WikiLeaks-Gründer Julian Assange wird zumindest vorerst nicht an die USA ausgeliefert. Das entschied der britische Central Criminal Court am Montag in London. Die USA, die dem 49-Jährigen unter anderem Spionage vorwerfen, hatten jedoch bereits im Vorfeld angekündigt, gegen das Urteil zu berufen.
Die Richterin begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Zustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Im Fall einer Verurteilung hätten Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht.
Vor dem Gericht feierten Anhänger des 49-Jährigen die Entscheidung mit Jubel und Freudensprüngen. Assanges Verlobte Stella Moris, mit der er zwei kleine Kinder hat, brach nach dem Urteil im Gerichtsgebäude in Tränen aus. Der Whistleblower Edward Snowden lobte das Urteil. Auf Twitter schrieb er: „Vielen Dank an alle, die sich gegen eine der gefährlichsten Bedrohungen der Pressefreiheit seit Jahrzehnten eingesetzt haben.“
Antrag auf Kaution gestellt
Die Anwälte des WikiLeaks-Gründers stellten einen Antrag auf Freilassung auf Kaution. Darüber wird das Gericht an diesem Mittwoch entscheiden, kündigte die zuständige Richterin an.
Schicksal noch nicht entschieden
Doch auch mit dem jüngsten Urteil gegen eine Auslieferung dürfte sich die endgültige Entscheidung über Assanges Schicksal weiter hinziehen, da die USA bereits angekündigt haben, in Berufung zu gehen, und der Fall damit letztlich bis vor den Obersten Gerichtshof in Großbritannien gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen könnte.
Staatsfeind oder investigativer Journalist?
Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Assange habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat - ein Video beispielsweise dokumentierte die Tötung von Zivilisten durch eine US-Hubschrauberbesatzung im Irak.
Richterin Vanessa Baraitser machte am Montag allerdings deutlich, dass der Fall nicht politisch motiviert sei. Assanges Verhalten sei über das normale Verhalten eines investigativen Journalisten hinausgegangen. Er sei sich der Gefahr für Informanten bewusst gewesen, als er deren Namen in den veröffentlichten Dokumenten nicht schwärzte. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung bietet Menschen wie Herrn Assange keinen uneingeschränkten Ermessensspielraum, um über das Schicksal anderer zu entscheiden“, sagte die Richterin.
Es gebe zudem keine Beweise, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump Druck auf Staatsanwälte ausgeübt habe, betonte sie. „Es gibt wenig oder keine Anhaltspunkte dafür, dass Präsident Trump Herrn Assange oder WikiLeaks feindlich gegenübersteht.“
Die tragische Geschichte eines Whistleblowers
Assange hatte sich 2012 aus Furcht vor einer Auslieferung nach Schweden und weiter in die ecuadorianische Botschaft in London gerettet und dort sieben Jahre gelebt, bevor ihm 2019 das Asyl entzogen und er verhaftet wurde. Ermittlungen in Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen wurden später eingestellt.
Der WikiLeaks-Gründer saß bereits seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruchs im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgen sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und körperlichen Zustand.
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