Brexit und Budget

Europa liefert sich Tauziehen an vielen Fronten

Ausland
09.12.2020 06:00

Schon das offizielle Programm klingt ambitioniert: Es geht ums Klima, um den Anti-Terror-Pakt, um die Türkei, um die Beziehungen zu den USA und natürlich um Corona. Tatsächlich werden aber wohl der Brexit und der Streit um das Budget sowie die Blockade von Ungarn und Polen im Mittelpunkt des EU-Gipfels stehen.

Auf 750 Milliarden Euro an Corona-Hilfen hat sich Europa geeinigt, doch das Geld kann nicht ausgezahlt werden. Ungarn und Polen blockieren das Budget, weil mit diesem der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus verknüpft ist. Damit will die EU ein Instrument schaffen, um Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien schneller und effektiver zu ahnden - mit Beihilfenkürzungen. Und dagegen wehren sich die rechtspopulistischen Regierungen in Ungarn und Polen, zwei Länder, die zu den größten Nettoempfängern in der EU zählen.

Der ungarische Premier Viktor Orban besteht weiter auf seinem Veto. (Bild: AP)
Der ungarische Premier Viktor Orban besteht weiter auf seinem Veto.

Bleibt Bugdet-Blockade, drohen drastische finanzielle Einbußen
Mittlerweile wird in Brüssel an Modellen ohne die beiden Blockiererstaaten gebastelt. So könnten etwa die Corona-Hilfen aus dem Finanzpaket ausgegliedert und einzeln beschlossen werden. Bleibt die Budget-Blockade aber aufrecht, steht der Union ab Jänner nur ein Not-Haushalt zur Verfügung. Das würde dann auch für Polen und Ungarn drastische finanzielle Einbußen bedeuten.

Wesentlich einiger ist sich die EU in der Frage der Terrorismusbekämpfung. Am Mittwoch wird die Kommission ihre Vorschläge dazu präsentieren. Nach dem verheerenden Anschlag in Wien Anfang November hatten sich zuletzt Bundeskanzler Sebastian Kurz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron darauf verständigt, „Druck auf europäischer Ebene zu machen“, um den „Kampf gegen islamistischen Terror und den politischen Islam“ voranzutreiben, wie sie betonten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

In Sachen Klima fordern heimische Unternehmen von Kanzler Kurz, sich „in der Gruppe der Vorreiter“ zu positionieren. In einem offenen Brief, unterschrieben etwa von Spar und Ikea, drängen die Firmen auf ein Kohlenstoffdioxid-Reduktionsziel von 65 Prozent. Nur so könne das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Übereinkommens erreicht werden, heißt es in dem Schreiben.

Die Gipfel-Erklärung sieht vor, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. Dieses Ziel werde von Österreich grundsätzlich unterstützt, heißt es dazu aus dem Kanzleramt, doch es sei wichtig, gleichzeitig die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu erhalten.

Sebastian Kurz im Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (Bild: APA/BKA/Dragan Tatic)
Sebastian Kurz im Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Langzeitfolgen
Die EU hat derzeit alle Hände voll zu tun, um sämtliche Bälle irgendwie in der Luft zu halten. Daran ist die Union natürlich selbst schuld, denn dass einzelne Mitgliedstaaten versuchen, alle anderen in Geiselhaft zu nehmen, ist nichts Neues. Auch der Brexit ist kein plötzlich aufgetretenes Problem. Dass Klimaschutz und der Kampf gegen den Terrorismus ebenfalls nicht unwichtig sind, sollte sich in Brüssel auch schon herumgesprochen haben.

Ein Thema aber hat die EU in den vergangenen Monaten komplett links liegen lassen. Vielleicht weil viele froh sind, sich einmal nicht damit beschäftigen zu müssen. Vielleicht aber auch, weil die heuer gesunkene Zahl der Flüchtlingsankünfte in Griechenland so manche in Sicherheit wiegt. Doch die UNO schlägt bereits Alarm und warnt vor den Langzeitfolgen der derzeitigen Gesundheitskrise: Die Corona-Pandemie erschwert die Versorgung von Flüchtlingen, dazu kommt, dass die wirtschaftliche Situation in ohnehin schon armen Ländern noch dramatischer wird und sich wieder mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen könnten.

Und was macht die EU, die schon bisher keine ausreichende Antwort in der Asylfrage gefunden hat? Sich vorbereiten, um nicht überrascht zu werden? Versuchen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, statt die Verantwortung weiterhin einzelnen Staaten zu überlassen? Fehlanzeige. Vorerst passiert einmal gar nichts. Auch das ist in Brüssel nichts Neues, kann aber nicht das richtige Rezept sein.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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