Verfassungsschutz
AfD soll als Verdachtsfall eingestuft werden
Die Sorge vor dem wachsenden Einfluss des rechtsextremen Lagers wächst: Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz steht möglicherweise kurz davor, die gesamte AfD als Verdachtsfall einzustufen und damit eine Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu ermöglichen. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang könnte bereits Anfang kommender Woche eine solche Einstufung vornehmen, wie am Dienstag zu erfahren war. Die AfD kündigte an, sich vor Gericht dagegen zu wehren.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) berichteten am Dienstag über die mögliche Einstufung der Partei als Verdachtsfall. Für die AfD und ihre Mitglieder hätte eine solche Einstufung erhebliche Konsequenzen. Der Verfassungsschutz könnten dann AfD-Mitglieder observieren und abhören, außerdem dürfte er V-Leute in ihren Reihen einsetzen. Parteimitglieder, die im öffentlichen Dienst tätig sind, könnten Probleme mit ihrer Dienststelle bekommen.
1000 Seiten starkes Gutachten als Begründung
Den Zeitungsberichten zufolge kam das Bundesamt zu dem Schluss, dass die AfD genug Anhaltspunkte biete, um nicht nur weitere Teilorganisationen, sondern die gesamte Partei zu beobachten. Ein 1000 Seiten starkes Gutachten, das die Beobachtung begründe, liege dem Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) mittlerweile vor. Der Verfassungsschutz gehe demnach davon aus, dass der Einfluss des rechtsextremen Lagers in der AfD in den vergangenen zwei Jahren gewachsen sei. So hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den „Flügel“, der dieses Lager repräsentiert, schon im März 2020 vom Verdachtsfall zu einer „erwiesenen extremistischen Bestrebung“ hochgestuft.
Die offizielle Auflösung des „Flügels“ im April 2020, der von dem derzeit aus der AfD ausgeschlossenen Brandenburger Rechtsextremisten Andreas Kalbitz und dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke geführt wurde, sieht der Verfassungsschutz den Berichten zufolge als Täuschungsmanöver an, da die Personen immer noch in der AfD aktiv seien und Strukturen weiter bestünden.
„Große Einigkeit“ über Entscheidung bei CDU/CSU und SPD
Ein Landesinnenminister sagte den RND-Zeitungen: „Die Entscheidung fällt in der kommenden Woche.“ Über ihren Ausgang herrsche „große Einigkeit“. Dabei sei die Entschlossenheit in der Union noch einmal größer als in der SPD - und Bundesinnenminister Seehofer sei „mit im Boot“. Der Verfassungsschutz steht dabei vor der Aufgabe, die Entscheidung gerichtsfest und exakt zu begründen, damit sie vor Gericht Bestand hat. Die AfD dürfte sich heftig gegen ihre Beobachtung wehren. Gegen die Einstufung als Verdachtsfall könnte sie beim Verwaltungsgericht mit einem Eilantrag klagen.
Die Partei werde sich gegen den Verfassungsschutz „mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen“, kündigte Fraktionschefin Alice Weidel im Gespräch mit dem RND bereits an. „Sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz tatsächlich die Einstufung der Bundes-AfD als Verdachtsfall verkünden, wäre der erneute Beweis erbracht, wie parteipolitisch die Behörde unter Thomas Haldenwang agiert.“ Sie füge hinzu: „Ein solch durchschaubares Manöver wird gerichtlich keinen Bestand haben.“
Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle bezeichnete eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz als „folgerichtig“, denn „Rechtsextremismus gehört in der AfD zum guten Ton“. Am Ende würden jedoch die Wählerinnen und Wähler über das Schicksal der AfD entscheiden, fügte er hinzu. Niemand dürfe sich der „Illusion hingeben, dass rechtsextremes Gedankengut oder rechtsextrem motivierte Straftaten durch eine Beobachtung durch den Inlandsnachrichtendienst verschwinden“, erklärte Kuhle.
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