Star-Infektiologe

Christoph Wenisch: „Nützt nix, da müss ma durch“

Österreich
10.01.2021 16:26

Das Foto ging um die Welt und machte Primar Christoph Wenisch (53) zum Star. Keiner erklärt die Pandemie bodenständiger als er. Was er der Regierung rät und wie es ihm nach der Impfung geht?

Seit sein Impf-Jubelfoto weltweit von „New York Times“ bis „Jerusalem Post“ als Inbegriff des Triumphs der Medizin über die Pandemie für Furore sorgte, ist Professor Christoph Wenisch auch international ein Star. Hierzulande war er das schon davor. Quasi eine Austro-Antwort auf den Virologen Christian Drosten. Nur bodenständiger, unverblümter, wienerischer. Seine Ausdrucksweise eher umgangssprachlich als unverständlich wissenschaftlich.

Speed! Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, jetzt alles schnell abzudrehen. (Bild: APA/GEORGES SCHNEIDER)
Speed! Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, jetzt alles schnell abzudrehen.

Der 53-Jährige ist Leiter der Infektionsabteilung am Kaiser-Franz-Josef-Spital (Klinik Favoriten), auf dessen Intensivstation letzten Frühling die ersten schweren Covid-Fälle landeten. Privat: verheirateter Vater von fünf Kindern im Alter zwischen 5 und 25, Triathlet und Frohnatur allen Widrigkeiten zum Trotz. Heute vor zwei Wochen erhielt er als einer der Ersten im Land die Impfung gegen das Virus: „Für mich große Demut, Freude, Dankbarkeit.“

„Krone“: Wie geht es Ihnen? Haben Sie irgendwelche Reaktionen?
Prof. Wenisch: Nein, nix. Null! Kein Fieber, 100% okay. Wobei es an sich aber kein schlechtes Zeichen wäre, wenn man kurz danach leichte Nebenwirkungen, wie Kopfweh oder Müdigkeit, hätte. Es heißt ja nur: Das Immunsystem hat’s verstanden! Bei der zweiten Teilimpfung des mir verabreichten Pfizer/BioNTech-Impfstoffs könnten sie häufiger auftreten. Ob das bei mir auch so sein wird, wissen wir in einer Woche, wenn meine zweite Teilimpfung fällig ist.

Wären Sie auch jetzt schon geschützt vor einer Erkrankung?
Die erste Impfung schützt schon zu 89%. Das wäre bei mir nun der Fall und drum fühle ich mich großartig. Die zweite erhöht die Wirksamkeit auf 95%.

Durch den weltweiten Mangel an Impfstoff wird die sog. „First Shot“-Strategie überlegt: Man impft lieber möglichst viele Menschen durch und wartet dafür mit der zweiten Impfung bis zu 3 Monate statt 3 Wochen. Was halten Sie davon? Ist das riskant?
Ich bin da sehr Studien-treu. Man sollte die Impfung so geben, wie sie zugelassen ist. Alles andere ist eine politische Entscheidung, aber keine medizinische. Es ist nicht untersucht worden und daher bislang nicht gedeckt. Das kann schlau sein, aber auch danebengehen.

Manche meinen, dass man dem Virus dadurch auch die Möglichkeit weiterer Mutationen bietet?
Nein, Nährboden für Mutationen ist das nicht.

Was würden Sie unserer Regierung in der Frage raten?
Ich bin dafür, dass wir die Sicherheit voranstellen und so impfen, wie es überprüft und zugelassen wurde, wenn wir eh schon ein neues Virus und eine neue Impfung haben. Aber ich bin Arzt und kein Politiker.

Derzeit sorgt ein mutiertes Virus aus Großbritannien und Südafrika für Besorgnis, das auch bereits Österreich erreicht hat. Es gilt als 50 % ansteckender. Wird es von der Politik noch unterschätzt?
Also, ich würde es nicht unterschätzen! Es wurde zur dominierenden Mutante in sehr kurzer Zeit. Die Nachrichten aus Großbritannien sind besorgniserregend, da möchte ich Ihnen nichts vormachen. Hier gilt es schnellstmöglich zu handeln und zu reagieren.

Der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
Der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch

Was bedeutet das neue Virus für unsere Infektionszahlen und Intensivkapazitäten?
Die Lockdownerei derzeit wirkt auch dagegen. So unerträglich das für uns alle ist.

Die neuen m-RNA-Impfstoffe wirken angeblich auch gegen die neue Mutation bzw. könnten schnell angepasst werden. Gilt das auch für die guten alten Vektorimpfstoffe, wie z. B. jenen von AstraZeneca, der auf Zulassung hofft?
Die Vektorimpfstoffe haben ein ganzes Spike-Protein. Denen ist das wurscht. Ich bin aber ein Fan der neuen Technologien. Die sind eine echte Revolution.

Wie ist die Situation derzeit auf den Intensivstationen? Merken Sie schon eine Entlastung?
Die sind sowieso immer blatt’lvoll. Es ergeben sich nur Verschiebungen, es gibt ja nicht nur Covid.

Kanzler Kurz warnte letzten Sonntag hier vor einer dritten Welle, die laut EU-Rat stärker werden könnte als die zweite. Ist das realistisch oder überzogen?
Eine dritte Welle ist normal immer eher schwächer. Wie eine Nachwehe. In Europa sind wir derzeit in der zweiten, die uns noch Monate beißen und quälen wird. Eine dritte käme erst im Herbst, wenn wir es bis dahin nicht schaffen, g’scheit durchzuimpfen.

Bereitet Ihnen das Impfversagen in der EU Sorgen?
Eine schwierige Debatte und ein Problem, dass wir aufgrund der Strukturen sehr langsam sind. Die EU, die Regierungen, die Länder. Umso wichtiger ist jetzt, dass wir rasch in die Gänge kommen. Israel zeigt vor, wie es geht. Speed! Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, das jetzt alles schnell abzudrehen.

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Umso wichtiger ist jetzt, dass wir rasch in die Gänge kommen. Israel zeigt vor, wie es geht. Speed! Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, das jetzt alles schnell abzudrehen.

Primar Christoph Wenisch

(Bild: APA/Georges Schneider)

Und die Massentests?
(wird fast schon ungeduldig bei dem Thema) Testen ist vorbei. Das braucht keiner mehr, wenn wir eine Impfung haben. Jetzt heißt es Impfstraßen statt Teststraßen.

Was empfinden Sie bei den Bildern von Menschenmassen in Skigebieten oder Einkaufsstraßen?
All die Fragen nach Skispaß oder Shoppen stellt so eine Naturkatastrophe nicht. Das Virus will sich vermehren. Wurscht, wann und wo.

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Testen ist vorbei. Das braucht keiner mehr, wenn wir eine Impfung haben. Jetzt heißt es Impfstraßen statt Teststraßen.

Primar Christoph Wenisch

Welche Zahlen wären akzeptabel für Sie, damit wir wieder entspannter sein könnten?
Die Zahlen dürften maximal (!) ein Zehntel von jetzt sein. Alles andere ist inakzeptabel. Also eine 7-Tage-Inzidenz von 10 bis 20. Davon sind wir derzeit weit entfernt. Das dauert noch bis Sommer. So leid es mir tut: Vorher hamma da ka Ruh’!

Wie halten Sie das durch? Haben Sie einen Tipp für uns?
Mir hilft Sport, draußen sein, Adrenalin abbauen. Schon von der Grippe wissen wir, dass die Monate Jänner bis März die forderndsten sind. Es heißt jetzt einfach durchhalten. Das nützt nix, da müss ma durch.

Edda Graf, Kronen Zeitung

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