„Letzte Warnung“
Virologe Drosten für Lockdown über Feiertage
Lockdown an Weihnachten, um einen starken Anstieg der Corona-Zahlen im neuen Jahr zu verhindern? Was hierzulande bislang von der Regierung ausgeschlossen wird, soll in Deutschland zur Eindämmung der Corona-Pandemie Realität werden. Zumindest wenn es nach dem Top-Virologen Christian Drosten geht, der sich am Dienstag für eine rasche Verschärfung der Maßnahmen ausgesprochen hat.
„Es ist schon so, dass wir jetzt unbedingt etwas tun müssen“, sagte Charité-Wissenschaftler Drosten im „Coronavirus-Update“ vom Dienstag bei NDR-Info. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass die Weihnachtszeit zu einem Anstieg der Fallzahlen führe. Werde jetzt nicht nachreguliert, drohe „Ende Januar und über den gesamten Februar hinaus“ ein Lockdown mit massiven Folgen für die Wirtschaft.
Weihnachten und Jahreswechsel für „harten Lockdown“ nutzen
Drosten ist einer der Experten, der an einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina mitgewirkt hat. Darin wird empfohlen, die Feiertage und den Jahreswechsel für einen „harten Lockdown“ zu nutzen. Vom 24. Dezember bis mindestens 10. Jänner sollte „in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen“. Bereits ab 14. Dezember müssten Kontakte auf ein „absolutes Mindestmaß“ reduziert werden.
Der Virologe sagte, das Papier sollte vielleicht verstanden werden als „deutliche und letzte Warnung der Wissenschaft“. Entscheide sich die Politik anders, habe sie sich nicht mehr für die Wissenschaft entschieden. Eines steht fest: Weihnachten wird in ganz Europa zur Corona-Belastungsprobe. Vielerorts gibt es entweder konkrete Beschränkungen oder zumindest Empfehlungen zur maximalen Anzahl an Personen bei Weihnachtsfeiern. Tenor von Österreich bis Schweden: Möglichst nur im kleinsten Kreise der Familie feiern.
Mediziner: „Infektionszahlen werden wieder steigen und nicht sinken“
Und auch wenn sich die Infektionszahlen mitten in den Lockerungen hierzulande stabilisieren, gibt es noch keine Entwarnung. Der Allgemeinmediziner Ramin Nikzad gab sich auf Facebook vor dem Ende des jüngsten Lockdowns überzeugt, dass durch den wiederaufgenommenen Schulbetrieb und das damit endende Home-Office sowie der Öffnung des Handels die Infektionszahlen „naturgemäß wieder steigen und nicht sinken“ werden. „Denn das neuartige Coronavirus ist nicht das Christkind. Es tut nicht, was wir uns wünschen. Es liest auch keine Briefe, die wir ihm schreiben. Es vollbringt keine Weihnachtswunder“, so der ernüchternde Ausblick des Mediziners.
Die Corona-Strategie der türkis-grünen Regierung kam am Dienstag auch in führenden Tages- und Wochenzeitungen in der Schweiz und in Deutschland nicht besonders gut weg. Die Corona-Politik agiere in vielen Hauptstädten „zu sprunghaft“, schrieb etwa die „Berliner Zeitung“. Sie strapaziere „zu viele Extreme. Irgendwann steigen die Leute aus. Gute Politik zeichnet sich durch Augenmaß aus. Ein hoher Durchsatz an atemlos durchgewunkenen Verordnungen ist kein Wert an sich.“
Kanzler will, „dass wir gut durch die Weihnachtsfeiertage kommen“
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst wandte sich am Dienstag mit einem Ausschnitt aus einem ORF-Interview an die Bevölkerung - und vor allem an jene, „die das Coronavirus nach wie vor nicht ernst nehmen“. Diese bat der Kanzler „sich die Situation in den Spitälern anzuschauen“. Seine große Bitte an all jene, die jetzt auf noch schnellere Öffnung drängen, sei, „Verständnis dafür zu haben, dass wir jetzt nur behutsam öffnen können“. Entscheidend sei, dass jeder seinen Beitrag leisten könne, indem die Maßnahmen im privaten Bereich mitgetragen werden. „Dort stammen die meisten Ansteckungen her“, so Kurz, der es als seine aktuell größte Sorge betrachtet, dass „wir gut durch die Weihnachtsfeiertage kommen“.
Bei deutlich niedrigeren Corona-Zahlen als in Österreich gehen andere europäische Länder und Regionen jedenfalls bereits wieder einen Schritt Richtung strengere Beschränkungen - wie zuletzt etwa Bayern. Die Niederlande verkündeten am Sonntag, angesichts der weiterhin hohen Corona-Infektionszahlen die Restriktionen über die Feiertage zu verlängern. Auch die Schweizer Regierung will angesichts wieder steigender Ansteckungszahlen landesweit strengere Beschränkungen durchsetzen, ließ sie am Dienstag durchblicken. Und auf die Slowakei kommt demnächst ein neuerlicher Lockdown zu, weil die Zahl der Corona-Neuinfektionen zuletzt wieder rasch angestiegen ist. Weitere Details will die Regierung erst am Mittwoch bekannt geben.
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