„Promi-Bonus“ bei Impfungen lässt vielen Landsleuten quasi das „G’impfte“ aufgehen. Verhaltensforscher Kurt Kotrschal aus Scharnstein weiß, warum vernadert wird.
„Krone“: Momentan gibt es das Phänomen, dass sich vor allem Promis die begehrten Impfungen vorzeitig verschaffen. Und das gleichzeitig solche Aktionen vernadert werden, wie sonst selten. Was sagen Sie als Verhaltensforscher dazu?
Kurt Kotrschal: Der Hang zum Einsatz von Vitamin B ist leider ein durch und durch österreichischer Verhaltenszug. Wir Österreicher hören es nicht gerne, wenn gesagt wird, dass Korruption zu unserer Kultur gehört, aber es ist einfach so. Durch die Pandemie werden solche Verhaltensweisen sichtbarer. Wobei, warum Politiker nicht als Entscheidungsträger systemrelevant sein sollen, verstehe ich nicht ganz.
„Krone“: Warum wird jetzt so viel vernadert? Das ist ja kein schöner Charakterzug.
Kotrschal: Das entsteht aus einem verletzten Gerechtigkeitsgefühl und ist ein uraltes Erbe. Das Sanktionieren „hoher Tiere“ geschieht aus Selbstschutz. Wir sind in unserem sozialem Verhalten grundsätzlich sehr kooperativ. Das hat verhaltensbiologische Gründe und dient dem gemeinsamen Überleben. Damit das aber auch funktioniert, muss Schlitzohrigkeiten bestraft werden. Also ich sehe das Vernadern gar nicht so negativ.
„Krone“: Warum gibt es so ein Rattenrennen nach Impfungen?
Kotrschal: Da spielt wieder unsere Mentalität eine große Rolle. An sich gibt es ja das Impfprogramm der Regierung. Aber bei uns gilt der Leitspruch gilt „Ein bisserl was geht immer“. In Deutschland halten sich die Menschen weit mehr an Regeln als bei uns in Österreich. Und in Schweden wäre so ein Verhalten wie bei uns undenkbar. Dort steht der selbstverantwortliche Bürger im Mittelpunkt.
„Krone“: Wir Österreicher sind lauter heimliche Anarchisten?
Kotrschal: Bei uns ist es doch so: Sobald es eine neue Regel gibt, überlegt jeder, wie er sie am besten umgehen kann. Das sieht man ja auch beim Autofahren, wo sich kaum einer an die Tempolimits hält. So verdirbt die Moral.
„Krone“: Aus den Spitälern hört man, dass sich dort die Primare als Erste impfen lassen. So gibt es gewaltigen Ärger, weil ausgerechnet das Pflegepersonal auf Corona-Stationen als letztes geimpft wird.
Kotrschal: Das hat mit dem für uns typischen Obrigkeitsdenken zu tun. Besonders in der Spitälern und in der Ärzteschaft herrscht immer noch eine ganz starke Hierarchie, ein patriachales Gefüge.
„Krone“: Warum wollen sich andererseits Pflegende dann doch nicht impfen lassen?
Kotrschal: Aus Wut. Weil sie die ganze Zeit schuften können und dafür nicht einmal mehr Geld bekommen.
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