Nach Sex-Skandal

Orbans Fidesz ortet eine Honigfalle in Brüssel

Ausland
06.12.2020 06:00

„Haltet den Dieb!“ als beliebte Vorwärtsverteidigung gilt offenbar auch für den Sex-Skandal um den EU-Abgeordneten Jozsef Szajer in Brüssel. Regime-Medien streuen als Ursache eine Sexfalle üblicher Verdächtiger aus dem Westen, die Ungarn Böses antun wollen. Interessant, dass das offizielle Ungarn das Schlechte aus dem Westen und das Gute aus dem  Osten ortet: Zufall, dass dieses  EU-Land mit  Russlands „Sputnik“-Vakzin impfen wird?

Nach langem Schweigen hatte Orban das Verhalten von Szajer erst am Mittwochabend im Kurznachrichtendienst Twitter als „inakzeptable und nicht zu rechtfertigende Handlung“ verurteilt. „Was unser Vertreter, Jozsef Szajer, getan hat, hat in den Werten unserer politischen Familie keinen Platz“, ließ der sich gern als Law-and-Order-Mann präsentierende Orban über seinen Sprecher mitteilen. Szajer musste aus der Fidesz-Partei austreten, die er mitgegründet hatte.

Jozsef Szajer hat der ungarischen Regierungspartei Fidesz einen unangenehmen Skandal beschert. (Bild: APA/AFP/PETER KOHALMI)
Jozsef Szajer hat der ungarischen Regierungspartei Fidesz einen unangenehmen Skandal beschert.

Doch innerhalb der Regierungspartei mehren sich indessen auch die kritischen Fragen zum Ablauf des Polizeieinsatzes in Brüssel. Etwa, warum die Sex-Bombe ausgerechnet im für Orban denkbar schlechtesten Moment, als es EU-Forderungen in Sachen Rechtsstaatlichkeit abzuwehren galt, explodierte.

Ungarn (hier im Bild Premier Victor Orban) möchte mit einer Zustimmung das laufende Rechtsstaatsverfahren gegen sich aushebeln. (Bild: John Thys, Pool Photo via AP)
Ungarn (hier im Bild Premier Victor Orban) möchte mit einer Zustimmung das laufende Rechtsstaatsverfahren gegen sich aushebeln.

So sei laut dem auf Deutsch erscheinenden „Budapester Zeitung“ für Fidesz-Anhänger auch fraglich, warum die Brüsseler Polizei „recht bereitwillig und auch nur“ die Identität von Szajer offenlegte. Zusatz: Wer sind die anderen rund 25 Männer, die an der Homosexuellen-Party teilgenommen hatten?

Weil über deren Identität nichts nach außen dringe, wird auch mehr oder weniger offen über eine mögliche Honigfalle für den gefallenen EU-Abgeordneten spekuliert - und eine Parallele zur Ibiza-Affäre und Heinz-Christian Strache gezogen, dem es schließlich ähnlich ergangen sei, weil er sich mit den Mächtigen angelegt habe.

In einer Privatwohnung über der „Monroe Bar“ fand die Party statt. (Bild: APA/AFP/BELGA/LAURIE DIEFFEMBACQ)
In einer Privatwohnung über der „Monroe Bar“ fand die Party statt.

Damit nicht genug, werden auch zu den bei Szajer gefundenen Drogen in Fidesz-Kreisen und regierungsnahen Medien in Ungarn Zweifel gestreut. Und wer sich in seinen Zweifeln bestärken möchte, kann dies auch dank den zahlreichen in sozialen Netzwerken veröffentlichten Videos über Verschwörungstheorien zu dem Sex-Skandal tun. 

In einem besonders dreisten Video wird Szajer gar zum Helden hochstilisiert, der eine Erpressung Ungarns verhindert habe, indem er selbst in der Causa die Initiative ergriffen habe …

Kronen Zeitung/krone.at

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