Das große Interview

Sehen Sie Politik jetzt anders, Frau Raab?

Persönlich
24.01.2021 12:10

Am Freitag verkündete Integrations-, Frauen- und Familienministerin Susanne Raab, dass sie im Juli ihr erstes Kind erwartet. Wie sie es in ihren Alltag integrieren will und was sich alles verändert, darüber sprach die 36-Jährige, vier Stunden, nachdem sie ihre Schwangerschaft öffentlich gemacht hatte, mit Conny Bischofberger.

Strenges Corona-Setting im Palais Dietrichstein, das zum Bundeskanzleramt gehört. Fiebermessen, FFP2-Masken, japanische Begrüßung. Im Büro der Neo-Familienministerin im zweiten Stock stehen die Fauteuils weit auseinander, zwischen uns hätte Faßmann quer fast zweimal Platz. Auf einem weißen Beistelltisch steht ihr Hochzeitsfoto, daneben liegt der Strampelanzug, den die türkise Ministerin auf Facebook mit der Nachricht „1 + 1 = 3“ postete. Dabei berührt ihre Hand die des künftigen Vaters, der in Karenz gehen wird. „Heute war einer der schönsten Tage bisher“, strahlt Susanne Raab (36), „ich bin überwältigt vom großen Zuspruch, den ich von Freunden und Bekannten, aber auch von vielen Frauen erhalten habe, ausnahmslos positiv.“

„Krone“: Frau Ministerin, herzlichen Glückwunsch! Sie erwarten zu einem Zeitpunkt Ihr erstes Kind, an dem die Belastung für Sie noch größer wird. Zum Integrations- und Frauenministerium kommt auch das Familienministerium. Wird sich das ausgehen?
Susanne Raab: Die letzten Wochen waren tatsächlich sehr intensiv, auch mit der Übernahme des neuen Ressorts, die jetzt bevorsteht. Es wartet viel Arbeit auf mich, und die werde ich die nächsten Monate bewältigen, mir über den Sommer eine Pause für mein Kind gönnen und im Herbst wieder voll durchstarten.

Der günstigste Zeitpunkt ist es aber nicht, geben Sie mir da recht?
Gar nicht. Es gibt niemals einen Zeitpunkt, der ungünstig ist, wenn ein neues Leben geboren wird.

Hatten Sie nie Bedenken, dass das nicht funktionieren könnte?
Nein, denn wir leben in einer Zeit, in der man das partnerschaftlich gut gestalten kann und so, wie mein Mann und ich unsere Ehe geführt haben, wir halten uns gegenseitig den Rücken frei, so werden wir unser Kind auch großziehen. In gemeinsamer Verantwortung. Wir sind ein starkes Team, wir werden das schon schaffen. Und deshalb bin ich ganz zuversichtlich, dass es gelingen wird.

Muss Ihr Mann jetzt zu Hause bleiben?
Mein Mann arbeitet bei einem internationalen Unternehmen und wird ab September in Karenz gehen. Aber auch die Großeltern wohnen in der Nähe und werden uns unterstützen. Unsere Eltern werden mithelfen. Das sind gute Rahmenbedingungen.

Kein Kindermädchen?
Eigentlich wollen wir das innerfamiliär organisieren.

Werden Sie das Baby ins Ministerium mitnehmen?
Wir versuchen, Pläne zu machen, aber meistens kommt es dann doch anders. Ich tausche mich viel mit anderen Müttern aus und versuche, von ihnen im Vorfeld zu lernen. Mit Elli Köstinger zum Beispiel, die ja schon viel Erfahrung hat, und auch mit Alma Zadic. Sicher werde ich das Kleine in den beruflichen Alltag integrieren.

(Bild: Reinhard Holl)

Wissen Sie schon, ob es ein Kleiner oder eine Kleine wird?
Ja, aber das möchte ich gerne noch als kleines Geheimnis für mich und meinen Mann behalten -Lacht.

Sehen Sie Politik jetzt eigentlich mit anderen Augen?
Eigene Erfahrungen eröffnen immer neue Perspektiven. Ich habe in meiner Zeit als Frauenministerin mit vielen werdenden Müttern gesprochen, darüber, was ihre Sorgen und Ängste auch sind. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele ein wichtiges Thema. Und, ja, wenn man das dann selber erlebt, dann bereichert das auch die politische Arbeit enorm.

Können Sie sich zum Beispiel vorstellen, nach Griechenland zu fahren und sich dort anzuschauen, wie es den Kindern in den Lagern geht?
Ich war in den letzten Jahren viel unterwegs und habe auch schon viel Elend auf der Welt gesehen. Nach meiner Matura habe ich einige Monate in einem Mädchenhaus in Brasilien gearbeitet, diese jungen Frauen waren von Prostitution betroffen. Es ist wichtig, überall zu helfen, die Frage ist nur, wie. Und da gibt es unterschiedliche Zugänge.

(Bild: APA/AFP/MANOLIS LAGOUTARIS)

Also werden Sie nicht hinfahren?
Das steht derzeit nicht zur Diskussion.

Als Politikerin sind Sie sehr privilegiert. Was werden Sie als Familienministerin tun, damit es auch weniger privilegierte Frauen schaffen, Kind und Job zu vereinbaren?
Ja, dessen bin ich mir bewusst. Ich habe für mein erstes Kind beste Rahmenbedingungen. Wenn ich an eine alleinerziehende Mama denke, die drei Kinder großzuziehen hat, ziehe ich meinen Hut, diese Frauen stemmen Übermenschliches. In der Corona-Krise ist die Mehrfachbelastung noch gewachsen und es wird meine Aufgabe als Familienministerin sein, diese Familien und Frauen bestmöglich zu unterstützen.

Zitat Icon

Wenn ich an eine alleinerziehende Mama denke, die drei Kinder großzuziehen hat, ziehe ich meinen Hut, diese Frauen stemmen Übermenschliches.

Susanne Raab

Stichwort Corona. Familien sind die Hauptopfer dieser Krise. Die Familienministerin hatte aber bei den Pressekonferenzen der Regierung nie eine Stimme. Werden Sie das auch so hinnehmen?
Wir haben innerhalb der Regierung eine wirklich gute Abstimmung. Die schwierige Situation der Familien, das Homeschooling und die Vereinbarkeiten stehen bei jeder Besprechung auf der Agenda. Es gibt derzeit keine andere Alternative. Die Gesundheit und der Schutz von Menschenleben stehen über allem. Dass die Minister für Gesundheit und Sicherheit vorne stehen, versteht sich in der Pandemie von selbst.

Aber müssten Sie nicht auch neben Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer stehen?
Eine starke Stimme für die Familien und auch für die Frauen ist wichtig. Insbesondere dann, wenn die Maßnahmen beschlossen werden. Da sitze ich mit am Tisch.

(Bild: APA/Roland Schlager)

Beate Meinl-Reisinger hat drei Kinder und meinte, sie wolle nicht von kinderlosen Karrieristen regiert werden. Hat sie sich bei Ihnen gemeldet?
Ja, ich habe eine Gratulation von ihr erhalten. Mein Zugang ist es nicht, dass Frauen, aber auch Männer, abgestempelt werden. Die kinderlose Karrierefrau als Rabenmutter, oder das Hausmütterchen, wenn eine Frau zu Hause bleibt bei ihren Kindern. Das finde ich nicht richtig. Jeder soll das Lebensmodell wählen, das er möchte. Die Selbstbestimmung der Frau steht an oberster Stelle und wir müssen in der Politik dafür die Rahmenbedingungen schaffen.

Sagt überhaupt noch jemand „Rabenmutter“ heutzutage?
Solche Zuschreibungen sind in unserer Gesellschaft leider nach wie vor vorhanden. Aber davon müssen wir uns eben lösen. Raben sind im Übrigen keine schlechten Eltern.

Glauben Sie, dass Männer und Frauen, die Kinder haben, vielleicht bessere Politiker sein können?
Das glaube ich nicht. Das sollte auch kein Qualifikationskriterium für ein Amt sein. Wichtig ist einfach, nicht auf einem Auge blind zu sein. Sich jene Erfahrungen, die man nicht selber macht, hereinzuholen, das Ohr an den Menschen zu haben und so über ihre Lebensrealitäten Bescheid zu wissen.

Seit wann wissen Sie eigentlich, dass Sie schwanger sind und was ist da durch Ihren Kopf gegangen?
Ich bin Anfang des fünften Monats, wir wissen es also schon einige Zeit. Wir waren überrascht und überwältigt. Es dauerte eine Zeitlang, bis wir realisiert haben, dass ein Mensch in einem heranwächst. Dieses Wunder zu begreifen … Richtig bewusst wurde es uns, als wir das erste Ultraschallfoto mit nach Hause nehmen konnten.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, das Geheimnis so lange für sich zu behalten?
Es war nicht ganz einfach. Aber mein Mann und ich wollten das zunächst einmal gemeinsam teilen. Zu Weihnachten haben wir es dann unseren Eltern gesagt. Und danach habe ich dem Bundeskanzler Bescheid gesagt. Er war der Erste, den ich nach meiner Familie und der Familie meines Mannes ins Vertrauen gezogen habe.

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Er hat sich ausnahmslos gefreut und mich darin bestärkt, dass wir das gut schaffen werden.

Susanne Raab über die Reaktion von Bundeskanzler Sebastian Kurz

Wie hat Sebastian Kurz reagiert?
Er hat sich ausnahmslos gefreut und mich darin bestärkt, dass wir das gut schaffen werden. Als dann der Bauch gewachsen ist und ich den Hosenknopf nicht mehr zubekommen habe, wollte ich es nicht mehr verstecken und bin an die Öffentlichkeit gegangen.

(Bild: Reinhard Holl)

Geht Ihnen manchmal der Gedanke durch den Kopf, dass Ihr Kind in eine seltsame Zeit hineingeboren wird?
Gar nicht. Ein Kind gibt immer Hoffnung und Perspektive, auch in einer sehr schwierigen Zeit. Sicher, es ist eine Herausforderung, in der Pandemie schwanger zu sein. Wenn man es den Freundinnen sagt, dann würde man ihnen am liebsten um den Hals fallen. All das geht jetzt nicht. Meinem Team habe ich es in einem Zoom-Meeting mitgeteilt. Das ist schade, aber der Freude tut das alles keinen Abbruch.

Werden Sie eine strenge Mutter sein?
Ich glaube schon, obwohl man am Ende des Tages nie weiß, was für eine Mama man sein wird. Gewisse Regeln sind mir jedenfalls wichtig, weil sie einen Rahmen schaffen, in dem sich das Kind dann frei entfalten kann.

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Findet etwas, das eure Leidenschaft sein kann! Lasst euch niemals klein machen, artikuliert eure Wünsche, seid ruhig laut dabei.

Susanne Raab auf die Frage, was sie ihrem Kind mitgeben möchte

Was wollen Sie Ihrem Kind einmal mitgeben?
Das, was meine Eltern mir und meiner Schwester mitgegeben haben: Findet etwas, das eure Leidenschaft sein kann! Lasst euch niemals klein machen, artikuliert eure Wünsche, seid ruhig laut dabei. Also seine Freiheiten auszuleben, aber gleichzeitig auch auf den Nächsten zu schauen. Wir sind nicht allein auf der Welt …

Conny Bischofberger im Gespräch mit Familienministerin Susanne Raab (Bild: Reinhard Holl)
Conny Bischofberger im Gespräch mit Familienministerin Susanne Raab

Frau Raab, tut Ihnen das unrühmliche Ende Ihrer Vorgängerin eigentlich Leid?
Ich glaube, dazu ist alles gesagt. Ich habe mit Christine Aschbacher im letzten Jahr außerordentlich gut zusammengearbeitet. Die Themen Arbeitsmarkt, Familie, Frauenpolitik, Integrationspolitik sind sehr eng miteinander verschränkt. Ich habe gesehen, wie sehr sie sich in diese Arbeit hineingehängt hat.

Sind Sie noch in Kontakt mit ihr?
Ich bin mit ihr in Kontakt, wir haben ja auch noch Themen meines neuen Ressorts zu besprechen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Plagiatsjäger Stefan Weber hat angekündigt, nach der wissenschaftlichen Arbeit von Frau Aschbacher Ihre Arbeiten zu überprüfen. Haben Sie Angst davor?
Überhaupt nicht. Ich bin bis heute stolz darauf, zwei Studien - Jus und Psychologie - in fünf Jahren abgeschlossen zu haben. Das Doktorat habe ich in zwei Jahren Mindeststudienzeit geschafft und nebenbei immer gejobbt, um mir das finanzieren zu können. Das lasse ich mir von keinem kleinreden. Also Herr Weber kann das gerne machen.

Christine Aschbacher (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Christine Aschbacher

Letzte Frage: Sie haben bei der Hochzeit den Namen Ihres Mannes angenommen. Warum?
Wir führen eine sehr gleichberechtigte Ehe. Aber für mich war es ein schönes Zeichen, uns auf einen gemeinsamen Familiennamen zu einigen. Ich finde Susanne Raab sehr schön.

Schöner als Knasmüller?
Ein bisschen schöner und klingender ist er schon. -Lacht.

Und er passt perfekt zu Türkis …
Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Ich war ja damals noch nicht politisch aktiv. Aber ja, heute passt er sehr gut.

SIE ERBT DAS FAMILIENMINISTERIUM
Zur Person: Geboren am 20. 10. 1984 in Vöcklabruck, die Mutter ist Krankenschwester, der Vater arbeitete im Immobiliensektor einer Bank. Jus- und Psychologiestudium an der Uni Innsbruck, Rechtsanwaltspraktikum in Bukarest, wissenschaftliche Mitarbeit an verschiedenen Unis. 2010 wird sie Asylreferentin im Innenministerium, lernt 2011 Sebastian Kurz, damals Integrations-Staatssekretär, kennen. 2017 wird sie jüngste Sektionschefin im Bereich Integration. Ministerin für Frauen und Integration seit Jänner 2020, nun übernimmt sie von Christine Aschbacher auch das Familienressort. Raab ist verheiratet und lebt in Niederösterreich. Ihre Hobbys: Lesen und Laufen.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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