Nach den Landeshauptleuten stimmen nun auch Experten die Österreicher auf einen verlängerten Lockdown ein - denn nach Ansicht von etwa MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner oder Infektiologe Andreas Bergthaler sind die aktuellen Neuinfektionszahlen im Land für Öffnungsschritte „viel zu hoch“. Bei durchschnittlich 2000 neuen Corona-Fällen pro Tag könne an ein Aufmachen nicht gedacht werden. Man müsse „englische oder irische Zustände“ verhindern, warnte man zudem vor den Auswirkungen der neuen Virusvariante, die sich bereits in Österreich befindet. Die Wissenschaftler empfehlen unter anderem einen zwei bis drei Wochen längeren Lockdown sowie eine Pflicht zu FFP2-Masken und Home-Office.
„Wir müssen mehr tun!“ - Das ist der Tenor der Experten, die am Samstagvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt Empfehlungen abgaben, wie die Neuinfektionszahlen zu senken sowie ein weiterer Lockdown zu verhindern seien, bis die Impfung nachhaltig greift. Sie schlagen einen zwei bis drei Wochen längeren Lockdown, eine generelle Pflicht für die „enorm wirksamen“ FFP2-Masken in geschlossenen Räumen, die Ausweitung des Mindestabstandes auf zwei Meter sowie regelmäßiges Testen vor. Auch das Home-Office solle verpflichtend werden.
Länder mussten zehn Tage nach Aufsperren wieder zumachen
„Die Neuinfektionen gehen nicht mehr stark genug zurück“, sagte der Leiter des klinischen Instituts für Labormedizin am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Oswald Wagner. Seinen Angaben zufolge müsste die Sieben-Tage-Inzidenz „deutlich unter 50“ sinken - nach Angaben von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vom Freitag beträgt diese derzeit allerdings knapp 150. Bei einem solchen Wert dürfe an ein Aufsperren nicht gedacht werden. Die Experten verwiesen auf Länder wie Südtirol oder Tschechien, wo aufgesperrt worden sei - und man nach zehn Tagen wieder habe zumachen müssen.
Gewarnt wurde deutlich vor der weiteren Ausbreitung der britischen Virusvariante B.1.1.7. In Österreich könne man „mit ein paar Wochen Zeitfenster beobachten, was passiert, wenn sich die Variante unkontrolliert ausbreitet: Das sieht man in England und Irland“, so der Infektiologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM). In der Slowakei etwa würde nach Angaben des Landes die Mutation bereits an die 50 Prozent der Neuinfektionen ausmachen - und auch in Österreich sei die britische Virusvariante „bereits da“.
Video: Infektiologe Andreas Bergthaler zur Lage in Österreich
„Maßnahmen müssen im Gleichklang mit europäischen Ländern erfolgen“
Die bisherigen Maßnahmen seien an und für sich „wichtig und wirksam“, gleichzeitig sei es aufgrund der Dynamik aber ein „Gebot der Stunde, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um englische und irische Zustände zu verhindern“, betonte Bergthaler. Wichtig sei zudem, so Wagner, dass die Maßnahmen „im Gleichklang mit den europäischen Ländern“ erfolge, um einen „Pingpong-Effekt“ zu verhindern.
Damit meinte er, dass wenn Nachbarländer wie etwa Deutschland oder Tschechien gerade den Lockdown verlängern und nicht lockern, es aus seiner Sicht „gefährlich“ sei, wenn Österreich in die andere Richtung gehen würde und womöglich die „Quelle neuer Infektionen“ darstelle, hatte Wagner am Vortag erklärt.
Es ist ganz wichtig, dass Home-Office eingeführt wird und auch verpflichtend gemacht wird. All diese Eltern können und sollten dann Kinder auch zu Hause betreuen.
Schonungslose Forderung von MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner
Eine klare, eindringliche Forderung richtete Vizerektor Wagner außerdem an die Politik, was die Einschränkung der Bewegungen der Bevölkerung angeht. Dazu sei es vor allem notwendig, Home-Office zur Pflicht zu machen (dort wo es möglich ist). Dies sei auch in Hinblick auf die Schulen und Kindergärten wichtig, wo derzeit teils deutlich über 50 Prozent der Kinder zur Betreuung anwesend sind. „Dass so viele Kinder in den Kindergärten und Schulen in Betreuung sind, hängt ja auch damit zusammen, dass die Eltern arbeiten gehen. Es ist ganz wichtig, dass Home-Office eingeführt wird und auch verpflichtend gemacht wird. All diese Eltern können und sollten dann Kinder auch zu Hause betreuen“, betonte der Experte.
Video: Experte Herwig Ostermann bei der Pressekonferenz
Video: Der Statistiker Erich Neuwirth wurde zugeschaltet
Auch Landeshauptleute überzeugt, dass keine Lockerungen kommen
Eine Entscheidung über die weitere Vorgangsweise soll seitens der Regierung am Sonntag verkündet werden. Bereits am Freitagabend wurde nach einem Gespräch zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den Landeshauptleuten klar, dass es wohl zu keiner Aufweichung der Maßnahmen kommen wird. Nach dem Expertengespräch, zu dem auch die Landeshauptleute zugeschaltet waren, stand am Vormittag noch ein Gespräch mit den Sozialpartnern auf dem Plan, im Laufe des Tages soll es dann eine weitere Videokonferenz mit den Landeshauptleuten geben.
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