Josef Reisenhofer

Steirischer Pfarrer wird nun zum Fernseh-Star

Steiermark
05.12.2020 08:42

Gerade in der Zeit der Pandemie und des Lockdowns weichen mehrere steirische Kirchen ins Internet aus. Bereits seit zehn Jahren streamt der Hartberger Dechant Josef Reisenhofer seine Sonntagsmessen. Das Corona-Jahr macht den katholischen Netzwerker zum Quotenstar.

Die Glocken der Hartberger Barockkirche läuten zur Sonntagsmesse. In der Sakristei herrscht Nervosität. Das Videoteam bespricht mit Pfarrer Josef „Joe“ Reisenhofer den Regieablauf, schaut sich die vorbereiteten Videoeinspielungen an und checkt noch die Licht- und Kameraeinstellungen.

Der segenareiche Weg ins Web
Geplant war es in dieser Form nicht. Da die Kirche nur wenigen die Sicht zum Altar ermöglicht, wurden mehrere Fernseher installiert. Mit dem späteren Ankauf von stationären und mobilen Kameras und der Einrichtung eines Regie- und Schnittplatzes in der Sakristei war der segensreiche Weg ins Web frei.

(Bild: Elmar Gubisch)

„Damals wurden wir in der Pfarre als Spinner abgetan, die sich mit dem neuen Medium beschäftigen, heute wird es als Riesenchance wahrgenommen, die Kirche auch liturgisch lebendig zu halten“, genießt Pfarrer Reisenhofer die späte Anerkennung und schmunzelt. „Selbst konservative Kirchenkreise streamen heute begeistert!“

Vom Hochaltar zum Quotenstar
Die multimediale Adelung kam jüngst mit dem Angebot von ORF III, die Sonntags-Messen aus Hartberg regelmäßig im Fernsehen zu übertragen. Der ORF vertraut dabei blind der perfekten Technik und Hoppala-freien Eigenregie aus Hartberg - morgen etwa ist um 10 Uhr die „Nikolomesse“ zu sehen. Es ist zu erwarten, dass auch dieses Mal bis zu 80.000 Gläubige mitfeiern werden - inklusive Fern(seh)segen.

„Es gibt Menschen, die frömmer vor dem Bildschirm mitfeiern als in der Kirche“, weiß der TV-Pfarrer aus vielen Zuschriften und Telefonaten. Die Fernseh-Premiere im November war ein Quotenhit und Motivation für die acht ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für den Priester selbst.

(Bild: Elmar Gubisch)

„Die Menschen brauchen das mehr denn je“
„Es ist mein missionarischer Urtrieb, viele Menschen mit tröstenden, befreienden und aufbauenden Botschaften und Ritualen zu erreichen. Die Menschen brauchen es mehr denn je“, ist sich der leutselige Stadtpfarrer sicher, der im ersten Lockdown zusehen musste, wie Menschen im Altersheim an Einsamkeit verstorben sind.

Doch nicht nur Ältere, Kranke oder Einsame feiern den gestreamten Gottesdienst mit. „Ich erreiche Leute, die nicht kommen können oder wollen. Mir hat ein junges Pärchen geschrieben, das vergnügt im Bett übers iPad den Sonntags-Segen bekam.“

Ein Weihnachtsfest mit prominenten Künstlern
Der Zweck heiligt auch hier die Mittel, die in der Corona-Zeit eine neue Dimension erfahren. Selbst Begräbnisse und Hochzeiten werden auf Wunsch im Internet übertragen, um vielen die Möglichkeit des Mitfeierns zu bieten.

(Bild: Elmar Gubisch)

Dass der Hartberger Pfarrer eigene Wege beschreitet, hat der kreative Seelsorger immer wieder bewiesen. Da geht der Priester schon mal zum Messfeiern in die Disco, zelebriert Gottesdienste am Strand, am Traumschiff oder vor 3000 Gläubigen auf dem Hartberger Hauptplatz. Weit offen steht die Kirchentür auch für Schlagerstars wie Semino Rossi, die Paldauer, Fantasy oder Stefanie Werger, die den Altar zur Bühne machen.

Die Herzen der Menschen berühren
Auch jetzt in der Weihnachtszeit setzt der Pfarrer auf prominente Künstler. Am Heiligen Abend wird Silvio Samoni (hat gerade eine weihnachtliche Best-of-CD veröffentlich) die Mette mitgestalten, am Neujahrstag jazzt Simone Kopmajer in der Kirche, und am Drei-Königs-Tag wird neben Bischof Wilhelm Krautwaschl auch Musicalsängerin Nina Bernsteiner den Feiertagsgottesdienst aufwerten. „Diese Musiker berühren die Herzen der Menschen. Ihre Lieder und Texte werden nicht als Fremdkörper in der Kirche gesehen, sondern als zeitgemäße Form des Feierns. Damit fühlen sich die Menschen in der Kirche zuhause.“

„Vom Wesen her ist Gottesdienst auch Show“
Die Kritik, dass Kirche zur Show verkommt, nimmt Reisenhofer gelassen. „Vom Wesen her ist Gottesdienst auch Show. Es ist ein heiliges Schauspiel, in dem wir mit Ritualen, Zeichen, Musik, Gesang und Worten etwas bewirken.“ Ganz anders, nämlich nicht katholisch, hat es zuletzt ein norddeutscher Priesterkollege gesehen, der es auch gleich dem Papst melden wollte!

„Ich bin noch nicht im vatikanischen Gefängnis“
„Ich lebe noch“, lacht Reisenhofer. „Ich bin noch nicht im vatikanischen Gefängnis und verweise auf die große Mehrheit jener, die unendlich dankbar für die lebensnahe und zeitgemäße Sprache und Offenheit sind. Der Inhalt bleibt immer der gleiche“, sagt er. Nur das Medium ändert sich.

Erich Fuchs, Kronen Zeitung

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