Europas Autobauer bleiben verwundbar - auch wenn viele zerstörte Lieferketten nach dem Corona-Crash gerade erst repariert sind. Aber eine unverzichtbare Gruppe von Bauteilen fehlt immer häufiger: Halbleiter-Module, das Herz aller elektronischen Systeme und Mikrochips. Manche Auto-Fertigungslinien müssen erneut dichtmachen, weil die Versorgung stockt. Und simples Umschwenken auf andere Partner ist oft nicht drin, weil die verfügbare Gesamtmenge schon so äußerst knapp ist.
„Seit dem Frühjahr war die Abnahme der Autoindustrie im Zuge der Corona-Situation zunächst stark zurückgegangen“, erklärt der Geschäftsführer des Branchenverbands ZVEI, Wolfgang Weber. „Chiphersteller mussten ihre Kapazitäten umstellen und neue Abnehmer finden, was geglückt ist.“ In der Unterhaltungselektronik mit TV, Hi-Fi oder Spielkonsolen habe es einen Aufschwung gegeben. Und auch in Sektoren wie Medizintechnik mit Beatmungsgeräten und Monitoren oder dem IT-Kerngeschäft sei der Halbleiter-Bedarf hoch.
„Schneller geht es leider nicht“
Die Autoproduktion habe nun rascher wieder angezogen als vermutet. Die Chiphersteller benötigten daher „ein paar Monate, um ihre Produktion wieder umzustellen und die Nachfrage wieder decken zu können. Schneller geht es leider nicht - das sollten die Autohersteller verstehen und künftig stärker berücksichtigen“. Man dürfe bei alldem nicht vergessen, dass eine hohe Auslastung für die Elektronikanbieter wichtig sei. Die Fertigung von Chips, Sensoren oder Controllern ist kostspielig, für neue Fabriken sind nicht selten zweistellige Milliardenbeträge an Investitionen nötig. Da hätten Hersteller notgedrungen ihre Lieferziele neu ausrichten müssen.
Der Autobranche aber bereitet die frühe Erholung des eigenen Absatzes akute Probleme. Bei Volkswagen, Audi oder Daimler etwa waren zuletzt schon Schichten ausgefallen. Im VW-Stammwerk Wolfsburg wurde die Betriebsruhe nach Neujahr verlängert; vor Weihnachten hatte der größte Autokonzern eine „massiv eingeschränkte Liefersituation“ beklagt. Betriebsratschef Bernd Osterloh warnte: „Wir haben ein gravierendes Problem - aber das hat nicht nur die Autoindustrie allein.“
Rohstoff-Probleme
Auch für Chiphersteller in Asien soll die aktuelle Nachfragespitze bei Halbleitern überraschend kommen. Dabei dürften die Rohstoffmärkte ebenfalls eine Rolle spielen. Schon in ihrem Monitoring-Bericht 2019 zählte die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) - eine Fachbehörde in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) - Silizium zu den Ressourcen mit „hohen potenziellen Beschaffungsrisiken“.
Mehrere Entwicklungen in China hätten den Druck noch erhöht, sagt DERA-Chef Peter Buchholz. Zwar gebe es Silizium in Hülle und Fülle - aber 20 große Schmelzanlagen, die für seine Aufbereitung nötig sind, seien in der Volksrepublik zuletzt stillgelegt gewesen. Ein Grund dafür soll eine zu geringe Stromproduktion aus Wasserkraft nach längerer Trockenheit in einigen Regionen sein. „Und coronabedingte Produktionsausfälle müssen aufgeholt werden“, ergänzte Buchholz.
Steigender Bedarf
Hinzu komme, dass die Solarindustrie als Wettbewerber im Bezug von Halbleitern mitmische - obschon die nötige Reinheit des Siliziums hier nicht so hoch sei wie bei Mikrochips. Und auch bei anderen Halbleiter-Rohstoffen wie Gallium-Verbindungen, die etwa im neuen 5G-Mobilfunk verwendet würden, sei China ein Haupterzeuger. Der Lagerbestand sei hier stark gesunken, der Preis für ein Kilogramm Gallium im vergangenen Jahr von 150 auf 260 Dollar hochgeschossen.
Buchholz sieht kein Risiko länger anhaltender Versorgungsprobleme. Ein Grund zur Entwarnung sei das aber nicht. Der ZVEI betont, Europas Chiphersteller müssten noch mehr eigene Produktionsmöglichkeiten aufbauen. Von „technologischer Souveränität“ ist die Rede. Denn auch aus der Autobranche und dem Maschinenbau werde mittelfristig mehr Nachfrage kommen - Stichworte autonomes Fahren und Industrie 4.0.
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