Der israelische Weg

Mit „proaktiven Anrufen“ und „Druck“ zur Impfung

Ausland
11.01.2021 22:13

Israels Tempo bei der Immunisierung gegen SARS-CoV-2 beeindruckt viele Experten. Während in Österreich die Corona-Impfungen mehr als schleppend starteten und viele Österreicher skeptisch sind, herrscht im bevölkerungsmäßig vergleichbaren Israel das Impffieber. Mit Stand 8. Jänner waren bereits mehr als 1,7 Millionen Israelis geimpft, am Sonntag starteten schon die zweiten Verabreichungen. Täglich werden derzeit zwischen 150.000 und 200.000 Menschen geimpft. Bis März soll die Bevölkerung mehr oder weniger immun gegen das Coronavirus sein. Aber was macht Israel anders als Österreich?

Das Geheimnis des israelischen Erfolgs? Neben Beschaffung und Verteilung des sensiblen Impfstoffes müsse man vor allem darauf setzen, „Vertrauen aufzubauen“, und die Bevölkerung proaktiv „zum Handeln drängen“: „250.000 Versicherte aus der Risikogruppe haben uns bereits von sich aus kontaktiert, nun warten wir nicht mehr, sondern rufen proaktiv an“, erklärte Ido Hadari, Sprecher der Krankenkasse Maccabi, am Wochenende gegenüber der APA.

„Ja, man kann fast schon davon sprechen, dass wir Druck auf die Impfberechtigten ausüben, schließlich geht es nicht nur um den Einzelnen, sondern um die Gesellschaft an sich“, so der Sprecher weiter. Druck erzeuge unter anderem die gezielte, persönliche Kommunikation. Dadurch sei es gelungen, ein Umdenken in der Bevölkerung zu provozieren.

Vorbereitete Spritzen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer (Bild: AP)
Vorbereitete Spritzen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer

Kontakt „je persönlicher, desto besser“
Derzeit werden in Israel Personen über 60, Krebspatienten und medizinisches Personal geimpft. Jeder Israeli ist verpflichtend bei einer der vier halbstaatlichen Krankenkassen versichert, Maccabi betreut 2,5 Millionen Bürger. „Wir haben sofort Kontakt mit all unseren Patienten aufgenommen, die zur ersten, als besonders gefährdet definierten Gruppe zählen“, erzählte Hadari. Die Kontaktaufnahme erfolge über die Maccabi-App, SMS oder E-Mail, nicht selten auch telefonisch. „Je persönlicher, desto besser“, meinte er.

In manchen Fällen hätte Maccabi Hausärzte gebeten, sich mit besonders gefährdeten Personen in Verbindung zu setzen. „Sie erklären den Menschen, warum die Impfung so wichtig ist, und klären über Nebenwirkungen auf. So räumen wir Missverständnisse und Zweifel aus dem Weg.“ Der Anteil jener, die der ersten Tranche angehören und sich noch immer nicht impfen lassen wollen, sei sehr gering und liege bei rund 20 Prozent, verwies Hadari auf aktuelle Umfragen. Das war nicht immer so. Laut Umfragen des Israel Democracy Insititute erklärten sich im November 2020 nur 33 Prozent aller Frauen und 47 Prozent aller Männer dazu bereit, sich impfen zu lassen.

„Ich habe das Gefühl, dass sich in Israel mittlerweile jeder impfen lassen möchte, alle sprechen darüber. Jeder will der Nächste sein“, erzählte Eyal Lila, der in Innsbruck lebt und über die Feiertage bei seiner Familie in Israel war, der APA. Hadari dazu: „Ein weiterer Grund für das israelische Impffieber ist ein altbekannter Marketing-Kniff: Durch Knappheit wird die Nachfrage erhöht, die Menschen haben das Gefühl, womöglich etwas zu verpassen oder zu kurz zu kommen“. Zusätzlich würden Medien ständig über die Impfung berichten, sagte Lila.

Eine Basketball-Halle in Hod Hasharon dient derzeit als Impfstation. (Bild: AP)
Eine Basketball-Halle in Hod Hasharon dient derzeit als Impfstation.
Eine der zahlreichen Drive-in-Impfstationen in Israel, wo täglich Tausende geimpft werden (Bild: APA/AFP/JACK GUEZ)
Eine der zahlreichen Drive-in-Impfstationen in Israel, wo täglich Tausende geimpft werden

Deal mit Pfizer: Daten gegen ausreichend Impfstoff
Dass Israel keine Lieferprobleme wie so mancher EU-Staat hat, liegt auch daran, dass die israelische Regierung deutlich mehr im Voraus gezahlt hat und mit Pfizer einen für das US-Unternehmen besonders wertvollen Vertrag abgeschlossen hat. Israel sicherte nämlich im Gegenzug die Übermittlung ausführlicher Daten über Infizierte, Tote und Geimpfte zu. Da in diesem Zusammenhang Kritik laut wurde, versicherte das Gesundheitsministerium, dass lediglich auch öffentlich zugängliche Informationen weitergegeben würden.

Israel hat früher und auch mehr Impfstoffdosen von Biontech/Pfizer erhalten als andere Staaten. (Bild: APA/AFP/JACK GUEZ)
Israel hat früher und auch mehr Impfstoffdosen von Biontech/Pfizer erhalten als andere Staaten.

Hilfreich erweist sich auch das israelische Krankenversicherungssystem, das wesentlich stärker digitalisiert ist als zum Beispiel jenes in Österreich. „Alle seine neun Millionen Bürger sind laut Gesetz bei einer der vier Krankenversicherungen registriert, und jeder besitzt eine persönliche Krankenakte der letzten 25 Jahre. Für eine vertiefte Auswertung der Impfungen können die Hersteller deshalb auf eine im internationalen Vergleich seltene Datenbasis zurückgreifen, um die Effekte der Schnellimpfung zu analysieren“, führte Ran Balicer, Vorsitzender des medizinischen Beraterteams der israelischen Regierung, gegenüber dem Nachrichtensender ntv aus.

Netanyahu und sein Impf-Wahlkampf
Ein weiterer Grund für das Impffieber in Israel ist der Umstand, dass Premier Benjamin Netanyahu der Immunisierung seiner Landsleute mit Blick auf die im März stattfindenden Parlamentswahlen (seine vierten in zwei Jahren!) eine hohe Priorität beimisst. Daher brachte er all sein Gewicht ins Spiel, als mit Pfizer/Biontech und anderen Impfstoffherstellern verhandelt wurde. Der wegen Bestechung angeklagte Regierungschef hat einmal sogar damit geprahlt, um 2 Uhr nachts mit Pfizer-Geschäftsführer Albert Bourla telefoniert zu haben.

Premier Benjamin Netanjahu hat sich bereits medienwirksam impfen lassen. Er wollte mit gutem Beispiel vorangehen. (Bild: AP)
Premier Benjamin Netanjahu hat sich bereits medienwirksam impfen lassen. Er wollte mit gutem Beispiel vorangehen.

Politische Beobachter meinen, dass im Falle einer Durchimpfung der israelischen Bevölkerung bis März ein Wahlsieg Netanyahus wohl außer Streit stehe. Kein Lockdown bedeutet aber dann auch, dass die Gerichte ihren regulären Betrieb aufnehmen können. Dann muss der 71-Jährige wieder vor Gericht erscheinen. Im Jänner hätte in dem Verfahren wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit eigentlich die Beweisaufnahme beginnen sollen. Doch wegen des Ende 2020 verhängten dritten Lockdowns wurde der Prozess ausgesetzt. Ein neuer Termin ist noch nicht bekannt gegeben worden.

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