Nervosa steht für Zorn, liest man in Berichten über die gleichnamige Thrash-Metal-Band mit Ursprung Brasilien. Aus dem Portugiesischen könnte man den Bandnamen auch als „nervös“ übersetzen. Das sind die vier rockenden Damen allerdings gar nicht: „Ich würde gerne noch mehr Frauen im Heavy Metal sehen, weil das immer noch eine Männerdomäne ist. Wir wollen dazu ermutigen“, sagte Gitarristin Prika Amaral im APA-Interview selbstbewusst.
Die Musikerin ist das letzte verbliebene Mitglied der Originalbesetzung von Nervosa, gegründet 2010 in der Metropole Sao Paulo. Nach zwei Alben hatte man sich auseinandergelebt, mit Mia Wallace (Bass) und Eleni Nota (Drums) fand Amaral eine neue Rhythmusabteilung, außerdem ist erstmals eine Sängerin an Bord, die nicht nebenbei ein Instrument spielt - diese hört auf den klingenden Namen Diva Satanica und beherrscht die höhen Töne so kompetent wie das tiefe Grölen.
Erweitertes Spektrum
„Es ist eine neue alte Band“, lachte Amaral. „Es sind die alten Stärken vorhanden, aber man spürt eine frische Energie. Wenn man nach einiger Zeit das eine oder andere ändert, ergeben sich neue, spannende Möglichkeiten. Das hat sich naturgemäß auf die Musik ausgewirkt.“ Nachzuhören auf dem neuen Album „Perpetual Chaos“: „Früher standen wir zwischen Death und Thrash Metal. Nun hat sich das Spektrum erweitert, allein wegen der Fähigkeiten von Eleni, die alle möglichen Stile beherrscht. Auch Black Metal hinterließ einige Spuren.“
Vor einigen Jahren hat dieses Genre kaum Frauen angesprochen, bei Thrash-Konzerten traf man im Bierdunst ein überwiegend männliches Publikum an. Bei Prika Amaral ist die Leidenschaft für kompromisslose Klänge „ganz natürlich“ entfacht worden, wie sie sagte: „Ich weiß nicht mehr, ob Metallica oder Sepultura die erste Metal-Band war, die ich gehört habe. Aber ich habe mich in diese Musik sofort verliebt. Ich war von der Härte total überwältigt.“
Es geht etwas weiter
Nicht nur in den vorderen Reihen bei Auftritten zu stehen, sondern selbst Thrash Metal zu spielen und sich zu behaupten, das sei allerdings kein leichtes Unterfangen gewesen. „Als ich Ende der Neunziger mit dem Gitarrespielen begonnen habe, war das für eine Frau schon hart. Das hat sich mittlerweile geändert. Ich glaube, das Internet hat dazu beigetragen. Es wird viel mehr diskutiert und ein Bewusstsein geschaffen, wie schwer es für Frauen ist, wenn sie keine alten Rollenklischees erfüllen wollen. Vieles ändert sich zwar nur langsam, aber zumindest schneller als in den Jahren davor.“
Wenn man den Zorn im Bandnamen trägt, versteht es sich von selbst, dass kritische Töne angeschlagen werden. Für Amaral war es von Anfang an klar: Ihre Musik soll nicht nur unterhalten, sondern auch eine Plattform sein. „Hardcore und Punk fließen durch meine Venen“, betonte die Gitarristin. „Einer meiner Lieblingssänger ist Jello Biafra von den Dead Kennedys. Ich habe seine Kritik an der Obrigkeit in seiner Arbeit immer bewundert.“
Politische Statements
Auf „Perpetual Chaos“ lassen Nervosa ihrem Zorn über viele Themen freien Lauf. „Die Situation in Brasilien ist derzeit sehr hart“, erzählte Amaral. „Unser Präsident ist eine Art Trump, er hält oft faschistoide Reden, er ist rassistisch und homophob. Das ist sehr traurig und daher unmöglich, nicht darüber zu reden. Aber meine Texte handeln nicht nur von Brasilien, denn in dieser Pandemie zeigen viele Führer in vielen Ländern ihr wahres Gesicht. Und viele Menschen sterben, weil diese Führer nur nach Eigeninteressen falsch handeln.“
Ihre Texte sollen zum Nachdenken anregen, aber niemandem etwas vorschreiben, betonte die Musikerin und Songwriterin. „Es müssen ja nicht alle meiner Meinung sein. Jeder sollte aber die Freiheit haben, seine Meinung äußern zu können. Man darf dabei aber auch nicht respektlos sein. Deine persönliche Freiheit hat eine Grenze: sie endet, wenn damit die Rechte des anderen verletzt werden.“
Umzugspläne
Vorerst kann man zum Frauen-Power-Thrash-Metal von Nervosa nur mit Hilfe der beim österreichischen Label Napalm Records erschienen Tonträger headbangen. Amaral freut sich wie so viele Rockfans auf die erste Tourneen nach der Pandemie. „Dann werde ich nach Italien ziehen, weil meine neuen Mitstreiterinnen in Europa leben und wir dort unsere Zentrale einrichten.“
APA/Wolfgang Hauptmann
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