Für eine fundierte Einschätzung zur Gefährlichkeit der neuen Coronavirus-Mutation ist es für Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien noch zu früh. Zwar gebe es Hinweise auf eine beschleunigte Ausbreitung, der Krankheitsverlauf sei aber offenbar nicht verändert. Dass diese Variante schon vereinzelt hierzulande aufgetreten ist, könne man nicht ausschließen, so der Experte. Forscher sehen indes keine direkte Verbindung zwischen den Mutationen in Großbritannien und Südafrika: „Die Variationen in England und Südafrika sind ähnlich, aber vermutlich unabhängig voneinander entstanden“, sagte der deutsche Wissenschaftler Wolfgang Preiser.
Auch die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC teilte in einer Gefahreneinschätzung vom Sonntag mit, die Variante in Südafrika habe „keine enge evolutionäre Beziehung“ zu jener in Großbritannien. Sie zeige aber, dass die Entstehung erfolgreicher Varianten mit ähnlichen Eigenschaften womöglich nicht selten sei.
Höhere Infektiosität möglich
Erstmals beobachtet wurde der sogenannte B.1.1.7.-Cluster oder die auch „VUI-202012/01“ genannte Variante im September in Großbritannien. Bei dem Mutations-Ensemble handelt es sich um „zumindest“ 17 gemeinsam auftretende Veränderungen des Erbguts des SARS-CoV-2-Virus. Einige der Veränderungen betreffen das charakteristische Spike-Protein, mit dem der Erreger an menschliche Zellen andockt und die er zum Eindringen benützt. Zumindest zwei dieser Mutationen dürften mit erhöhter Infektiösität zusammenhängen, so Bergthaler am Montag im Ö1-„Mittagsjournal“.
Mutation in Österreich noch nicht gefunden
In Österreich habe man seit Anfang September immerhin 150 Virus-Proben im Detail analysiert, diese Variante aber bisher noch nicht gesehen, so der Forscher, der die Wahrscheinlichkeit aber als „relativ hoch“ einschätzt, diese auch hierzulande zu finden. Welche Auswirkungen die Veränderungen haben, müsse nun in weiterführender Forschungsarbeit geklärt werden.
Rasche Verbreitung kann auch Zufall sein
Die gesteigerte Verbreitung dieser Variante könne nämlich theoretisch auch „purer Zufall sein“. Stimmten aber Angaben zu einer um bis zu 70 Prozent höherer Übertragungsgeschwindigkeit müsse man vermutlich auch Eindämmungsmaßnahmen überdenken. „Das ist aber noch nicht hinreichend bestätigt.“
Dass die Veränderungen dazu führen, dass in den Startlöchern stehende Impfungen weniger oder gar nicht wirksam werden, erwartet Bergthaler nicht. Dafür gebe es momentan „keine Anhaltspunkte“. Damit nämlich ein sich veränderndes Virus tatsächlich der Immunantwort sozusagen davonlaufen kann, brauche es tatsächlich Veränderungen weiter Teile des Erregers. „Das ist in diesem konkreten Fall nicht so“, sagte Bergthaler.
Die neue Variante des Coronavirus ist außer in Großbritannien auch in Australien, Island, Italien, den Niederlanden und Dänemark gefunden worden. Abgesehen von Dänemark seien es Einzelfälle gewesen, berichtete die Coronavirus-Expertin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Maria van Kerkhove, am Montag in Genf.
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