"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es der Türkei Recht ist, dass ein Botschafter so vorgeht", sagte Spindelegger nach dem Telefonat mit seinem Amtskollegen Davutoglu, den er zu einer Klarstellung aufgefordert habe.
"Nicht im Auftrag Ankaras gehandelt"
Der türkische Außenminister hatte offenbar keine Kenntnis von dem Interview und sicherte Spindelegger zu, dass er ihn "über die weiteren Schritte informieren" wolle. Der ÖVP-Politiker wertete dies als Zeichen dafür, dass Tezcan "nicht im Auftrag von Ankara gehandelt" habe.
Auch habe der türkische Außenminister unterstrichen, dass weiterhin das gelte, was er anlässlich Spindeleggers Türkei-Besuch im Oktober gesagt habe. Davutoglu hatte damals die bilateralen Beziehungen gelobt und betont, dass Österreich vermutlich jener EU-Staat sei, "der die Türkei am besten versteht". Spindelegger sieht daher auch die für Anfang 2011 vereinbarte Wiener Konferenz über Integration von Türken in Europa "nicht gefährdet".
Faymann empört, Fekter "schwer verwundert"
Kanzler Faymann bezeichnete die Aussagen als "unprofessionell und inakzeptabel" und zeigte sich darüber "empört". Mit seinen Äußerungen habe Tezcan nicht nur die Menschen im Gastland, demokratische Institutionen und die internationalen Organisationen in Wien "beleidigt, sondern auch keinen Beitrag zum guten Zusammenleben geleistet", kritisierte Faymann in einer Aussendung am Mittwoch.
"Schwer verwundert" zeigte sich Innenministerin Maria Fekter über die Angriffe des türkischen Botschafters. "Es ist eine unglaubliche Entgleisung und eines Botschafters unwürdig, sein Gastland so zu attackieren", reagierte die Politikerin "erzürnt". Vor allem der Forderung Tezcans, dem Innenministerium die Integrationskompetenzen zu entziehen und diese etwa dem Sozial- oder Familienministerium zu überantworten, kann Fekter wenig abgewinnen: "Es steht einem Botschafter nicht zu, die Kompetenzaufteilung innerhalb der österreichischen Bundesregierung zu bewerten, die das Parlament beschlossen hat."
Pröll: "Unangemessen und inakzeptabel"
Vizekanzler Pröll wies die Aussagen des türkischen Botschafters in einer ersten Reaktion scharf zurück. "Es ist absolut unangemessen und inakzeptabel, dass sich ein Diplomat in dieser Form über die Innenpolitik seines Gastlandes äußert und ein Regierungsmitglied öffentlich derart abqualifiziert", ließ Pröll über seinen Sprecher ausrichten. Weiters meinte Pröll, er habe Außenminister Spindelegger gebeten, den Botschafter ins Außenamt zu zitieren - was am Mittwochvormittag passiert ist. Der österreichische Botschafter in Ankara werde zudem um einen Termin im türkischen Ministerium ansuchen.
FPÖ fordert Abbruch der diplomatischen Beziehungen
Als erste Oppositionspartei reagierte die FPÖ verärgert auf die Aussagen Tezcans. Generalsekretär Harald Vilimsky forderte das sofortige Aussetzen der diplomatischen Beziehungen zur Türkei. Es sei schier ungeheuerlich, was der oberste türkische Diplomat den Österreichern ausrichte, und in keiner wie immer gearteten Weise akzeptabel, erklärte er in einer Aussendung. Der türkische Botschafter habe sich nicht nur massiv im Ton vergriffen, sondern einen Beweis mehr geliefert, dass die Türkei bzw. die türkische Mentalität niemals Teil der Europäischen Union werden könne, so Vilimsky.
Ins gleiche Horn stieß das BZÖ und sprach sich für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. Es sei unvorstellbar, dass die Türkei mit so einer Geisteshaltung jemals in der EU Platz finde, erklärte BZÖ-Chef Josef Bucher am Rande einer Pressekonferenz. Ein Botschafter, der so agiere, sei im diplomatischen Dienst "nicht tragbar".
Van der Bellen über Empörung verwundert
Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, zeigte sich hingegen verwundert über die heftigen Reaktionen auf die Äußerungen des Botschafters. Van der Bellen selbst konnte diesen nämlich auch Positives abgewinnen. Tezcan habe "den Finger in erfrischend undiplomatischer Weise auf viele wunde Punkte im Umgang mit türkischen bzw. türkischstämmigen Menschen in Österreich gelegt".
"Wenn ich auch nicht alle seine Aussagen unterschreiben würde, so decken sich viele der angesprochenen Kritikpunkte mit meinen Positionen", so Van der Bellen, der die Reaktion durch Außenminister Spindelegger für völlig überzogen hält.
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