„Krone“-Analyse

Tun wir alle genug gegen Corona? – Leider nein!

Politik
13.12.2020 06:00

Jeder kann im Kampf gegen die Corona-Pandemie seinen Beitrag leisten. Wenn wir Masken tragen, Abstand halten, uns regelmäßig testen lassen und so weiter und so fort, wird die Verbreitung des Virus eingedämmt. Doch beweisen die Totenzahlen, dass das sowohl der Regierung als auch der Bevölkerung bisher nicht gelungen ist.

Die Regierung drückt sich zu sehr vor der nackten Tatsache, dass Österreich im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl zwischenzeitlich weltweit die meisten Infektionen hatte. Und immer mehr Tote. Doch muss sich die Bevölkerung auch an der Nase nehmen. Klar, viele Menschen nehmen die Pandemie und alle Maßnahmen sehr ernst. Ob das aber die Mehrheit ist?

Eine Langzeitstudie der Universität Wien zur öffentlichen Meinung über Corona weist jede Menge Achtlosigkeit oder gar Ignoranz nach. So etwa werden im Herbst die heimischen Infektionen - Stand Samstag waren es knapp 320.000 Fälle und 4380 Tote - von einer Mehrheit unterschätzt, obwohl die Zahlen täglich verkündet werden.

Die geringe Beteiligung an den Massentests überrascht kaum. Denn rund die Hälfte meint, dass sie sich nicht einmal nach dem Kontakt mit einer möglicherweise infizierten Person testen lassen würde. Hallo, geht’s noch? Wenn man hier nicht sofort eine der kostenlosen Testmöglichkeiten in Anspruch nimmt, ist uns nicht mehr zu helfen.

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

Hinzu kommt eine Entsolidarisierung. Längst glaubt nur eine Minderheit, dass wir unser Bestes zur Bewältigung der Krisensituation geben sowie uns um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Schutz der Schwächeren kümmern. Das Wir-Gefühl aus dem Frühjahr ist Geschichte. Jetzt - wo die Lage viel schlimmer ist - streiten wir als Hobbyvirologen quer durch Familien und Freundeskreise auf inhaltsarmem Stammtischniveau. Dabei sucht keiner Fehler bei sich, allein die jeweils anderen gelten als Idioten.

Was wir bräuchten, sind mehr Sachargumente. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu Recht um solche Kritik gebeten. Die Aussagen der österreichischen Regierung, dass ihre Maßnahmen niemand kritisieren soll, sind demgegenüber ein seltsames Demokratieverständnis. Gegenvorschläge, was gegen das Virus zu machen ist, dürfen niemals als Suche nach dem Haar in der Suppe abgetan werden. Was in Pandemiezeiten nicht geht, ist bloß das politische Hickhack und parteipolitisches Strategiedenken.

Das Problem ist nicht zu viel Kritik, sondern mangelnde Differenzierung. Dazu einige Beispiele: Ich kann konsequent Maske tragen und Abstand halten und trotzdem die Regierung kritisieren. Ich kann den Sinn von Massentests bezweifeln - weil intensivere Zielgruppentests von Kontaktpersonen wichtiger sind - und mich dennoch regelmäßig testen lassen. Ich kann Quarantänepflicht für Reiserückkehrer für richtig halten, ganz egal, ob es Urlaubsreisende oder ihr Herkunftsland besuchende Menschen sind. Es geht nicht um Schwarz-Weiß-Denken als Suche nach Schuldigen, sondern um gemeinsame Wege aus der Krise.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)

Regierungspolitiker jeder Farbe (alle Parlamentsparteien sind in mindestens einem Bundesland in der Regierung!) sollen Fehleranalysen machen. Warum haben Statistiker ab August ein exponentielles Wachstum der Infiziertenzahlen - das bedeutet ständige Vervielfachung - beschrieben und wurde politisch nicht reagiert? Warum ist das Contact Tracing vielerorts zusammengebrochen? Warum lockert Österreich, wenn Deutschland verschärft? Wo haben wir uns im Vergleich zu Finnland mit dessen geringer Virusverbreitung geirrt?

Wir brauchen von den Regierenden ehrliche Antworten - nicht um sie an den Pranger zu stellen, sondern es miteinander besser zu machen. Denn unser aller „Ich kann mich sicher nicht anstecken, ich mache sicher alles richtig“ ist gleich blöd wie politische Beschönigungen. Es ist keine Schande, in schwierigen Zeiten Fehler zu machen. Man muss aus ihnen lernen.

Vor allem bei der Impfbereitschaft. Nur wenn sich die Mehrheit - laut Weltgesundheitsorganisation mehr als zwei Drittel - impfen lässt, wird es jemals ein Ende der Masken und Beschränkungen im Alltag geben. Sonst werden uns Lockdowns bis ans Lebensende begleiten.

In einem Spital in Colorado wird der Ablauf von Impfungen gegen das Coronavirus geübt. (Bild: AP/Denver Post)
In einem Spital in Colorado wird der Ablauf von Impfungen gegen das Coronavirus geübt.

Die aktuelle Impfwilligkeit wird oft mit rund 50 Prozent angegeben. Der Satz „Die Hälfte lässt sich impfen!“ stimmt freilich nur unter Mitzählung aller, die sich laut eigener Angabe vielleicht bis wahrscheinlich impfen lassen. Leider wissen wir, dass bei sozial erwünschtem Verhalten - von etwas spenden über die Wahlbeteiligung bis eben zur Impfung - viele nicht laut „Nein, das tue ich nicht!“ sagen.

Es wirklich tun, das ist etwas anderes. Die sichere Impfbereitschaft liegt derzeit bei einem Viertel oder sogar darunter. Das in Verbindung mit einer halbherzigen Maßnahmenbefolgung bedeutet: Stand jetzt würde die Pandemie nie enden. Weil wir nicht genug dagegen tun!

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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