Alarmierende Zahlen birgt eine Studie des Sozialministeriums, die am Mittwoch bei einer Online-Enquete des Landes zum Thema Gewalt an Menschen mit Behinderung präsentiert wurde. Fachleute sind sich einig, dass ein selbstbestimmtes Leben das Gewaltrisiko senkt. „Und Mitbestimmung“, wie Sozial-LR Gabriele Fischer ergänzt.
Die Studienautoren Hemma Mayrhofer (Soziologin) und Walter Fuchs (Jurist) haben unter anderem 376 Interviews mit Menschen mit Behinderungen aus ganz Österreich geführt. Befragt wurden aber auch Mitarbeiter der Behindertenhilfe.
„Gewalt an Menschen mit Behinderungen ist bis in die Gegenwart tabuisiert“, lautet eine zentrale Feststellung. 80 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal psychische oder physische Gewalt erfahren zu haben. „Sechs von zehn Befragten nannten Erfahrungen mit schwerer psychischer Gewalt“, ergänzt Mayrhofer bei ihrem Vortrag. Auch schwere sexuelle Gewalt haben laut der Studie zumindest 30 Prozent erlebt.
Risiko Abhängigkeit
Abhängigkeiten in der Familie, in Heimen oder anderen Einrichtungen, zu wenig soziale Kontakte, zu wenig Möglichkeiten, sich auszudrücken und zu wehren – all das sind Gründe für das hohe Risiko von Menschen mit Behinderung, Gewalt zu erfahren. Ludwig Plangger, Obmann der „argeSODiT“, in der 33 Tiroler Organisationen der Behindertenhilfe Mitglied sind, verweist darauf, dass in Tirol in den vergangenen Jahren viel passiert ist, um diese Abhängigkeiten zu reduzieren und Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Kleine Wohneinheiten statt große Betreuungseinrichtungen“, nennt Plangger ein Beispiel. Auch der neue Leitsatz „Mobile vor stationärer Betreuung“ trage zu mehr Selbstbestimmung bei.
Betroffene reden mit
Das allein ist es aber nicht. „Mitbestimmung“, führt Sozial-LR Gabriele Fischer (Grüne) einen weiteren Grundsatz an, verankert im neuen Tiroler Teilhabegesetz. Fischer erwähnt auch den Nutzerinnenbeirat, in dem Betroffene die Regierung beraten. „Außerdem sind alle Organisationen der Behindertenhilfe verpflichtet, ein Gewaltschutzkonzept vorzulegen“, erwähnt Fischer eine weitere Maßnahme. 2021 ist die Integration am Arbeitsmarkt ein Schwerpunkt, was derzeit besonders schwierig ist. „Aber essenziell“, betont die Landesrätin.
Claudia Thurner, Kronen Zeitung
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