Vakzin und Macht

Der Corona-Impfstoff als das neue „Space Race“

Ausland
22.12.2020 06:02

Wer den wirkungsvollen Impfstoff gegen das Coronavirus hat, wird auch die geopolitische Machtbalance zu seinen Gunsten beeinflussen. Peking und Washington wissen das.

Das „Space Race“, der Wettlauf im All zwischen den USA und der Sowjetunion, galt als Symbol für den Kalten Krieg um die Vorherrschaft auf der Welt. Es war ein Wettlauf der politischen Systeme. Das „Space Race“ unserer Zeit ist das Rennen um den Corona-Impfstoff zwischen den USA und China. Und es geht nicht um den Mann im Mond, sondern um Leben und Tod. „Der ,Sieger‘ beeinflusst die geopolitische Machtbalance zu seinen Gunsten“, schreibt Hal Brands vom konservativen Thinktank American Enterprise Institute (AEI).

(Bild: ©Orathai - stock.adobe.com)

Die Angst vor einer unfairen Verteilung
Es scheint bemerkenswert, dass man beim Kampf gegen Corona an politische Machtverhältnisse denkt. „In einer wettbewerbsorientierten Welt ist das leider die nackte Wahrheit“, so Brands. Welche Gefahr besteht? Reiche Staaten horten den Impfstoff, arme Staaten gehen leer aus. Wer den wirkungsvollen Impfstoff schlussendlich herstellt, hat nicht nur eine humanitäre Verantwortung, sondern auch eine ökonomische. Eine Erholung der Weltwirtschaft ist nur möglich, wenn der Impfstoff flächendeckend zugänglich ist. Und die geopolitische Verantwortung: „Wer den Impfstoff hat, wird die führende Weltmacht sein“, schreibt Brands. Ganz simpel.

Peking weiß das. Weswegen chinesische Hacker einen Sturmangriff auf westliche Pharma-Unternehmen starteten. Chinas Präsident Xi Jinping sagte sinngemäß, er wolle den Impfstoff der Welt zum Geschenk machen. China will sich als Marke neu definieren: vom unverantwortlichen, autokratischen System, das die Pandemie verursacht hat, zu der hochtechnologisierten Supermacht, die sie beendet. Und es wird den Impfstoff strategisch einsetzen und die Weltgemeinschaft daran erinnern, „mit wem man sich im Südchinesischen Meer besser nicht anlegt“.

Chinas Staatschef Xi Jinping auf dem Höhepunkt seiner Macht. (Bild: AFP, krone.at-Grafik)
Chinas Staatschef Xi Jinping auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Chinas Impfstoffe würden den Standards im Westen vielleicht nicht standhalten. In Entwicklungsländern allerdings schon. Und dort ist China ohnehin bereits auf dem Vormarsch. Und die USA? Präsident Donald Trump lehnte jede Zusammenarbeit zur Erforschung des Impfstoffes ab. „Washington wird geopolitisch einen hohen Preis zahlen, wenn sie in der Pandemie nicht das Heft in die Hand nehmen können“, analysiert Brands. Washingtons schlimmster Albtraum: wenn andere - insbesondere China - einen wirkungsvollen Impfstoff haben und die USA nicht.

Donald Trump (Bild: AFP)
Donald Trump

Covax: Gemeinsam statt gegeneinander
Das Klügste wäre, so Brands, wenn die USA der von der EU gestarteten Covax-Initiative beitreten. Was ist Covax? Kurz gesagt: EU, WHO und weitere Partner haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2021 zwei Milliarden Impfdosen zu beschaffen und bislang 92 Entwicklungsländern den Zugang dazu sicherzustellen. Insgesamt hat die EU 500 Millionen Euro dafür über Beiträge der Teilnehmerländer aufgebracht, Österreich ist mit 2,4 Millionen Euro dabei. China trat der Initiative nach anfänglichem Zögern bei. Russland und die USA nicht.

„Covax hat noch viele Baustellen“, sagt Olaf Mientzeck, Leiter des Multilateralen Dialogs in Genf, zur „Krone“. „Aber die Initiative ist ein Beispiel, dass es, bei allen Hindernissen, doch den Willen zu multilateraler Zusammenarbeit und globaler Solidarität gibt.“ Statt eines Wettlaufs um den Impfstoff könnte man Hand in Hand gehen. Zum Wohle der Menschheit.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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