Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Montag den zahlreichen Appellen zur Aufnahme von Flüchtlingen von der griechischen Insel Lesbos angeschlossen. „Wir haben Platz genug“, sagte er in Richtung der Verantwortungsträger. Die Hilfe vor Ort funktioniere nicht, kritisierte er. Bereits zuvor hatte der Wiener Superintendent der Evangelischen Kirche A.B., Matthias Geist, einen eindringlichen Appell an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gerichtet, seine Haltung zu überdenken.
„Setzen wir eine humanitäre Geste im Sinne Erster Hilfe. Die kann nur heißen, prioritär Familien mit Kindern dort herauszuholen“, sagte Van der Bellen in der „Kleinen Zeitung“. Das könnten Familien sein, denen bereits Asylstatus zuerkannt wurde, oder solche, deren Verfahren dann erst in Österreich durchgeführt werden müsste.
„Die Hilfe vor Ort funktioniert nicht“
Zur Befürchtung der Regierung, das könnte weitere Flüchtlingsströme auslösen, weshalb man lieber „Hilfe vor Ort“ leiste, erwiderte der Bundespräsident: „Erstens funktioniert die Hilfe vor Ort nicht, und zweitens: Weihnachten ist die Zeit der Herbergssuche, wie es der Kardinal (Christoph Schönborn, Anm.) gesagt hat. Ist es uns wirklich egal, wie es den Leuten dort geht, obwohl wir helfen könnten? Wir haben Platz genug.“
Superintendent: „Ändern Sie Ihre Haltung“
„Bitte ändern Sie und alle Regierungsmitglieder mit Ihnen Ihre Haltung“, schrieb der evangelische Superintendent Geist in einem Brief an Kurz. „Bedenken Sie bitte kein politisches Kalkül, Allianzen in Österreich oder in der EU, sondern bedenken Sie, ob es nicht jedes kleine Kind wert ist, dass wir ihm helfen - mit allen unseren Mitteln“, heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben.
Persönlich an den Bundeskanzler gerichtet appelliert der evangelische Superintendent: „Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu verändern, als hartnäckig zu ihr zu stehen - koste es, was es wolle. Mein Aufruf an Sie ist es, sich hier und heute in Verantwortung für die Menschenleben vor den Toren Europas offen zu zeigen. Ein Evakuieren bedrohter Menschen kann immer - aus Nächstenliebe und/oder humanitären Gründen - erfolgen! Dazu ist jeder gesicherte Ort, jede in sich ruhende Gemeinschaft fähig.“ Dieser Zustand lässt Europa in seinen Werten unglaubwürdig werden“, so der Superintendent an den Bundeskanzler.
Schönborn: „Flüchtlinge aus Lesbos aufnehmen“
Auch die Österreichische Ordenskonferenz appellierte an die Bundesregierung, im Sinne der Humanität ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und forderte die Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos. Die Situation der vor Bürgerkrieg und Hungersnot geflüchteten Menschen sei prekär und menschenunwürdig, hieß es in einer Aussendung. Bereits am Freitag hatte Kardinal Schönborn an die Österreicher appelliert, Menschen aus den Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen.
Auf politischer Ebene bekräftigte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch die Forderung, „das Elendslager auf Lesbos sofort zu evakuieren“. Deutsch rief die Bundesregierung erneut auf, Kinder aus dem Lager in Österreich aufzunehmen, und nahm den Bundeskanzler in die Pflicht. Dass Kurz am Wochenende angekündigte habe, das „Elend der Kinder durch eine Betreuungseinrichtung in Dreck und Kälte zu behübschen, anstatt es endlich zu beenden“, ist für Deutsch „schäbig und skandalös“.
Aschbacher verteidigt die Regierungspläne
Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) verteidigte hingegen die Regierungspläne. Die Bilder und Berichte aus Lesbos würden sie „nachdenklich und betroffen“ machen, es sei aber wichtig, vor Ort für Unterstützung zu sorgen. Deshalb werde mit einer Einrichtung für 500 Kinder psychosoziale Unterstützung und auch Bildung ermöglicht, erklärte Aschbacher am Montag gegenüber der APA. Es gebe sowohl die Mittel als auch das Konzept, sodass die Betreuungseinrichtung rasch errichtet werden könne.
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