Freilassung abgelehnt

„Fluchtgefahr“: Assange bleibt weiter in Haft

Web
06.01.2021 13:33

WikiLeaks-Gründer Julian Assange muss weiter im Gefängnis bleiben. Ein Strafgericht in London lehnte am Mittwoch wegen Fluchtgefahr einen Antrag seiner Anwälte auf Freilassung gegen Kaution ab. Vor ebendieser hatten zuvor die USA gewarnt: „Er hat gezeigt, dass er sehr viel auf sich nehmen kann, um einer Auslieferung zu entgehen“, sagte die US-Vertreterin vor Gericht, Clair Dobbin. Sie verwies auf Assanges Flucht in die Botschaft von Ecuador sowie Hilfs- und Asylangebote vor allem lateinamerikanischer Staaten wie zuletzt Mexiko.

Die zuständige Richterin Vanessa Baraitser hatte bei der Ablehnung des Auslieferungsantrags am Montag auf den psychischen Gesundheitszustand Assanges und die Haftbedingungen verwiesen, die den 49-Jährigen in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Nun sagte sie, Assange könne im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem er seit rund eineinhalb Jahren sitzt, gut behandelt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Assange wie in der Vergangenheit versuche zu fliehen.

Mit Blick auf ihr erstes Urteil erklärte die Richterin: „Aus Fairnessgründen muss es den USA gestattet sein, meine Entscheidung anzufechten, und wenn Herr Assange während dieses Prozesses flüchtet, verlieren sie die Gelegenheit dazu.“ Assange verfüge weiterhin über ein riesiges Netzwerk, auf das er sich stützen könne, falls er erneut untertauchen wolle, begründete sie ihre Entscheidung.

(Bild: AP)

Assanges Anwalt hatte zuvor - vergeblich - für die Freilassung auf Kaution plädiert: Die Ablehnung des US-Auslieferungsantrags am vergangenen Montag habe die Lage für den 49-Jährigen geändert, sagte Edward Fitzgerald. Assange habe keinen Grund, aus dem Land zu fliehen, sondern vertraue dem ordnungsgemäßen Verfahren in Großbritannien. Außerdem betonte Fitzgerald die persönliche Situation des gebürtigen Australiers. „Es ist die erste Möglichkeit, mit seinen jungen Kindern zusammenzuleben.“ Assange war während seines jahrelangen Asyls in der ecuadorianischen Botschaft in London Vater zweier Kinder geworden. Assange sitzt seit 15 Monaten in London in Haft. Er solle nun wenigstens seine „bedingte Freiheit“ wiedererhalten, sagte der Anwalt.

Verlobte bittet Biden um Begnadigung
Assanges Verlobte Stella Moris zeigte sich enttäuscht, dass der WikiLeaks-Gründer nicht auf freien Fuß kommt. Sie rief das US-Justizministerium dazu auf, die Vorwürfe fallen zu lassen, und forderte den US-Präsidenten auf, Assange zu begnadigen.

Assanges Verlobte Stella Moris nach dem Urteil am Mittwoch in London (Bild: AFP)
Assanges Verlobte Stella Moris nach dem Urteil am Mittwoch in London

Auslieferung an USA abgelehnt
Baraitser hatte am Montag eine Auslieferung Assanges an die USA wegen gesundheitlicher Bedenken blockiert. Die Anwälte der US-Seite hatten bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Assange drohen in den USA im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.

Reporter ohne Grenzen rechnet US-Justiz keine großen Erfolgschancen aus
Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen sieht keine großen Erfolgschancen mehr für die US-Justiz. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Berufung der USA Erfolg haben wird“, sagte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent, der Deutschen Presse-Agentur. „Ich sehe nicht, welche neuen Argumente die Anwälte vor Gericht einbringen könnten.“ Sie hofft, dass der gewählte US-Präsident Joe Biden nach seinem Amtsantritt die Strafverfolgung Assanges beilegen könnte. Biden soll am 20. Jänner in den USA vereidigt werden und damit die Ära Donald Trumps beenden.

Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, warnte vor einem Präzedenzfall, „der investigativen Journalisten den Schutz der Pressefreiheit verweigert und den Weg für ihre Strafverfolgung unter dem Vorwurf der Spionage ebnet“. Das Urteil vom Montag sei gefährlich. Es gehe nur noch um die Frage, ob Assange fit genug sei, um die Haftbedingungen in den USA zu erdulden, sagte Melzer einer Mitteilung zufolge.

Amnesty International kritisiert „Akt der Willkür“
Kritik kam auch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: „Die heutige Entscheidung, Julian Assanges Antrag auf Kaution abzulehnen, macht seine fortgesetzte Inhaftierung zu einem Akt der Willkür und verschlimmert die Tatsache, dass er seit mehr als einem Jahr unter harten Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert ist“, betonte der Europa-Direktor von Amnesty, Nils Muiznieks.

„Es ist klar, dass Julian Assange gar nicht erst in Auslieferungshaft hätte genommen werden dürfen. Die Anschuldigungen gegen ihn sind politisch motiviert, und die britische Regierung hätte die USA niemals so bereitwillig bei ihrer unerbittlichen Verfolgung von Assange unterstützen dürfen.“

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