Obwohl die Grünen als Koalitionspartner im Vorfeld enorme Kritik an den Plänen der Verteidigungsministerin einbrachten, senkt die Bundesregierung die Tauglichkeitskriterien für das Bundesheer und den Zivildienst. Ab dem kommenden Jahr sollen damit bis zu 2000 junge Männer mehr zur Verfügung stehen - 1200 für das Heer, 800 für den Zivildienst. Die ÖVP-Ministerinnen Klaudia Tanner (Verteidigung) und Elisabeth Köstinger (Zivildienst) setzen dies nicht mittels Gesetz, sondern per interner Weisung um.
Die Ministerinnen sprachen am Dienstag bei einem Pressetermin offiziell von einer „Tauglichkeit neu“ - die bisherige Bezeichnung „Teiltauglichkeit“ ist damit vom Tisch. Tatsächlich bleiben die neun Tauglichkeitsstufen bestehen, es werden aber die Kriterien erweitert bzw. die Ausbildungsvoraussetzungen geändert.
Ausbildung „am Pfefferspray”
Dies soll etwa dazu führen, dass ein an der Schulter verletzter Sportler künftig als tauglich eingestuft würde, führte Tanner aus. Statt am Sturmgewehr könnte er aufgrund seiner Verletzung aber am Pfefferspray ausgebildet werden. Es werde für jeden einzelnen entschieden, was er tun könne und was nicht, so Tanner.
Nicht tauglich sollen in Hinkunft nur jene sein, für die der Grundwehrdienst physisch und psychisch tatsächlich nicht möglich sei. Starten will man mit dem Geburtsjahr 2003. Diejenigen, die heuer aufgrund der Corona-Krise von der Stellungskommission noch nicht getestet wurden, werden noch nach dem alten Regime beurteilt. Mit den neuen Kriterien soll es dann im März 2021 losgehen.
Hoffnung auf mehr Zivildiener
Köstinger erwartete sich damit eine um fünf bis sechs Prozent gesteigerte Bedarfsdeckung im Zivildienst. Aktuell sind nur 66,5 Prozent der wehrpflichtigen Männer tauglich. Während es 2015 noch 17.000 Grundwehrdiener waren, betrug die Zahl im Vorjahr nur noch rund 16.000. Bei den Zivildienern gab es 2015 noch 16.200, 2019 nur 13.400. Geburtenschwache Jahrgänge stellen eine zusätzliche Herausforderung dar, heißt es beim Bundesheer.
Grüne nicht eingebunden
Tanner betonte, dass die Änderungen bei der Tauglichkeit im gemeinsamen Regierungsprogramm mit den Grünen vereinbart worden seien. Außerdem gebe es dazu einen aufrechten Ministerratsbeschluss aus dem Frühjahr. Bei den Grünen sah man das zuletzt anders. Wehrsprecher David Stögmüller meinte vor wenigen Tagen im „Standard“: „Die Gespräche über die Teiltauglichkeit sind keineswegs am Laufen - und daher wird es mit uns auch keinen verfassungsrechtlichen Husch-Pfusch bis zum 1. Jänner geben.“
Kritik auch von Opposition
Am Dienstag übten auch die NEOS Kritik. „Wir sind mehr als skeptisch, ob die Einführung der Teiltauglichkeit überhaupt verfassungsrechtlich erlaubt ist“, so Verteidigungssprecher Douglas Hoyos in einer Aussendung: „Bisher galt der Spruch des Verwaltungsgerichtshofs aus den 1980er-Jahren für den Wehrdienst und damit auch für den Wehrersatzdienst. Demnach sollen nur Stellungspflichtige infrage kommen, die einem Mindestmaß physischer Kraftanstrengung unterzogen werden können.”
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