Der frühere FPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher gibt zu, dass er einen Flug für den flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek organisiert hat. Strafbar will sich der 56-jährige Freiheitliche aber damit nicht gemacht haben. Schließlich habe damals noch kein Haftbefehl gegen den ehemaligen Wirecard-Manager vorgelegen.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Schellenbacher sowie gegen einen früheren BVT-Abteilungsleiter wegen „Begünstigung“. Den beiden wird vorgeworfen, im vorigen Juni für Marsalek einen Flug von Bad Vöslau nach Minsk organisiert zu haben. Strafbar habe sich sein Mandant damit allerdings nicht gemacht, betont Anwalt Farid Rifaat. Denn neben dem Fehlen eines Haftbefehls habe Schellenbacher den Piloten Name und Passdaten Marsaleks gegeben, zur Weiterleitung an Polizei und Flugsicherung. Ob Marsalek wirklich geflogen sei, wisse sein Mandant nicht.
Auf die „Begünstigung“ von flüchtigen Kriminellen stehen bis zu zwei Jahre Haft. Laut der von mehreren Medien zitierten Festnahmeanordnung hatte Schellenbacher durchaus Bedenken dabei und begründete die Aktion mit seinen guten Geschäftsbeziehungen zum früheren BVT-Abteilungsleiter. Der Mann, der nebenberuflich für Wirecard gearbeitet haben soll, steht als mutmaßlicher Organisator von Marsaleks Flucht unter Verdacht. Er wurde nach seiner Vernehmung am Wochenende allerdings wieder enthaftet.
Nehammer will „schonungslose Aufklärung“
Ein weiterer festgenommener früherer BVT-Mitarbeiter, gegen den die Staatsanwaltschaft Wien wegen Amtsmissbrauchs und Verrat von Staatsgeheimnissen ermittelt, soll laut Innenministerium nun suspendiert werden. Er war zuletzt der Sicherheitsakademie zugeteilt. Der Mann wurde am Montag in die Justizanstalt überwiesen. Ob U-Haft verhängt wird, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte in einer Aussendung „schonungslose Aufklärung“ und einen „sauberen Neustart für den Verfassungsschutz“ an.
Schellenbacher befindet sich übrigens wegen einer anderen Causa in U-Haft. Gegen den früheren Abgeordneten liegt eine Betrugsanklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor. Nachdem die neuerlichen Ermittlungen gegen den FPÖ-Politiker bekannt wurden, verhängte das Straflandesgericht Wien die Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr.
Anwalt Rifaat will nun eine Haftbeschwerde für seinen Mandanten einlegen. In der Betrugscausa - hier wird Schellenbacher vorgeworfen, über eine frühere Firma u.a. Asfinag und Strabag geschädigt zu haben - sieht Rifaat keine strafrechtliche Relevanz, sondern allenfalls zivilrechtliche Schadenersatzansprüche.
Opposition attackiert ÖVP: „Nur die Spitze des Eisberges“
SPÖ und FPÖ schossen sich nach den neuen Enthüllungen in der BVT-Wirecard-Affäre auf Innenminister Nehammer und seine ÖVP ein. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch erinnerte daran, dass das für den Verfassungsschutz zuständige Innenministerium seit 2000 fast durchgängig von der ÖVP geführt wird und dass Wirecard-Chef Markus Braun als „ÖVP-Großspender“ in Erscheinung getreten ist. Auch FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker sieht für die beiden Ex-BVT-Männer die ÖVP verantwortlich: „Die Karrieren sind unter tiefschwarzer Führung entstanden.“
Für die NEOS steht fest: Die neuesten Entwicklungen rund um die Festnahme von BVT-Mitarbeitern und einem ehemaligen Nationalratsabgeordneten zeigten deutlich auf, dass die Aufarbeitung der Causa Wirecard durch die Ermittlungsbehörden in Österreich erst am Anfang stehe. „Das bisher Bekannte ist nur die Spitze des Eisberges", sagte NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper. Nachsatz: „Das BVT ist ein einziger Trümmerhaufen.“
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