Starker Zuwachs

„Gruppendruck“: Ein Viertel der Kinder an Schulen

Österreich
21.01.2021 17:43

In dieser Woche sind laut Zahlen des Bildungsministeriums österreichweit rund 25 Prozent der Kinder im Pflichtschulalter für mindestens einen Tag zur Betreuung an den Schulen angemeldet. Das ist ein starker Zuwachs von rund zehn Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche. An den Volksschulen beträgt die Quote sogar 39 Prozent (Vorwoche: 22 Prozent), an den Mittelschulen sind es 14 Prozent (Vorwoche: acht Prozent) und an den AHS-Unterstufen vier Prozent (Vorwoche: drei). Aber Achtung: Diese Zahlen sind nur ein Durchschnittswert. Standorte mit fast leeren Klassen stehen dabei Schulen gegenüber, an denen sehr viele Kinder betreut werden. Sogar innerhalb mancher Schulen unterscheiden sich die Werte je nach Klasse stark.

Am höchsten ist die Betreuungsquote über alle Schularten gerechnet in Tirol (31 Prozent) und Vorarlberg (30 Prozent), gefolgt von Oberösterreich (29 Prozent), Kärnten (28 Prozent), Salzburg und Steiermark (je 24 Prozent), Niederösterreich und Wien (je 22 Prozent) und dem Burgenland (21 Prozent). Gezählt werden dafür jeweils jene Kinder, die sich in dieser Woche für mindestens einen Tag angemeldet haben - unabhängig davon, wie oft sie in der Schule sind.

Video: Lehrervertreter für Einschränkung der Betreuung an Schulen

„Schulen stehen zur Betreuung und Lernunterstützung offen“
Im Bildungsministerium will man nun einzelne Schulen näher ansehen lassen: „Standorte, die eine sehr hohe Prozentzahl von Kindern besuchen, schauen sich die Bildungsdirektionen näher an und führen Gespräche mit den Schulleitungen“, hieß es. „Die Schulen stehen zur Betreuung und Lernunterstützung offen. Die Betreuung sollen aber nur jene in Anspruch nehmen, die diese auch benötigen.“

Direktorin erklärt Zuwachs mit „Gruppendruck“
Vor allem mit „Gruppendruck“ erklärt sich eine Volksschul-Direktorin im APA-Gespräch die unterschiedliche Inanspruchnahme der Betreuung. Allein an ihrem Standort gebe es Klassen mit unter 20 und über 70 Prozent Auslastung. Das könne nicht an den unterschiedlichen Berufen der Eltern liegen. „Klar haben wir Kinder von Arbeitslosen wie von Ärzten hier - aber die verteilen sich eigentlich über alle Klassen eher gleichmäßig. Und auch die Kinder, die wir gezielt hereinholen, sind in allen Klassen zu finden.“

(Bild: Daniel Scharinger)

Vielmehr habe sie erlebt, dass sich in einzelnen Klassen die Eltern mehr oder weniger stillschweigend verabreden, die Kinder zu schicken oder eher nicht. „Das fängt mit WhatsApp-Nachrichten wie ,Ich schicke mein Kinder sicher, macht das doch auch‘ an. Das müssen gar nicht viele Initiatoren sein, aber die schwankenden Eltern schließen sich dann oft an.“ In einem Fall sei das so weit gegangen, dass die Eltern einer Klasse regelrecht Druck gemacht hätten, „normalen“ Präsenzunterricht durchzuführen. „Das widerspricht aber klar den Vorgaben - was sollen wir außerdem mit den drei, vier Kindern machen, die dann doch daheimbleiben?“

Unterschiedliche Motive der Eltern
Über die Motive der Eltern könne sie nur spekulieren: „Da sind sicher ganz viele unterschiedliche dabei: Berufliche Gründe, ein paar Leute, die mit den Corona-Maßnahmen generell nichts anfangen können, aber auch Eltern, die mit der Betreuung daheim mittlerweile einfach überfordert sind. Und solche, die schulische Nachteile für ihre Kinder durch das Homeschooling befürchten.“ Beurteilen wolle sie das gar nicht: „Auch bei meinen Lehrerinnen und Lehrern sind ja die Meinungen gespalten - manche wollen gar nicht an der Schule unterrichten, andere unbedingt und die meisten irgendwo dazwischen.“

Vorgaben des Ministeriums nicht verantwortlich
Die Vorgaben des Ministeriums bzw. der Bildungsdirektion will sie dafür gar nicht einmal verantwortlich machen. „Natürlich kann man da viel Detailkritik üben - von der überbordenden Dokumentationswut, den sich ständig ändernden Rückkehrterminen bis jetzt zum Chaos um die Selbsttests.“ Das grundsätzliche Problem ist für sie eher die Gratwanderung zwischen der Grundsatz-Vorgabe des Daheimbleibens und der Möglichkeit zum Doch-Kommen. „Wenn ich sage: ,Bleibt bitte grundsätzlich daheim, aber wir bieten - wenn‘s nicht anders geht - die Möglichkeit, die Kinder zu bringen‘, dann überhören halt viele den Einschub.“ Eine Lösung dafür habe sie aber auch nicht wirklich.

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