Dichand auf Reisen

Weltnaturerbe Aldabra: Höllenfahrt in ein Paradies

Reisen & Urlaub
24.01.2021 12:54

Aldabra im abgelegensten Winkel des Indischen Ozeans - 1150 Kilometer entfernt von Mahé - ist das größte Atoll der Erde und so gut wie menschenleer. Lesen Sie hier Hans Dichands spannenden, so gar nicht alltäglichen Aldabra-Reisebericht aus dem Jahr 1995. Als besonderen Glücksfall, um den ihn selbst die Meeresforscher seiner Zeit beneidet hatten, hatte Dichand die Begegnung mit Walhaien empfunden.

Aber es wimmelt von Haien, Riesenschildkröten und ganz seltenen Vögeln. Dorthin zu kommen und Urlaub zu machen, ist ein ganz großes Abenteuer. Aldabra und das Paradies haben eines sicher gemeinsam: Sie sind sehr schwer zu erreichen. Dreieinhalb Tage waren wir – acht Taucherfreunde – von der Hauptinsel der Seychellen, Mahé, unterwegs.

Das Wetter war schlecht über den Seychellen, obgleich es jahreszeitlich schön sein sollte. Ein Sturmtief hatte die Inselgruppe gerade erreicht; wir waren in der einzigen Maschine, die an diesem Tag in der Hauptstadt Victoria landen konnte. Die Zeitung des Inselstaates war mit der Schlagzeile „Sintflut“ erschienen. Dicke, dichte Strähnen des tropischen Gewitterregens empfingen uns. Über vermurten Straßen lagen vom Sturm abgerissene Palmen. Nur schnell aufs Schiff, das wir gechartert hatten!

Schon in der ersten Nacht, vom Sturm der aufgepeitschten See geschüttelt und gerollt, entstand in dem betagten Kahn ein Leck und setzte eine der Kabinen unter Wasser. Wir mussten zusammenrücken. Stets bestand Gefahr, mit dem nicht niet- und nagelfesten Mobiliar hin- und hergeschleudert zu werden. Mächtige Wellen krachten mit solcher Gewalt gegen die Fenster des „Salons“, dass eines nachgab und sich mit dem Rahmen verschob.

Der Reisebericht im Jahr 1995 in der „Krone“: Hans Dichand war von seiner Begegnung mit Walhaien im Indischen Ozean begeistert. (Bild: Kronen Zeitung)
Der Reisebericht im Jahr 1995 in der „Krone“: Hans Dichand war von seiner Begegnung mit Walhaien im Indischen Ozean begeistert.

Wäre es ganz herausgerissen worden, hätte Wasser in so großen Mengen eindringen können, dass es zum Untergang des Schiffes gekommen wäre. In dieser abgelegenen Gegend des Indischen Ozeans wäre eine Rettung kaum möglich gewesen, hatten wir doch auf unserer vierzehntägigen Fahrt weder ein Schiff noch ein Flugzeug gesichtet. Längst war auch die Funkeinrichtung ausgefallen. Die Lage erinnerte mich an Jack Londons „Seewolf“. Es gab sowohl bei der Besatzung als auch bei uns Verletzungen. Seit Jahrzehnten immer wieder auf Schiffen unterwegs, waren wir wenigstens gegen die Seekrankheit immun. Dagegen erbrachen die Kloanlagen ihre Inhalte in die Badezimmer; es war kaum erträglich.

UNESCO-Weltnaturerbe
Dreieinhalb Tage dauerte die Höllenfahrt, dann tauchte vor uns das größte Atoll der Erde auf: Aldabra, ein riesiges, lebendiges naturhistorisches Museum. Die Inselgruppe gehört, neben dem Galapagos-Archipel, zu den größten Naturschätzen der Erde. Der Name klingt seltsam fremd, wie die Beschwörungsformel eines Zauberkünstlers. Schon im neunten Jahrhundert waren die Araber hier und hatten die Bezeichnung „Alkhadra“, „Die Grüne“, geprägt. Später kam Vasco da Gama vorbei und änderte den Namen in „Aldabra“.

Jahrhundertelang war Aldabra Schlupfwinkel von Seeräubern, die sich hier mit den Riesenschildkröten als Proviant eindeckten. Die größte Gefahr drohte dem Atoll aber erst 1970, als die Engländer in einer ihrer letzten kolonialen Anwandlungen einen Militärstützpunkt errichten wollten. Aldabra stand noch unter britischer Oberhoheit. Schnell schickten auch die Sowjets ein „Forschungsschiff“, um vielleicht auch eine Militärbasis zu errichten. Doch die Umweltschützer in England, in den USA und auf den Seychellen verhinderten das Projekt.

(Bild: ©Jan - stock.adobe.com)

Unberührtes Paradies
Aldabra ist so gut wie menschenleer. Hauptsächlich Wissenschafter leben nur vorübergehend hier. Wildziegen werden gejagt, damit diese nicht überhandnehmen und den Riesenschildkröten das Futter wegfressen. Diese fast ausgerotteten Tiere gibt es in größerer Anzahl nur noch hier und auf Galapagos.

Das Atoll ist vulkanischen Ursprungs. Man stelle sich einen Krater mit mehr als 30 Kilometern Durchmesser vor, der dann so ins Meer versank, dass die Kraterwand über dem Meeresspiegel stehen blieb und sich Korallenbänke bildeten. Im griechischen Santorin geschah Ähnliches. Nur dass Aldabra tropisch ist und sich die Gezeiten im Indischen Ozean ungleich stärker auswirken. So schießen bei Eintreten der Flut riesige Wassermassen in die Lagune von Aldabra, die bei Ebbe mit einer Geschwindigkeit bis zu 18 Stundenkilometern wieder herausströmen. Mit der Flut kommen Haie, Rochen, Barrakudas und Wasserschildkröten in gewaltigen Rudeln in das stille Wasser der Lagune; ein unberührtes Taucherparadies.

(Bild: ©Janos - stock.adobe.com)

Zu dritt waren wir mit einem Schlauchboot in die Lagune gefahren. Ich war gerade mit einer Videokamera ins Wasser gestiegen, um ein Stückchen in den Mangrovenwald einzudringen, wo ich die eleganten Fregattvögel aufnehmen wollte. Das Wasser war etwa 70 Zentimeter tief. Da sah ich in ungefähr 50 Meter Entfernung auf der glatten Wasserfläche plötzlich das Meer brodeln und schäumen. Es waren Haie, die in einem Fischschwarm wüteten. Blitzschnell schnitten die Rückenflossen der Tiere durch das seichte Wasser. Einige Haie lösten sich vom Rudel und kamen auf uns zu.

Ammenhai (Bild: ©michaelgeyer - stock.adobe.com)
Ammenhai

Ich hatte die Kamera auf die etwa drei Meter langen Tiere gerichtet. Um zum Schlauchboot zu kommen, war es zu spät. Gebannt ließ ich meinen Finger auf dem Auslöser. Da hatte der erste Hai meine Beine fast erreicht. Nun explodierte das Wasser geradezu. Der Hai machte, offenbar zutiefst erschrocken, eine rasche Kehrtwendung. Das Wasser spritzte auf mich und die Kamera, aber die Aufnahme musste gelungen sein. Schon kam der nächste Hai auf mich zu. Inzwischen hatte ich festgestellt, dass es sich um Ammenhaie handelte, um eine wenig gefährliche Art. Es wiederholte sich auch diesmal der Schock des Tieres, und ich konnte sein Ausweichmanöver mit der Kamera verfolgen.

Unter den Haien, die wir in der Lagune trafen, waren allerdings auch gefährliche Arten, wie der Schwarzspitzenhai, der die Mangroven liebt. Vor allem aber ist das Verhalten solcher Tiere nicht abzuschätzen, bevor man ihre Art erkannt und eingeordnet hat.

(Bild: AFP)

Berühmt sind die Riesenschildkröten
Harmlos, ja manchmal geradezu darauf aus, gestreichelt zu werden, erwiesen sich die Riesenschildkröten. Diese schweren und deshalb auch schwerfälligen Tiere haben es auf den zerklüfteten Inseln nicht leicht. Die Kalksteinoberfläche wurde in den hundert Jahrtausenden ihres Bestehens durch Regenwasser von oben und das Meer von unten so ausgewaschen, dass es zur Bildung sogenannter Pilzinseln gekommen ist. Nun stehen diese Inseln wie auf dünnen Stängeln, die sehr ausladende Schwammerl-Köpfe tragen. Man traut seinen Augen nicht: Auf diesen Schwammerln wachsen Palmen, andere Bäume und Strauchwerk. Die Oberfläche ist derart gefährlich zerklüftet, dass man sich über messerscharfe Steingebilde bewegen und tiefe Löcher überspringen muss. Riesenschildkröten haben es da besonders schwer. Ihnen wird diese in der Welt einmalig bizarre Insellandschaft oft zur Falle. Sie bleiben in den Löchern stecken und verenden elend. Ihre zurückbleibenden Panzer erwecken den Eindruck eines Schildkrötenfriedhofes.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Unser Alltag verlief nun freundlicher als die Herfahrt. Über Wasser begleiteten uns Schwärme von Delfinen, geflügelte blaue Fische stiegen wie schwerelos aus dem Wasser, überholten das Schiff in großem Bogen und tauchten wieder ein. Die großen Wasserschildkröten unterbrachen ihr ringkampfartiges Liebesspiel, schoben ihre Frankenstein-Köpfe kurz aus dem Wasser und tauchten dann weg. Über uns – wie futuristisch stilisierte Kampfmaschinen – tausendfach die großen Fregattvögel, wie sie den armen Tölpeln ihre Fischbeute raubten.

Mühevoll haben sich die möwenartigen Tölpel Fische gefangen, die sie im Maul tragen, um sie ihren Jungen zu bringen. Die Fregattvögel hängen sich im Flug so fest an die Schwanzfedern der Bedauernswerten, dass diese ihre Fische fallen lassen müssen. Noch im Flug holen die Räuber ihre Beute aus der Luft. Das ist auch notwendig, denn diese elegantesten Schmarotzer der Tierwelt können nicht schwimmen.

Begenung mit Walhaien
Zum Höhepunkt unseres ereignisreichen Abenteuer-Urlaubs aber kam es, als sieben Walhaie auftauchten. Eine solche Begegnung mit dem größten Fisch aller Meere und Flüsse ist der Traum von Tauchern und Schnorchlern.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Da waren sie also und sperrten ihre riesigen Mäuler auf, doch diese Giganten mit den großen hellen Punkten auf dem Rücken und dem weißen Bauch fressen nur Plankton, also winzige kleine Tiere, die zu gewissen Zeiten an gewissen Stellen des Ozeans in großer Menge anzutreffen sind. Menschen gegenüber sind diese Haie besonders freundlich. Man kann sie streicheln und sogar auf ihnen reiten. Haben sie genug, tauchen sie einfach weg.

Der größte unserer sieben neuen „Freunde“ war etwa zwölf Meter lang und muss ganz besonderen Spaß an der Reiterei gehabt haben, denn er kam immer wieder, um es uns zu ermöglichen, ihn an der Rückenflosse zu packen und wie in einem Sattel auf ihn zu gelangen. Da die schweren Tauchflaschen dieses fantastische Spiel behinderten und die Walhaie ohnehin knapp unter der Wasseroberfläche schwammen, hatten wir stets die Möglichkeit, auch ohne Tauchausrüstung genügend Luft zu bekommen. Die großen Tiere haben meist eine Menge Putzerfische als nützliche Begleiter. Diese schwimmen knapp nebenher und fressen ihren Schmarotzer von der Haut. Wir Menschen mögen von diesen gemütlichen Riesen vielleicht ebenfalls als solch angenehme Begleiter empfunden worden sein.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Manchmal greifen aggressive andere Haie diese Rübezahls der Meere an. Wir bemerkten es an den starken Lädierungen ihrer Flossen. Einigen hatte man auch schon ein Stück Fleisch herausgebissen; möglicherweise waren sie aber auch in eine Schiffsschraube geraten. Wir hatten stundenlang Zeit, sie genau anzusehen und mit der Unterwasserkamera aufzunehmen, bis wir, von diesem Rodeo total übermüdet, an Bord schwammen. Dann, bei Sonnenuntergang, fielen wir geradezu in unsere Kojen. Am nächsten Tag die schöne Überraschung: Unsere Giganten waren noch immer da.

Dann allerdings waren wir es, die Abschied nehmen mussten, aber unser Videofilm wird uns die Erinnerung an dieses ganz seltene, großartige Erlebnis immer wieder aufs Neue nahebringen können.

Hans Dichand, Kronen Zeitung

Wer war Hans Dichand, wie hat er das Land und die Kronen Zeitung geprägt? Wer waren seine Wegbegleiter und wie bleibt er seiner Familie und Österreich in Erinnerung? Das alles und mehr lesen Sie heute in der Sonderausgabe zum 100er von Hans Dichand Ihrer „Krone bunt“!

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