Es ist ein boomendes Geschäft: Unzählige Agenturen im In- und Ausland bieten mittlerweile Studenten an, für sie Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten zu verfassen. Die Ghostwriter sind, wie Recherchen der „Krone“ ergaben, oft Uni-Professoren.
Der etwa 50-jährige Mann - nennen wir ihn Robert S., er will nicht, dass sein wahrer Name veröffentlicht wird -, also dieser Mann, der jetzt in seinem Büro in einer österreichischen Stadt sitzt, wirkt seriös. Selbstständiger Buchhalter sei er, erzählt er; und dass er einen akademischen Grad habe, im Bereich Wirtschaft. Wegen seiner guten Ausbildung und weil er wisse, dass viele junge Menschen aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung vom Staat neben dem Studium jobben müssten und folglich in ständigem Zeitmangel wären, „hatte ich vor einigen Jahren diese Idee“.
„Viele tun sich leider schwer damit“
Ein „zweites Standbein“, eine weitere Firma, zu gründen. Über die Hochschüler unterstützt werden. Von ihm. Die Verfassung Plagiats-freier Dissertationen, Master- und Bachelorarbeiten wird auf seiner Homepage offeriert. Robert S. möchte dennoch nicht ein „klassischer Ghostwriter“ sein, sondern er bezeichnet sich „lieber als eine Art Coach“. Der seinen Kunden beim Recherchieren und beim Schreiben - „viele tun sich leider echt schwer damit“ - hilft; Endkorrektur inklusive. Der Lohn für die Fertigstellung eines Werks? „Durchschnittlich 4000 Euro.“ Robert S.’ Dienste sind damit eher günstig.
Zumindest deutlich günstiger als die der meisten anderen Anbieter in diesem Segment. Dutzende Unternehmen, die von Deutschland oder der Schweiz aus den heimischen Markt bedienen, haben sich nämlich längst zu Imperien entwickelt. Und machen Millionenumsätze. Aus dem, per Internet abrufbaren, Portfolio einer dieser „Werkstätten“: „200 Akademiker - Geisteswissenschafter, Mediziner, Wirtschaftsexperten etc. - sind dazu bereit, für Sie Universitätstexte zu verfassen.“ Nicht wenige der Autoren - so die Behauptung - würden sogar an Hochschulen unterrichten.
Außerdem wird auf den Websites ausführlich der Ablauf der „Deals“ erklärt: Der Kontakt mit den Schreibern könne anonym stattfinden; genauso wie die Geldüberweisungen für deren Leistungen. Eine Festlegung konkreter Beträge dafür wäre erst nach Gesprächen, die Legung von Vorangeboten allerdings bereits vorweg möglich. Die Interessenten hätten bloß per Mail die Titel ihrer geplanten Arbeiten zu nennen.
„Ihr Wunsch ist mir eine Herzensangelegenheit“
Die „Krone“ ging auf solch ein Offert ein: „Ich habe als Dissertationsthema im Studium der Theaterwissenschaft das Thema: ,Das Frauenbild bei Arthur Schnitzler‘ gewählt. Wie viel würde es kosten, diese Arbeit erstellen zu lassen?“ Wenige Stunden nach der Anfrage trudelte auch schon die Antwort ein: Die Inhaberin einer Schreibwerkstätte beteuerte, dass ihr das Anliegen „eine Herzensangelegenheit“ und sie am Handy beinahe rund um die Uhr erreichbar sei.
In einem Nebensatz verwies sie auf einen Anhang, in welchem folgende Infos angeführt waren: 14.999 Euro, bei einem Umfang von 100 Seiten; die Bezahlung in bis zu zehn monatlichen Raten sei möglich, dann betrage der Preis 19.499 Euro.
10.000 Euro mehr für Note 1
Zusatz, sinngemäß: Sollte eine umfassendere Analyse bezüglich Schnitzlers Frauenbild, ein „mehrfacher Dozentendurchlauf“, Coachings und die Garantie für eine Beurteilung mit Note 1 an der Uni erwünscht sein - würden sich die Kosten erhöhen. „Um bis zu 10.000 Euro“, wie die Dame dann bei einem Telefonat erläuterte. Gleichzeitig versprach sie die „Vermittlung eines ,passenden Writers‘“. Der schnell gefunden war.
Per Mail wurden seine Kontaktdaten übermittelt, der Experte - er heiße Karl - warte auf einen Anruf. Karl ist unter einem tschechischen Anschluss erreichbar: „Ich lebe im Ausland, bin aber Wiener“, berichtete er in verbindlichem Plauderton; und dass er Romanistik, Anglistik und Geschichte studiert habe - und sich sehr für die Jahrhundertwende-Zeit interessiere. Weshalb er selbstverständlich einiges über Schnitzler wisse.
Die Erstellung einer Dissertation, erwähnte er, sei natürlich eine „ziemlich bedeutende Aufgabe“, die er gerne erbringen würde. Genauso wie umfassende Briefings vor Abgabe des Werks, „das freilich von Ihnen vor Ihrem Professor perfekt verteidigt werden sollte“.
„Meine 500 Mitarbeiter sind Vollprofis“
Markus Beckmann, Inhaber einer erfolgreichen Ghostwriter-Firma in Deutschland, zeigt sich bezüglich der mutmaßlichen Ziele seiner Klienten ein bisschen verschwiegener. Ja, seine rund 500 Mitarbeiter seien allesamt angesehene Wissenschafter und daher Profis beim Verfassen von Uni-Texten. Ja, die von ihnen erbrachten Leistungen würden „manchmal Zigtausende Euro“ kosten, denn schließlich hielten sie jeder Überprüfung stand. Doch nein - dass sich seine Klienten Titel erschleichen würden, sei ihm unbekannt.
Wir stellen ihnen lediglich Vorlagen zur Verfügung, die sie umschreiben sollten.
Markus Beckmann, Inhaber einer Ghostwriter-Firma, über seine Kunden
„Wir stellen ihnen lediglich Vorlagen zur Verfügung, die sie umschreiben sollten.“ Und, wenn sie das nicht tun? „Dann liegt das nicht in unserer Verantwortung.“ Etwa 19.000 Aufträge bekommt die Agentur Beckmann jährlich, „darunter auch von vielen Österreichern“. Wer weniger begütert ist, dem bleibt die Option, auf billigere Schreibwerkstätten, die in ehemaligen Ostblockländern oder in Spanien ihre Sitze haben, zurückzugreifen - wo für ein paar Hundert Euro Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten formuliert werden. Die oft dilettantisch und mithilfe von Übersetzungsprogrammen erstellt werden.
Las Aschbacher Arbeit nicht einmal durch?
Christine Aschbacher dürfte derartige Dumping-Unternehmen beauftragt haben. Und der Verdacht liegt nahe, dass sie ihre Arbeiten vor deren Abgaben nicht einmal durchgelesen hat. Andernfalls hätten ihr doch die absurden Fehler darin auffallen müssen. Die Frage, die bleibt: Warum haben ihre Professoren diese nicht erkannt? Weil, wie Robert S. - der Mann, der bloß ein Coach sein will - meint, „wissenschaftliche Expertisen, vor allem an Fachhochschulen, häufig einfach ,durchgewinkt‘ werden“.
Der Österreicher ist übrigens gerade dabei, seine Agentur zu schließen. Hierzulande wird nämlich bald eine - für ihn unangenehme - Novelle im Universitätsgesetz in Kraft treten. „Infolge welcher“, so der Wiener Anwalt Wolfgang Schwartz, „nicht nur Studenten, die sich mit ,fremden‘ Werken akademische Titel erschleichen wollen, sondern auch die Verfasser dieser Arbeiten gerichtlich verfolgt - und Geldstrafen von bis zu 25.000 Euro über sie verhängt - werden können.“ Genau die Summe, die eine Dissertation über Schnitzlers Frauenbild kostet.
„Ein Titel bringt Erfolg“
Seine Master gekauft hat auch ein Wiener, der daraufhin einen beruflichen Aufstieg hinlegte: „Ich stamme aus keiner reichen Familie, ich habe schon bald nach meiner HAK-Matura geheiratet und mit meiner Frau zwei Kinder bekommen; deshalb hätte ich niemals an einer Fachhochschule ein Wirtschaftsfach studieren können, wenn ich nicht bei einem Bankunternehmen einen fixen Job gehabt hätte“, so der Wiener.
Und weiter: „Lange schaffte ich es, alle Anforderungen meiner Lehrenden bestens zu erfüllen, das Erstellen meiner Master-Arbeit machte mir dann allerdings Probleme. Ich hatte dafür zu wenig Zeit, daher engagierte ich eine Ghostwriter-Agentur. Ich zahlte knapp 12.000 Euro für den Text. Er war hervorragend. Jedenfalls habe ich jetzt einen Titel - und daher eine tolle Stelle: Ich bin in der Finanzabteilung eines großen Unternehmens tätig, verdiene gut - und ich wurde bereits mehrfach befördert.“
Martina Prewein, Kronen Zeitung
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