ein Konzert im altehrwürdigen Nalen in Stockholm zum Besten gab, konnte die Band noch nicht mit dem Coronavirus rechnen. Eigentlich hatte man das fast eineinhalbstündige Vergnügen als opulente Veröffentlichung geplant, ob der prekären Situation mit Liveverbot erscheint “An Evening With Avatarium„ nun aber als verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Einmal mehr hervorragend ist die Performance von Frontfrau Jennie-Ann Smith, die über die letzten Jahre hörbar an Selbstsicherheit gewann und ihren Teil der Show mittlerweile durchaus als absolut tragend bezeichnen darf. Dazwischen gibt es viel 70er-Hammondorgel, starke Kompositionen und so manch angelehnte Momente. Dezidiert kein Weihnachtsalbum und schon deshalb sehr gut gelungen. Ohne Bewertung

Bastille - Goosebumps EP
Fast hätten die Briten Bastille ihr zehnjähriges Bandjubiläum still und heimlich vorbeiziehen lassen, doch jetzt, wo das Jahr in seinen (gottseidank!) letzten Zügen liegt, zelebrieren sich Dan Smith und Co. zumindest noch mit drei neuen Songs und zwei Session-Tracks, die man unter eine knapp 15-minütige EP namens “Goosebumps„ zusammengefasst hat. Wer sich bei der schon lange maßlos überschätzten Band eine Rückbesinnung auf alte “Pompeii„-Tage erhofft hat, wird schon beim Titeltrack enttäuscht und auch “Survivin‘„ fühlt sich im zwanglosen Bubblegum-Pop wohler als im kantigen Indie-Rock, der Bastille vor vielen Jahren als Unterlage diente. Auf “What You Gonna Do???„ ist gar Blur-Legende Graham Coxon zu hören - weiß der Teufel, was ihn dazu getrieben hat. Simpler und herzloser wird’s im Pop heuer nicht mehr… Ohne Bewertung

The Bates - Unfucked Live
Manchmal kann man sich in der an und für sich eher semikreativen Vorweihnachtszeit die Zeit doch noch mit ein paar wirklich feinen Perlen versüßen. Dazu zählt auf jeden Fall dieses Produkt der legendären Deutschpunker The Bates, die Zeit ihrer Karriere mehr als eine Million Alben verkauften, deren exzentrischer Sänger Markus “Zimbl„ Zimmer 2006 aber viel zu früh im Alter von 41 an Drogen und Alkohol verstarb. Der hier vorliegende Live-Mitschnitt stammt aus Göttingen 1992 und hat damit wirklich absoluten Kultstatus. Schon das Intro mit dem Mitschnitt der empörten und hörbar überforderten Veranstalterin ist sensationell, Songs wie “Good Friends„, “No More„, das Neil Diamond-Cover “Beautiful Noise„ oder ein verrücktes Beatles-Cover von “Yesterday„ klingen auch knapp 30 Jahre später noch kurzweilig und lustig. The Bates - unvergessen! Ohne Bewertung

Blackfield - For The Music
Als die Single “Summer’s Gone„ vor gut zwei Monaten veröffentlicht wurde, war sich das Plattenlabel nicht zu schade, Vergleiche mit Größen wie Arcade Fire, Suede oder die Shout Out Louds zu ziehen, was natürlich hanebüchener Unfug war. Überhaupt wird Blackfield anno 2020 völlig an die Durchschnittlichkeit verloren, was vielleicht daran liegen mag, dass der israelische Musiker Aviv Geffen sich schon vor längerer Zeit vom britischen Prog-Aficionado Steven Wilson getrennt hat. “For The Music„ klingt zwar am Reißbrett nach einer Liebeserklärung an all die wunderschönen Klänge dieser Welt, langweilt aber mit Mainstream-Geklimpere, das weder mit dem Terminus Progressive, noch mit einer zwingenden Kompositionsfähigkeit etwas zu tun hat. Vom Art-Rock der frühen Tage ist nichts mehr übriggeblieben und langjährige Fans werden sich bibbernd abwenden. Blutleer und völlig innovationslos. 4/10 Kronen

Blackmore’s Night - Here We Come A-Caroling EP
Langjährige Fans des ehemaligen Deep Purple-Weltgitarristen Ritchie Blackmore wissen, dass er mitsamt seiner Ehefrau Candace schon seit geraumer Zeit in eine besondere Welt der Traditionen und Folklore abgetaucht ist. Während sein einstiges Hard-Rock-Flaggschiff diesen Sommer ein durchaus feines Album in den Äther schoss, legt Blackmore 2021 nach - so viel sei versprochen. Als ersten Appetizer erfreut er seine Fans mit einer 4-Track-Weihnachts-EP namens “Here We Come A-Caroling„, die natürlich etwas tiefer gräbt und lieber auf althergebrachte Waisen setzt und sich nicht durch die Hitparade der üblichen Weihnachtsnummern covert. Flöte und Schellen dürfen nicht fehlen, doch gerade das leidlich totgespielte “Silent Night„ hätte es neben den drei anderen Songs wirklich nicht mehr gebraucht. Sei’s drum… Ohne Bewertung

Dawnwalker - Ages
Der Geist des Progressive Rock war in England schon immer besonders ausgeprägt und wurzelt längst auch auf die dortige Metalszene aus. Natürlich hat man es hier mit keinen neuen Pink Floyd zu tun, aber die Londoner Dawnwalker sind in ihren Kompositionen eindeutig von den großen Hirnen der eigenen Landeshistorie inspiriert. “Ages„, das vierte Album von Mark Norgate und Co., geht mit zwei neuen Bandmitgliedern einher und hat daher auch eine etwas andere Farbe als seine Vorgänger. Die oft überlangen Songs pendeln zwischen Post-Rock, Doom Metal und partiellen Black-Metal-Referenzen hin und her und leben vorwiegend von ihrer dunklen, aber niemals zu sinistren Atmosphäre. Wer sich gerne in einen Mahlstrom hypnotischer Musikalität ziehen lässt, der wird mit “Ages„ garantiert glücklich. 7/10 Kronen

Deafheaven - 10 Years Gone Live
Man muss sie nicht mögen, aber die von Puristen so oft als “Black-Metal-Hipster„ verklärten Deafheaven haben nicht nur frischen Wind in eine verstaube Szene gebracht, sondern den Black Metal wie wir ihn kennen auch ein Stück weit revolutioniert. George Clarke und Co. sind mittlerweile zehn Jahre unterwegs und feiern dieses Jubiläum (noch) nicht mit einem neuen Studioalbum, aber zumindest mit einem wertigen Live-Manifest. So konnte man trotz abgesagter 2020-Tour im Studio mit Jack Shirley noch einmal an Preziosen aus der Vergangenheit schrauben, etwa dem famosen “Daedalus„, dem allerersten Song der Band überhaupt. Die Innovation und Durchschlagskraft von Songs wie “Glint„, “From The Kettle Onto The Coil„ oder “The Pecan Tree„ ist unverändert eindrucksvoll. Ein schöner Appetizer auf ein hoffentlich wertiges neues Album. Ohne Bewertung

Russell Dickerson - Southern Symphony
Weichgespülter Country mit Mainstreampop-Versatzstücken ist in den USA ein Garant für hohe Chartplatzierungen. Dem 33-jährigen Russell Dickerson aus der endlosen Hit-Schmiede Nashville gelang zu Jahresbeginn mit “Love You Like I Used To„ die vierte Nummer-eins-Single hintereinander, mit dem dazugehörigen Album “Southern Symphony„ geht er ganz spät im Jahr noch einmal so richtig in die Vollen. Zwischen herzzerreißenden Balladen, Up-Tempo-Country-Rockern und vielen, viel zu kitschig ausgefallenen Songs zieht Dickerson alle Register seines Könnens, hat dabei aber die Überraschungskraft eines linearen Fernsehprogramms. Ein zweifellos gutes, schmerzloses Album, das aber doch sehr an seiner Beliebigkeit krankt. Da fehlt eindeutig der Mut zur Selbstständigkeit. 5,5/10 Kronen

Donots - Birthday Slams Live 
Es ist schön zu sehen, wenn sich manche Musiker das eigene Fansein für alle Ewigkeit behalten. So etwa auch die Punk-Rocker der Donots, die unlängst Post mit den neuen Veröffentlichungen der Ärzte und der Toten Hosen bekamen und sich gar nicht mehr einkriegten vor Freude - dabei sind sie selbst seit fast schon 30 Jahren nicht aus dem politisch aktiven Genreeck in Deutschland wegzudenken. Im April 2019 feierte man daheim jedenfalls den 25. Geburtstag, von der zu dieser Zeit stattfindenden “Grand Summer Slam„-Tour gibt es nun einen wertigen Mitschnitt namens “Birthday Slams Live„, der gleichzeitig das erste Live-Tondokument des Quintetts darstellt. Klassiker und Fan-Lieblinge quer durch die Diskografie, Gastauftritte von Musikern von den Toten Hosen, den Broilers oder der Antilopen Gang. Hier wird wirklich alles aufgefahren und jeder glücklich zurückgelassen. Sehr gelungene Sache! Ohne Bewertung

Fee. - Nachtluft
Fee. mit Punkt - man will schließlich doch noch irgendwie auf Google gefunden werden und das könnte die Chancen noch ein bisschen steigern. Eigentlich schade, dass der Online-Algorithmus oft über Wohl und Wehe von künstlerischem Erfolg entscheidet, andererseits muss man sich ja auch nicht so nennen. Die Frankfurterin weiß auf “Nachtluft„ mit ihrem deutschsprachigen, von schönen Pianoklängen angetriebenen Singer/Songwritertum durchaus zu überzeugen und muss sich weder textlich noch musikalisch vor der Konkurrenz fürchten. Zwischen den leichtfüßigen und manchmal auch etwas schwermütigeren Texten über das Leben und die Erfahrungen, die man darin macht, dürfen manchmal auch die Bläser tönen oder Fee. flüchtet sich in zarte Melancholie. Ein sanftes Musikvergnügen, das ganz ohne Weihnachtskitsch zurechtkommt. 7,5/10 Kronen

Nils Frahm - Tripping With Nils Frahm
Shows im altehrwürdigen Berliner Funkhaus waren 2018 der Startschuss für sein Studioalbum “All Melody„, mit dem Nils Frahm in den folgenden Jahren mehr als 180 ausverkaufte Shows von Los Angeles über London bis Sydney spielen würde. Ein knappes Jahr später kehrte Frahm noch einmal für vier Konzerte in die deutsche Hauptstadt zurück und ließ sich dieses Mal von Filmemacher Benoit Toulemonde visuell festhalten. Das Ergebnis ist eine wundervolle, aber physisch erst Ende Jänner erscheinende Konzertdokumentation namens “Tripping With Nils Frahm„, die den Neoklassiker und Starpianisten mit einer ganz besonderen Atmosphäre einfangen. Wer die Wartezeit nicht aushält kann jetzt schon auditiv und digital zugreifen. Es lohnt sich natürlich. Ohne Bewertung

Gama Bomb - Sea Savage
Humor in der Musik und speziell im Metal ist etwas, das muss man mögen. Wo sich die einen etwa bei den schottischen Pirate-Metallern von Alestorm die Augen wischen, schämen sich andere fremd. Ähnlich verhält es sich mit dem irischen Thrash-Metal-Geschwader Gama Bomb, das zweifellos sei Handwerk versteht und für rifflastige Rhythmen zu sorgen weiß, aber sein flottes Gehacke auch auf dem siebenten Studioalbum mit eher dämlich arrangiertem Humor versetzt. Schon auf dem - zugegeben wirklich gelungen gezeichneten - Artwork findet man Moby Dick, einen Oktopus, den Teufel und King Kong und man kann sich ausrechnen, wohin der Weg führt. Zwischen “Lords Of The Hellfire Club„, “Rusty Jaw„, “Miami Supercops„ und “Sheer Khan„ huldigt man in der Band den kultigen Jugendtagen in den 80ern und lässt sich dabei nie die Laune verderben. Muss man eben mögen, ich bin dahingehend zwiegespalten. 6/10 Kronen

Marcel Gein - Good Morning Erlenbach
Songwriter wissen, dass es durchaus eine Kunst sein kann, Alltagsbeobachtungen aus dem normalen Leben in ein spannendes Soundkorsett zu stülpen. Der bayrische Liedermacher Marcel Gein hat ein untrügliches Gespür dafür, scheinbar banale Erlebnisse und Vorkommnisse dank seiner textlichen und musikalischen Fertigkeiten in einen kurzweiligen Kanon zu setzen. “Good Morning Erlenbach„, schon im Titel völlig unprätentiös, ist eine schöne Vermischung aus Singer/Songwritertum und deutschem Indie Rock. Als Geschichtenerzähler von Songs wie “Tippgemeinschaft„, “Kinder außer Kontrolle„ oder “Ich verkaufe alles„ fühlt man sich einerseits dem Künstler nahe und andererseits sofort in die eigene Nostalgie zurückkatapultiert. Dass nicht jeder Song wirklich fetzt, ist kein großes Problem. Gein hat sicher noch genug Storys für die Zukunft in petto. 7/10 Kronen

Gone Is Gone - If Everything Happens For A Reason… Then Nothing Really Matters At All
All-Star-Projekte haben meist den Nachteil, dass das große Herzblut der handelnden Personen eher beim Hauptbrötchengeber verankert ist und man auch nur alle heiligen Zeit findet, um sich auf der freudigen Spielwiese auszutoben. Das ist bei den Alternative Rockern von Gone Is Gone nicht viel anders, denn neben dem Titel für den längsten Albumtitel des Jahres kann man sich auch einen Lorbeerkranz für besonderes experimentelle Soundstrukturen umhängen. Weder Mastodon-Sänger Troy Sanders, noch At The Drive-In-Drummer Tony Hajjar prägen den Sound der Amerikaner, sondern Filmkomponist und Klangfetischist Mike Zarin. Auf dem mittlerweile dritten Album scheint er endgültig dort angekommen zu sein, wo er mit diesem Projekt sein möchte: nämlich in einer Art theatralischen Art-Rock-Bubble. Wer sich an den kruden Soundwelten von Maynard James Keenan erinnert fühlt, der wird hier aber garantiert sein Seelenheil finden. Schräge Angelegenheit. 6/10 Kronen

Grandson - Death Of An Optimist
Jordan Benjamin aka Grandson ist einer der spannendsten und vor allem ehrlichsten Künstler, die im gegenwärtigen Musikgeschäft zu finden sind. Der einstige Wahl-Kanadier befasst sich seit knapp drei Jahren mit den dunklen Themen der Gesellschaft und eckt bewusst an, um die Aufmerksamkeit auf drängende Probleme der Gegenwart zu lenken. Auf seinem offiziellen Debütalbum “Death Of An Optimist„ versammelt er in einzelnen Songkapitel all die düsteren Gedanken, die Trostlosigkeit und die fehlende Hoffnung eines verhunzten Jahres 2020 und packt diese Gemengelage der Negativität in durchaus fröhliche Up-Tempo-Track zwischen Rap und funkigem Rock. “WW3„, “Pain Shopping„ oder “Left Behind„ erzählen vom Landesniedergang durch die US-Präsidentschaft, von der Heilssuche im Konsum-Materialismus oder auch von persönlichen Ängsten und Problemen, die er wie kaum jemand Zweiter nach außen stülpt. Das klingt gleichermaßen nach Eminem, Linkin Park und Fever333. Einer der letzten großen Volltreffer in diesem musikalisch sehr mediokren Jahr. 8/10 Kronen

Laura Groves - A Private Road EP
Die Zeit vergeht schnell, das ist längst kein Geheimnis mehr und das weiß auch Laura Groves. Wer erinnert sich noch an das feine Debütalbum “Blue Roses„, das auf XL Recordings erschien und mit einer Mischung aus Alternative Pop, Folk und feinstem Soul aufwarteten? 2009 war das, man kann es kaum glauben. Auf einen Nachfolger wartet man immer noch, doch mit “A Private Road„ gibt es nun zumindest wieder eine EP zu bestaunen, die sich recht zeitgemäß dem Electropop widmet, ohne aber in die gerade so gängige Nostalgiefalle zu tappen, sondern lieber ein solides Songwritingfundament als Basis für starke Kompositionen nutzt. Die EP grob als Mischung aus Beach House und Julia Holter zu verorten wird der Sache durchaus gerecht, vor allem das betörende “Sunset„ und “Foolish Game„ überzeugen mit einer schönen Atmosphäre. Da darf bitte gerne mehr kommen! Ohne Bewertung

Half Japanese - Crazy Hearts
Es hat immer einen leicht bitteren Beigeschmack, wenn der eigene Erfolg im Windschatten einer großen Band passiert. Das Michigan-Kollektiv Half Japanese, Legenden im Lo-Fi-US-Noise-Rock, hatte seine Hochzeit 1993 - aber nicht aus eigenen Leistungen. Nirvana-Frontmann Kurt Cobain war Riesenfan und packte die Truppe rund um Jad Fair ins Vorprogramm zur “In Utero„-Tour. Als er 1994 nach seinem Suizid tot aufgefunden wurde, trug er ein Shirt der Band. Von diesem Kult lebt die Truppe knapp drei Dekaden später immer noch - freilich außerhalb der eigenen Fanblase, die nach mittlerweile 19 Studioalben kein Name-Dropping braucht, um den eigenen Helden zu huldigen. Wer aufmerksam zuhört, erkennt auf “Crazy Hearts„, wo R.E.M., die Violent Femmes oder die Eels ihre Kunst gelernt haben. Die unbesungenen Helden sind heute auch mal im Vordergrund. 7/10 Kronen

Hollywood Undead - New Empire, Vol. 2
Hollywood Undead per se sind schon eine Band für ein bestimmtes Spartenpublikum. Mit ihrer Mischung aus Nu Metal, Rap und Rock trotzten sie jahrelang bewusst dem Zeitgeist, bis sie ihn nun aufgrund der üblichen Nostalgiewelle irgendwie doch voll erwischt haben. Das relativ harte und mit einigen guten Songs bestückte “New Empire„ begeisterte Genre-Aficionados früh in diesem Jahr, doch beim Durchhören des zweiten Teils weiß man auch, warum sich die Truppe nicht gleich für ein Doppelalbum entschieden hat. Auf “Vol. 2„ gehen Dylan Alvarez und Co. nicht nur die Ideen aus, es fehlt auch unentwegt an schwung. Aufgefettet hat man den durchschnittlichen Soundbrei mit Gästen wie Jacoby Shaddix (Papa Roach), Ice Nine Kills oder Tech N9ne, die aber auch nichts am dürftigen Songwriting ändern. Da hätte man auch besser schweigen können. 4/10 Kronen

Iron Mask - Master Of Masters
Dushan Petrossi ist einer der profiliertesten und kundigsten Gitarristen in der belgischen Metalszene und sorgt seit vielen Jahren mit Magic Kingdom für starke Alben. Vor knapp 20 Jahren hat er Iron Mask mehr zum Spaß als Nebenbetätigung gegründet, doch “Master Of Masters„ (was für ein Titel aber auch…) ist das mittlerweile siebente Studioalbum der Brüsseler und damit einhergehend auch ein weiterer Beweis für Stärke und Selbstständigkeit des Projekts. Wer keine allzu großen Probleme mit ausufernder Großspurigkeit und teilweise wirklich kitschigen Songstrukturen hat (“One Against All„ - unglaublich), der kann hier bedenkenlos zugreifen. Weder wird hier das Rad noch erfunden, noch für eine Revolution gesorgt, aber wer sich irgendwo zwischen Hammerfall, Primal Fear und Dark Moor verortet, der ist auch hier goldrichtig. 6,5/10 Kronen

Iron Savior - Skycrest
Es passt ja auch irgendwie zur Jahreszeit, das muss man so sagen. Der Power Metal wird diese Woche großgeschrieben, das ist in dieser Liste unzweideutig zu erkennen. Nach Iron Mask gibt es zwar leider nichts Neues von Iron Maiden, aber zumindest von den Hamburgern Iron Savior, Genre-Ikonen seit Mitte den 90er-Jahren. Dass Frontmann und Gitarrist Piet Sielck die Band also zu einer Zeit ins Leben rief, als das gesamte Genre toter als tot war muss man ihm zugutehalten. Aller Auf- und Abwärtsspiralen zum Trotz hat sein Schiff im Kurs gehalten und ändert diese Ausrichtung auch bei “Skycrest„ nicht. So deutsch klingen kann eben auch nur eine deutsche Power-Metal-Band, das erkennt man schon am ersten Riff und vor allem an der Intonation. Halloween, Grave Digger, Blind Guardian, Running Wild - es ist von allem ein bisschen vorhanden. Solide Angelegenheit. 6,5/10 Kronen

Joan Of Arc - Tim Melina Theo Bobby
Zeit für Trauer muss sein, zumal sie her gerechtfertigt ist. Die amerikanische Indie-Institution Joan Of Arc streicht Ende dieses Jahres endgültig die Segel - nach 25 langen Jahren. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Frontmann und Mastermind Tim Kinsella sich längst in anderen Projekten, solo oder auch hinter den Filmkulissen wohler fühlt. Mit dem Album “Tim Melina Theo Bobby„ gibt es zumindest einen würdigen Abschluss in Form eines letzten Studioalbums. Benannt nach der aktuellen Besetzung der Band fehlt bis auf Kinsella freilich die große Legendenbildung, aber das macht in dem Fall wenig aus. Joan Of Arc saßen immer zwischen den Stühlen und integrierten in einer nonchalanten Selbstverständlichkeit Dancemusik, Elektronik und Folk in den Indie-Rock-Kanon. Zum Abschluss gibt es noch mal einen Querschnitt aller Subgenres mit deutlichem Augenmerk auf Melancholie und Abschiedsschmerz. Den gibt es wohl auf beiden Seiten, aber wie sagte Neil Young schon so schön: It’s better to burn out than to fade away… 7/10 Kronen

K.I.Z. - Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung
Was die gibt’s noch? K.I.Z., um Gottes Willen. Fünf Jahre liegt das letzte Album der Berliner Prolo-Rapper mittlerweile zurück. Seitdem hat man nicht nur mehr kaum etwas von der Band gehört, das ganze Genre wurde mit Autotune, Cloud Rap oder dem kongruenten Majorlabelsigning der größten Talentlosigkeiten umgegraben. Dann plötzlich kündigen K.I.Z. ein Album für Mai 2021, eine fette Tour für Anfang 2022 und dann noch das “Album zum Album„ namens “Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung„ an - absolut all in. Langjährige und dürstende Fans werden mit allerlei Perversitäten, tiefer Stand-Up-Comedy, Wortspielen und smoothen Beats bestens bedient, doch wichtiger wird wohl sein, dass die Kannibalen in Zivil auch eine neue Generation abholen können. Man wird sehen - im eigenen Kosmos bleibt die Band solide. 6/10 Kronen

Magic Dance - Remnants
Vor acht Jahren hat der in Long Island beheimatete Hard-Rock-Sänger Jon Siejka mit Magic Dance ein Projekt aus dem Äther gestampft, auf dem er seine untrügliche Liebe für den Synthwave verwursten wollte. Über die Jahre hat sich dann aber doch herausgestellt, dass breitbeinige E-Gitarren bei so einem Vorhaben nicht schaden können und so hat sich diese Band immer mehr Richtung Rock verschoben. “Remnants„ kann man durchaus als bisherigen Höhepunkt des Schaffens heranziehen, denn kaum sonst wo wird man so sehr an John-Hughes-Filme oder längst verblasste AOR-Tage erinnert. Schon das Eröffnungstrio “Oh No„, “Long And Lost Lonely Nights„ und “Zombie Breath Surprise„ steckt voller Hymnen, die man nach dem zweiten Bier freudig mitgrölt. Die Vermischung aus kitschigen Synthies und zeitlosen Gitarrensoli macht ungezwungen Spaß und lädt zum Faustrecken. Eine echte Underground-Perle! 7,5/10 Kronen

Majestica - A Christmas Carol
Charles Dickens‘ unvergessliche Geschichte über den geizigen und griesgrämigen Ebenezer Scrooge, dem zu Weihnachten drei Geister erscheinen, die im Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft offenbaren als eine Art Metal-Oper zu adaptieren ist eine durchaus interessante Zugangsweise. Doch auch im Heavy Metal ist heutzutage längst alles möglich und erlaubt und wer wäre prädestinierter dafür, als eine Bande Schweden rund um Sabatons Tommy Johansson, die dem Kitsch per se nicht abgeneigt sind. Und spätestens seit Hammerfall das Genre in den 90er-Jahren wiederbelebten gibt es dahingehend sowieso keine Grenzen mehr. Majestica sind so etwas wie die Helene Fischer für die Metalfans - irgendwie findet man Pomp und Gloria zwischen den Zeilen schon geil, aber zugeben würde man das nur unter Waffengewalt. Ohne Bewertung

Neal Morse - Jesus Christ The Exorcist Live
Prog-Urvater Neal Morse hat vor zwei Jahren, als Livekonzerte noch Usus waren, mit dem “Morsefest„ sein eigenes Festival auf die Bühne gestellt und das letzte Studioalbum “Jesus Christ The Exorcist„ in seiner Gänze präsentiert. Der bibelfeste Keyboarder und Gitarrist hat für das hehre Vorhaben keine Kosten und Mühen gescheut und sich in diesem Musical-artigen Segment eher als musikalischer Direktor denn als Hauptdarsteller gesehen. Ted Leonard von Spock’s Beard etwa hat die Rolle von Jesus übernommen, ansonsten hat Morse Goldstimmen wie Nick D’Virgilio (Big Big Train), Matt Smith (Theocracy) oder Rick Florian (White Heart) engagiert, um seine Vision in die Realität umzusetzen. Das 26 Kapitel umfassende Treiben gibt’s - schön christlich - als Doppel-CD und DVD/Blu Ray auf den weihnachtlichen Gabentisch. Kann man schon mal zuschlagen. Ohne Bewertung

Israel Nash - Topaz EP
Zu den schönsten Weihnachtsgeschenken gehören oft einfach gute Nachrichten. Etwa jene, dass man im Frühling 2021 mit einem neuen Studioalbum des genialen Israel Nash rechnen kann. Der Rocker mit Indie-Wurzeln und der untrüglichen Liebe für erdigen Country und hemdsärmelige US-Sounds war bislang noch mit jedem Album ein Volltreffer. Vor dem Freudenfest gibt es mit “Topaz„ auch noch einen schönen Appetizer, der die Sehnsucht nach dem Kommenden ins Unermessliche reichen lässt. Als “Rock’n’Roll-Experiment„ bezeichnet sein Label den feinen 5-Tracker, der sich gewohnt zeitlos gibt und sich auch nicht vor Gospelchören und 60s Swaggern versteckt. Mit Sicherheit die schönste EP diese Woche. Ohne Bewertung

Rico Nasty - Nightmare Vacation
Im an Innovationen und spannenden neuen Projekten nicht armen Rap Game sticht zu Jahresende auch noch Rico Nasty aus Maryland hervor. “Nightmare Vacation„ ist nach zahlreichen Liveshows und erfolgreichen Singles das heiß ersehnte Debütalbum eines der größten Talente der Szene. Die Besonderheit der 23-Jährigen: sie fühlt sich nicht nur in eigenen Gefilden wohl und versammelt Promis wie Gucci Mane als Gäste, sondern hat auch keine Berührungsängste mit harten Gitarren und Referenzen an Korn oder dem Punk-Gestus des Millenniums. Nach sechs Mixtapes weiß Maria Kelly, so ihr bürgerlicher Name, wie man sich mit Ehrlichkeit und anarchischer Attitüde eine Fanbase aufbaut. Zwischen harten Beats und halsverrenkten Tracks geht es um Empowerment, Gleichberechtigung und Wut auf die Weltlage. Herrlicher Einstand! 7,5/10 Kronen

Nazar - DNA
Es hat irgendwie etwas Nostalgisch-Tröstliches an sich, wenn man Ende 2020 noch mit einem Rap-Album konfrontiert wird, das Diss-Tracks aufweist und so richtig ins Eingemachte geht. In Zeiten von Autotune, oberflächlichem Hedonismus und allzu langweiliger Gleichförmigkeit erscheint plötzlich ein neues Album des mehrfachen Amadeus-Preisträgers Nazar, der seine Major-Zeit und die fetten Tage längst hinter sich hat, aber noch immer hungrig ist. Auf “DNA„ geht er autobiografisch und offen vor, bezeichnet seinen ewigen Erzfeind Bushido in “No Go„ unverblümt auf “Fotze„ und lässt auch an seinem ehemaligen Kompagnon RAF Camora kein gutes Haar. Dazwischen wünscht er sich Ruhe und Frieden (“Interstellar„) oder macht einfach auf dicke Hose (“Minimum 10„), das ist schließlich nie ganz out. Ganz in Ordnung. 6,5/10 Kronen

Nightrage - Demo 2000 EP
Einen Zeitsprung zurück ins Millennium gewährt uns der schwedisch-griechische Gitarrist Marios Iliopoulos, der vor exakt 20 Jahren Nightrage gründete und vor allem am Anfang die melodische Death-Metal-Szene mitprägte. Damals war das Genre nicht zuletzt durch Bands wie Dimension Zero an der kreativen Spitze und ein wichtiges Stück des Metal-Zeitgeistes. Iliopoulos hat die ersten Demos mit Freund Gus G. (Ozzy Osbourne, Firewind), der damals auch den Gesang übernahm, und einem deutlich hörbaren Drum-Computer eingeholzt und das Demo mit einem wundervollen Artwork in die Welt entlassen. Über all die Jahre hat die Band gewiss an ihrer Dringlichkeit verloren, nicht aber die Songs von vor zwei Dekaden, die jüngeren Generationen angestaubt vorkommen werden, aber den Nostalgiker in unschuldig-wilde Teenager-Zeiten zurückbeamen. Ohne Bewertung

Ima Nuori - All I Want Is Out
Ein ganz und gar österreich-untypisches Projekt kommt uns kurz vor dem Jahresende noch einmal entgegen - und das ist ausdrücklich positiv gemeint. Ima Nuori sind ein Duo bestehend aus Cellistin Christina Ruf und Sängerin Petra Steinkogler, die unter dem Namen Soundzoo schon vor zehn Jahren gemeinsam auf der Donauinselfestbühne standen und sich jetzt mit 1300 Kilometer Entfernung wiedergefunden haben. Ein Teil wohnt nämlich in Dänemark und der andere in Österreich. Heutzutage kein Problem mehr, denn auf dem Debüt “All I Want Is Out„ zelebriert man die klangliche Internationalität mit Können und Selbstbewusstsein. Die einen werden es experimentelle Soundwelten nennen, andere eklektischen Dream Pop. Eine Genrezuschreibung belastet das Wirken von Ima Nuori aber nur, denn vielmehr sollte man einfach in das Album einfließen und sich davontragen lassen. Ein besonders atmosphärisches Vergnügen. 7,5/10 Kronen

Palace - Rock And Roll Radio
Und gleich noch einmal Melodic Rock mit untrüglichem 80er-Touch. Die Schweden sind bei der Retro-Soundverwurstung für gewöhnlich ganz vorne dabei, das beweist auch ein gewisser Michael Palace, der für sein Herzensprojekt “Rock And Roll Radio„ gleich alles selbst eingespielt hat. Ihr lest richtig - Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, Palace legte überall Hand an. Selbst Produktion, Mix und Mastering hat er im Alleingang erledigt. Man ist sich selbst eben doch am nächsten. Vor allem dann, wenn die künstlerische Vision eine klare ist. “Rock And Roll Radio„ ist dafür auch voller Hymnen, die freudvolle Nostalgiker zum Jauchzen bringen wird und weist auch auf der Albumlangstrecke nur marginale Ermüdungserscheinungen auf. Anspieltipps: der Titeltrack, “Cold Ones„ und “My Gray Cloud„. PS: Vor einem gewissen Kitschfaktor darf man sich natürlich nicht fürchten… 7/10 Kronen

Persuader - Necromancy
Wenn man sich als Metal-geneigter Hörer das erste Mal durch “Necromancy„ wühlt, fragt man sich in erster Linie, warum da nicht Blind Guardian draufsteht. Eine derart eindeutige Hommage an die Könige des deutschen Power Metal hat man noch selten vernommen, auch wenn Persuader aus Schweden stammen, aber mit Thomen Stauch einen deutschen Drummer haben, der sich eben sehr gut mit “Imaginations From The Other Side„ und Co. identifizieren kann und seit Jahren im Umkreis der Band schwirrt. Das Songmaterial lebt vom heulend-hohen Gesang Jens Carlossons, das jegliches Genre-Klischee streift, krankt ansonsten aber am Mangel wirklich ausgefeilter Songs. Die Gitarren klingen im Endmix zudem so breiig, dass gerade die an und für sich akkurate Rifflastigkeit völlig untergeht und dem Werk dadurch viel von seinem Drive nimmt. Dann doch lieber der Griff zum Original. 5/10 Kronen

Poppy - A Very Poppy Christmas EP
Moriah Rose Pereira aka Poppy ist zweifellos eine der Aufsteigerinnen des Jahres. Die mysteriös-verstörende Musikerin und YouTuberin aus Boston, die privat mit dem nicht minder talentierten Ghostemane verbandelt ist, hat Anfang des Jahres mit “Poppy’s Inferno„ ein famoses und frisches Album veröffentlicht, das ihr unlängst eine Grammy-Nominierung für die “Best Metal Performance„ einbrachte. Und wenn das Jahr mit Poppy beginnt, darf es auch mit ihr enden. “A Very Poppy Christmas„ ist eine mit zehn Minuten sehr knackige Weihnachts-EP, auf der sie auch in ruhigen Gefilden ihr enormes Stimmtalent feilbietet. Indie-Weihnachten kann wunderschön sein - das beweist diese wirklich überraschend sanfte EP eindeutig. Ohne Bewertung

The Postal Service - Everything Will Change Live
Benjamin Gibbard von Death Cab For Cutie, der als Dntel bekannte DJ Jimmy Tamburello und Jenny Lewis von Rilo Kiley - The Postal Service kann man getrost als All-Star-Band im Indie-Segment bezeichnen. Bis auf das 2003er-Album “Give Up„ und eine DVD namens “Everything Will Change„ aus dem Jahr 2014 gab es nicht viel zu beobachten. Die offiziell bereits 2013 aufgelöste Band hat sich auf ihren Social-Media-Kanälen heuer aber öfters mal zu Wort gemeldet und nicht nur die Amerikaner zum Wählen animiert, sondern auch angekündigt, “Everything Will Change„ nun auch auf Platte rauszubringen. Die 15 Songs haben nichts von ihrer Magie verloren und kommen mit ihrer an Placebo angelehnten Feingliedrigkeit genau richtig in eine Zeit unverständlicher Entscheidungen und harscher Einschnitte. Hoffen wir mal, dass sich die drei auch weiterhin zusammenfinden und ein neues Album ansteht - Zeit wäre ja jetzt… Ohne Bewertung

Rammstein - Herzeleid XXV
Mit ihrem Debütalbum “Herzeleid„ haben Rammstein vor mittlerweile 25 Jahren nicht nur eine Weltkarriere begründet, sondern auch die Musikwelt revolutioniert. Natürlich gab es schon Die Krupps und Co., aber keine Band war so hungrig und detailverliebt wie die Ostdeutschen, die gemeinsam mit dem schwedischen Produzenten Jacob Hellner eine vertonte Tour de Force erschufen, die selbst gestandenen Schwermetallern den Angstschweiß von der Stirn tropfen ließ. Schuld daran waren die eiskalten, schnitten Riffs, Till Lindemanns bedrohlich Gesang und nicht zuletzt das zwischen martialisch und homoerotisch mäandernde Auftreten, das schon früh die unfassbare Ambivalenz der Band aufzeigte. “Wollt ihr das Bett in Flammen sehen„, “Asche zu Asche„, die Ballade “Seeman„ oder “Herzeleid„ sind unvergessliche und legendäre Kracher, die zeitlos frisch klingen. Zum Jubiläum - glücklicherweise ohne Bonus Tracks und unnötigem Schnickschnack - in ein schönes Digipak verpackt und in HD vertont. Kult! Ohne Bewertung

Red City Radio - Paradise
Wer fragt sich nicht regelmäßig, wo denn die Zeit hingegangen ist? Red City Radio tun das im gleichnamigen Intro zur neuen Platte, immerhin die erste seit fünf Jahren und somit eine mehr als legitime Frage. “Paradise„ dreht sich inhaltlich aber weniger um die große weite Welt als um innere und persönliche Glückseligkeit, der sich die Menschen nur allzu gerne bewusst oder unbewusst in den Weg stellen. Die Band rund um Frontmann und Gitarrist Garrett Dale wirkt anno 2020 etwas altersmilder und entschlackter, denn von wirklich treibenden Punkrock-Hymnen ist wenig geblieben. Songs wie “Baby Of The Year„, “Young, Beautiful & Broke„ oder “Edmond Girls„ werden meist im Mid-Tempo exerziert oder lassen sich zumindest viel Zeit zur Entfaltung. Fans von Hot Water Music werden hier aber mit Sicherheit sehr glücklich, und so wenige gibt es ja auch nicht. Sehr solide! 6,5/10 Kronen

Lee Ritenour - Dreamcather
45 Alben, 16 Grammy-Nominierungen, mehr als fünfzig Jahre Karriere und Kooperationen mit unsterblichen Legenden wie Frank Sinatra, BB King, Pink Floyd oder Tony Bennett - das sind die Hard-Facts wenn man von Gitarrero Lee Ritenour spricht. Der Amerikaner hat sich im Laufe seiner Karriere zwar nie in den Vordergrund gedrängt, aber musikalisch in allen Sparten überzeugt und von brasilianischem Jazz über Mainstream-Pop bis hin zu Fusion und kernigem Hard Rock alles mit der Gitarre begleitet, was irgendwie möglich und erlaubt war. Mit 68 und in der Corona-Fadesse will es die Legende aus der zweiten Reihe noch einmal wissen und veröffentlicht mit “Dreamcatcher„ ein Instrumental-Album, das alle Emotionen streift. Für Ritenour war der Songwriting-Prozess durchaus kathartisch, denn er verlor bei den kalifornischen Waldbränden 2018 sein Studio und gut 100 Gitarren und musste sich zudem am Herz operieren lassen. Schön zu sehen, dass entspannte Klänge Leben retten können. Leidenschaft kennt keine Pension. 7/10 Kronen

Sculptor - Untold Secrets
Abkupfern ist im Haus des italienischen Labels Frontiers Records diese Woche jedenfalls gern gesehen. Borgen sich Persuader ein bisschen weiter oben gerne Klang und Gestus der großen Blind Guardian, passiert das Kopieren hier im härteren Sektor. Sculptor stammen aus dem tropischen Brasilien, klingen aber von der ersten Sekunde an wie eine Mischung aus frühen In Flames, Dark Tranquillity oder Soilwork. Also die Göteborg-Schule ohne die progressiven und poppigen Schlenker, die sich die großen Namen in den letzten Jahren aneigneten. Die “unerzählten Geheimnisse„ kranken zum Großteil nicht nur an ihrer kompositorischen Gleichförmigkeit, sondern auch am enervierenden Gesang von Frontmann Rick Eraser, dessen Kellergeröchel schon nach drei Songs langweilt. Zudem weiß die melancholische-entschlackte Atmosphäre nicht zu fesseln. 4,5/10 Kronen

Serpents Oath - Nihil
Das ewige Spiel mit der Anonymität ist immer wieder lustig und schön, vor allem wenn es im allzu offenen Internetzeitalter propagiert wird. Serpents Oath sind drei finstere Gesellen mit den Pseudonymen Daenum, Tes Re Oth und Draghul. Sie stammen aus Belgien und spielen brutalen, meist im Up-Tempo gehaltenen und von Blastbeats getragenen Black Metal, der aber auch mit viel Atmosphäre und klirrend-kalten Riffs der alten Norwegen-Schule zu überzeugen weiß. In den technischeren Momenten klingt das wie Belphegor oder Dark Funeral, geht es stumpfer und rüpeliger zu Werke, fühlt man sich an alte Gorgoroth oder - wie etwa beim famosen “The Beast Reborn„ an die schwedischen Kriegstreiber Marduk erinnert. Überraschungen und Innovationen bleiben außen vor, doch die reißerische Urgewalt der zwölf Tracks wissen durchaus zu begeistern. Weihnachtszeit einmal anders. 7,5/10 Kronen

Sigur Rós - Odin’s Raven Magic
Dem Isländer Jónsi Birgisson hat im Coronajahr 2020 die Arbeitswut gepackt. Vor etwas mehr als einem Monat hat er sein lang erwartetes zweites Soloalbum “Shiver„ veröffentlicht, kurz vor Weihnachten schießt er auch noch neues Material seiner Kultband Sigur Rós nach. Wobei neu nicht genau stimmt, denn die Ursprünge des Projekts reichen bis 2002 zurück. “Odin’s Raven Magic„ war dort bei “Reykjavik Arts Festival„ eine Kooperation der Band mit der isländischen Musikerlegende Hilmar Örn Hilmarsson und dem Fischer und Chorsänger Steindór Andersen. Die auf die nordische Edda aufgebaute Erzählung um weltvermessende Raben war bislang nur auszugsweise zu finden, nur wurde das komplette, gut 70-minütige Libretto komplett eingespielt und wird den Fans endlich vollständig zugänglich gemacht. Orchestraler Barock-Pop-Pomp, der aber ganz sicher nichts für die breite Masse darstellt, Sigur-Rós-Fanaten und Komplettisten aber ruhiger schlafen lässt. Ohne Bewertung

Soilwork - A Whisp Of The Atlantic EP
Nicht ganz zu Unrecht fürchten sich langjährige Soilwork-Fans ein bisschen davor, dass sich Frontmann Björn “Speed„ Strid nicht mehr ausreichend um sein Baby kümmert, denn mit seiner 80er-AOR-Huldigungsband The Night Flight Orchestra hat er sich in den letzten Jahren auf große Festivals und überraschende Chartregionen hochgespielt. Doch keine Sorge, das progressive Melodic-Death-Metal-Blut ist immer noch am Köcheln und zeigt sich auf der brandneuen EP “A Whisp Of The Atlantic„, wo die Band mit dem Titeltrack einen knappen 17-Minüter vorlegt und das spannendste Stück Komposition seit vielen Jahren präsentiert. Der religionskritische Song mäandert zwischen verschiedenen Tempi und Skalen und lässt die anderen, auch starken Songs regelrecht verblassen. Nach dem eher poppigen Album “Verklingheten„ Anfang 2019 ein richtig mächtiges Statement. Welcome back! Ohne Bewertung

Son Lux - Tomorrows II
Ungleichgewicht, Unterbrechung, Kollision und Neudefinition, das sind die Eckpfeiler für “Tomorrows„, die Album-Trilogie der amerikanischen Klangtüftler Son Lux, die im August begann, sich jetzt fortsetzt um im Frühjahr 2021 abgeschlossen werden soll. Mastermind Ryan Lott kann sich dabei vor allem auf Ian Chang (der heuer auch schon ein Soloalbum veröffentlichte), denn seine elektronischen und verletzlichen Klänge geben “Tomorrows II„ den besonderen Touch von Reduziertheit, den man bei Son Lux vor allem in den letzten Jahren öfters vermisste. Im Gegensatz zum Sommer-Erstling hat man den Sound - jahreszeitengerecht - hier dunkler gestaltet und wenn Lotts zerbrechliches Timbre Song-Preziosen wie “Apart„ oder “Live Another Life„ trägt, dann träumt man sich gerne in eine bessere Welt als die derzeitige. Einmal mehr sehr gelungen. 7,5/10 Kronen

Tau Cross - Messengers Of Deception
“Messengers Of Deception„ war in Metalkreisen DAS Skandalalbum 2019. Ex-Amebix-Genie und Frontmann Rob Miller dankt in dessen Line-Notes nämlich unter anderem Holocaust-Leugner Gerard Menuhin, wurde daraufhin komplett von seinem Label Relapse Records gedroppt und von seinen langjährigen Bandkollegen (darunter Voivods Michael “Away„ Langewin) verlassen. Grund dafür war auch die Unbelehrbarkeit Millers, die selbst seinen Bruder Stig bis ins Mark entsetzte. Mit eineinhalb Jahren Verspätung kommt das umstrittene Werk nun über ein Nischenlabel auf den Markt, mit völlig neuer Besetzung und einem Miller, der sich wohl auch weiterhin nicht mehr von seinen Irrwegen abbringen lässt. Rein musikalisch gibt’s gewohnte Kost und wenig auszusetzen. Muss man aber trotzdem nicht unterstützen. 6,5/10 Kronen

These New Puritans - Hidden (MMXX)
Das zweite Album der beiden Zwillinge Jack und George Barnett unter dem Banner These New Puritans kann man durchaus als revolutionär im alternativen Indie-/Experimentalsektor verbuchen. “Hidden„ feiert nun sein zehnjähriges Jubiläum und wird noch einmal mit bislang unbekanntem Material und Live-Versionen aufgefettet in den Umlauf gebracht. Gut so, denn das vom renommierten “NME„ zum “Besten Album„ 2010 gewählte Werk hat nichts von seiner Schärfe und Zeitgeistigkeit verloren, was angesichts der schnelllebigen Gegenwart alles andere als selbstverständlich ist. Die Vermischung aus düsterem Industrial, Post-Punk-Nihilismus, Dancehall-Rhythmen, allgemeintauglichen Pop-Ausflügen, japanischen Trommeln und Bläserensembles sind beim Hören wesentlich fassbarer als die bloße Theorie es glauben lässt. “Hidden„ ist ein unvergessenes, hervorragendes Kleinod im ungreifbaren Underground-Kosmos. Gestern wie heute. Ohne Bewertung

Two Another - Two Sides EP
Die beiden australischen Kumpel Angus Campbell und Eliot Porter konnten sich mit ihren Veröffentlichungen in den letzten Jahren Hunderte Millionen Streams auf die persönliche Statistik packen und überzeugen vor allem mit ihrer Verquickung aus sanftem R&B, atmosphärischer Elektronik und rasiermesserscharfem Pop-Songwriting. Eine gute und vor allem zeitgemäße Soundmixtur, die allgemein sehr gut ankommt und ihnen auch hierzulande einen Namen beschert hat. Diesen Erfolgsweg gehen die zwei produzierenden Schulfreunde aus Sydney auf der schmucken EP “Two Sides„ weiter, die mit “Elevate„, “Be Alone„ oder “My Religion„ sanfte Hits sonderzahl aufzuweisen hat. Das sollte nun hoffentlich doch ein weiterer kräftiger Schritt aus der Anonymität sein. Ohne Bewertung

Undergang - Altrig I Livet
Kellertief gestimmte Gitarren, ein Todesröcheln meterweit aus der Bodenerde und dazu ein trockenes Uffta-Drumming, das sich gar nicht erst mit technischen Versatzstücken aufhält - willkommen zu Undergang. Die Dänen zelebrieren ihren Death Metal seit mittlerweile zwölf Jahren besonders stumpf und roh und erinnern dabei einerseits an die finnische (Convulse, Demigod) und auch an die schwedische (Grave, alte Entombed) Schule - Hauptsache Früh-90er-Mief ohne große Ausrisse in moderne Zeiten. Ach ja - auch die USA á la Autopsy und ganz alte, weil noch spannende Six Feet Under lassen sich hier finden. “Altrig I Livet„ geht den Weg des modrigen Gehämmers unaufhaltsam weiter und bolzt ohne Unterlass und Überraschungen durch 36 Minuten tiefen Klangschlamm. Anspieltipps? Wenn man dem Genre zugeneigt ist, alles. Besonders aber das relativ flotte “Menneskaeder„ und der walzende Titeltrack. Tales from the grave! 7/10 Kronen

Unruly Child - Our Glass House
Die Amerikaner haben schon eine ziemlich lange Geschichte vorzuweisen. Frontmann Marcie Free gründete die Truppe in den frühen 90er-Jahren, war aber mit dem breitbeinigen Melodic Hard Rock schon ein bisschen zu spät dran. Zwei Mal sollte sich die Gruppe nach eher semierfolgreichen Ergüssen wieder auflösen, seit exakt zehn Jahren versucht man es in der Originalbesetzung aber als gereifte Männer mit festen Jobs und ohne großen Karrieredruck. Das tut Unruly Child durchaus gut, denn auch “Our Glass House„, das fünfte Album seit dem zweiten Comeback, weiß mit zeitlosen Melodic-Rock-Songs in bester 80er-Manier zu überzeugen, ohne aber auch nur die Gefahr eines richtigen Hits auszustrahlen. Das wird den Musikern ob nicht mehr vorhandener Karrierepläne aber ohnehin egal sein und für ein paar Post-Corona-Liveshows pro Jahr reicht das solide Material allenthalben. Was will man mehr im gesetzten Alten? 6/10 Kronen

Vanden Plas - The Ghost Xperiment: Illumination
Man kann Prog Metal oft ein etwas zu ambitioniertes Auftreten attestieren, aber in einer Gesellschaft, deren Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird und wo es allzu oft um den nächsten schnellen Hit geht ist es tröstlich zu sehen, dass sich viele Band jahresumspannende Konzepte überlegen. Etwa die deutschen Progger von Vanden Plas, die ihren Protagonisten Gideon Grace gegen die Geister seiner Kindheit kämpfen lassen. Nach dem Auftakt „Awakening“ folgt nun mit „The Ghost Xperiment: Illumination“ Teil zwei der Serie, die trotz aller Bemühungen und halsbrecherischer Gitarrenabfahrten nicht mehr ganz die opulente Stringenz des Debüts erreichen mag. Übliche Verdächte wie Dream Theater oder Symphony X lassen sich auch für „Illumination“ gut in den Topf werfen, doch mit dem Bonus Track „Der Krieg kennt keine Sieger“ samt Saltatio Mortis-Gastbeitrag macht man sich nicht viele Freunde. Die Qualität ist dennoch eine gewohnt hohe, dafür sorgt schon der „deutsche James LaBrie“, Andy Kunz am Mikro. Runde Sache! 7/10 Kronen

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